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Valentin, Veit
Politisches, geistiges und wirtschaftliches Leben in Frankfurt am Main vor dem Beginn der Revolution von 1848/49 — Stuttgart: Union dt. Verlagsges., 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.71759#0051
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Die Romantik. — Museum und Theater

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wellig vorkäme. Er selbst hat das zum Anlaß genommen, An-
fangs der Dreißigerjahre im Museum einen heiteren Vortrag zu
Halten, nämlich über die „Naturgeschichte des deutschen Kamels",
worin er eine Schilderung des deutschen Philisters gab, und er
erntete einen Sturm von Beifall. Die Entwicklung des Museums
zum Konzertunternehmen ist interessant und typisch. Sie zeigt, wie
das literarische Interesse des Publikums durch allzu reichliche Be-
friedigung abgestumpft, schließlich ermüdete. Ein Widerwille gegen
die massenhafte Literatur bildete sich, vom „Klassischen" hielt sich
nur die Musik. Sie, die aus der Kammer in den Saal Hinaus-
getreten ist, zeigt auch darin etwas allgemein Gültiges. Die ein-
zelnen Zirkel werden weite Kreise, die alten streng gesonderten
Stände mengen sich untereinander und formen sich zu ineinander-
fließenden Gesellscyaftsscbichten. Der Genuß künstlerischer Erzeug-
nisse verbreitert sich. Sicher hat Intensität und Reinheit des Genusses
dabei verloren — aber neue künstlerische Wirkung, neue Art der
Produktion und Reproduktion wurden möglich. Die „Gebildeten"
erschienen immer mehr als eine homogene Einheit — wir haben
gesehen, wie verschieden geartet sie tatsächlich noch waren. Aber
das Scheidende war nicht mehr das Entscheidende, oder sollte es
doch nicht sein. Das Wort „gemeinnützig" war überall beliebt —
es wurde das Schlagwort einer neuen Gesellschaft. Die Notwen-
digkeit zu gemeinsamer Arbeit, zu planvollem Wirken vieler Kräfte
zwang zur Vereinigung, zu Vereinen auf allen Gebieten. Da
entstand der Cäcilienverein, der Liederkranz, der Kunstverein, der
Physikalische Vereinund die Polytechnische Gesellschaft. So fand sich
das neue gebildete Bürgertum zusammen zu Genuß und Arbeit.
Diese Kreise haben ebenso das Theater auf seiner Höhe er-
halten — eine Bühne, die keine neuen Richtungen gewiesen hat,
wie es bei dem Unterhaltung wünschenden, als Masse nicht sehr
feinsühligen Abonnentenpublikum natürlich war, aber ihr gutes
Mittelmaß immer tüchtig bewahrte und etwas Besonderes in dem
Frankfurter Dialektstücke erfolgreich pflegte; das war aus der Freude
an der eigenen Art, Sprache und Sitte entsprungen und hielt sie
dauernd warm.
Zwei Organe hat dieses geistige Leben des gebildeten Bürger-
tums sich geschaffen, die an Bedeutung die oben erwähnten lite-
rarischen Beiblätter der Zeitungen weit überragten. In der von
Berly in den Zwanzigerjahren herausgegebenen „Iris" herrschte
die Romantik, besonders vertreten durch die von den Engländern
beeinflußte Novellistik. Da gab es „Buckthornes Schicksale" nach
 
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