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Valentin, Veit
Politisches, geistiges und wirtschaftliches Leben in Frankfurt am Main vor dem Beginn der Revolution von 1848/49 — Stuttgart: Union dt. Verlagsges., 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.71759#0054
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Frankfurt vor der Revolution

Tadel — und das, wovon ihm die Gebrechen des deutschen Dramas
in erster Linie zeugten, war die Unnationalität der Deutschen.
Die Grundfarbe seines Wesens, die öfters gedeckt, doch immer
wieder zum Vorschein kommt, ist seine politische Anschauung.
Die Erfahrungen, die er als ein fröhlicher Bekenner seiner
Ansichten hat machen müssen, waren so recht dazu angetan, auf der
einen Seite sein zartes Empfindungsleben zu verletzen, seine selbst-
quälerischen Neigungen zu verstärken -- auf der anderen Seite
aber seine Lehre, seine Idee, sein politisches Dogma zu entwickeln
und zu verschärfen. So wurde er ein verbitterter Mensch und ein
eigensinniger Radikaler.
Nachdem die „Wage" nicht mehr erschien, versuchte er es, wie
erwähnt, mit dem Frankfurter Staatsristretto, dann mit einer
neuen in Offenbach erscheinenden Zeitschrift, den „Zeitschwingen".
Alles hatte keinen Bestand. Börne wurde sogar kurze Zeit auf der
Hauptwache gefangen gehalten. Immer weniger fühlte er sich in
Frankfurt wohl, nach dem Ausbruch der Julirevolution lebte er
dauernd in Paris. Durch ihn bekam zuerst die neue gleichartig
gleichmachende Bildung, die wir als Ferment einer eigentüm-
lichen Schicht des Frankfurter Bürgertums kennen gelernt Haben,
einen auch politisch liberalen, demokratischen Einschlag.
Die Bedeutung, die Börne, der hartnäckige Gegner Goethes,
für Frankfurt hat, ist auch wegen dieser Eigenschaft sehr bezeichnend.
Goethe, der Sohn der alten Kaiser- und Reichsstadt, war für das fick
entwickelnde Leben der freien Bundesstadt keine Macht. Die schon
erwähnten einzelnen Freunde und Bewunderer (der Kreis von
Reinhard, der Kreis von Thomas) Hatte er in ihr gewiß — aber
welche Schwierigkeiten mußte der Plan, ihm ein Denkmal zu er-
richten, bis zur Vollendung durchmachen, wie kläglich war der
Anblick der um Beiträge bei der ganzen Welt bettelnden reichen
Stadt^I Auch die Huldigung, die ihm das Museum zudachte,
gelegentlich seines fünfundzwanzigjährigen Jubiläums 1833^,
verliert an Wert, wenn man erfährt, daß die beiden Büsten, die außer
der seinigeu aufgestellt wurden, die Dalbergs und Jean Pauls
waren. Und der Plan, der im Bundestag auftauchte, sein Geburts-

r) Seit 1819 tauchten immer wieder Pläne zu einem Goethedenkmal
auf. In der neuen Stadtbibliothek wurde 1840 das große Marmorwerk von
Marchesi, das ihn sitzend zeigt, aufgestellt, das öffentliche Denkmal von Schwan-
thaler erst 1844 enthüllt. Über die Denkmalsfrage handelt auch das be-
kannte sehr unhöfliche Sonett Heines.
H Frankfurter Jahrbücher II, 39.
 
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