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Frankfurt vor der Revolution
Rolle spielte, gingen noch beständig Waren durch die Hände dieser
Gattung von Häusern — es war dies eine Gelegenheit, abgesehen
von dem Speditionsgewinn, die Operationen der Korrespondenten
kennen zu lernen, ihre Solidität zu prüfen, bis zur völligen Ab-
wicklung des Geschäftes die Güter zur Sicherheit in der Hand zu
behalten. Aber im Verlaus der historischen Entwicklung trennte
sich das so entstandene Bankiergeschäft von dem Speditionshandel
ab. Je mehr Frankfurt seit 1815 zum Geldmarkt Süddeutschlands,
zur Wechselstätte für den Verkehr zwischen Taler- und Gulden-
ländern wurde, desto stärker wurde der Stamm von kleineren,
besonders jüdischen Geldhändlern und Maklern, denen das Bank-
geschäft Selbstzweck war. Die alten großen Bankhäuser blieben
die Herren auch dieses neuen Börsengeschäftes, und da von der
anderen Seite, wie wir sehen werden, das Speditionsgeschäft
immer mehr durch die Umwälzung der Verkehrstechnik Einbuße
erlitt, so wurde das Bankgeschäft ihr hauptsächliches Gebiet. Es
war noch keineswegs ihr einziges^). Wir Hören von den großen
Abschlüssen, die Frankfurter Häuser machten: sie vermittelten den
Baumwollenhandel zwischen Manchester einerseits, Genua und
Livorno anderseits, den Eisenexport von Remscheid nach Nord-
amerika, die Leinenausfuhr von Schlesien nach Mexiko. Aber
Warenhandel in: alten Sinn war dieser Welthandel nicht mehr —
es waren Geldgeschäfte, die mit dem Platz selber gar nichts zu tuu
hatten, die ebensogut in Hamburg oder Köln hätten abgeschlossen
werden können — und natürlich haben es auch nur wenige Häuser
so weit gebracht. Diese alten christlichen, auf ihre Tradition sehr
stolzen Firmen bildeten durch diese allmähliche Umwandlung ihrer
Tätigkeit den neueren moderneren Typus der Kaufmannschaft
aus. Er ist uns schon entgegengetreten. Es sind die Herren, die die
Bundestagsgesandten zu Bällen und auf die Jagd einluden, und
es sind die Frauen und Töchter, die den Attaches ihre Freundschaft
schenkten. — Wir haben es also, uni es noch einmal zusammenzu-
fassen, mit zwei Typen des Frankfurter Handels zu tun.
Es ist erstens der ältere des Warenzwischenhändlers (Grosso-
Verkehr). Es ist zweitens der neuere des Spediteurs (Wareu-
großhändlers) und Bankiers.
Die durch die Einwirkung des Zollvereins hervorgerufene,
später zu behandelnde Handelskrise in Frankfurt hat in Verbindung
mit anderen Momenten dazu geführt, daß der ältere Typus ganz
y Frankfurter Jahrbücher I, a. a. O.
Frankfurt vor der Revolution
Rolle spielte, gingen noch beständig Waren durch die Hände dieser
Gattung von Häusern — es war dies eine Gelegenheit, abgesehen
von dem Speditionsgewinn, die Operationen der Korrespondenten
kennen zu lernen, ihre Solidität zu prüfen, bis zur völligen Ab-
wicklung des Geschäftes die Güter zur Sicherheit in der Hand zu
behalten. Aber im Verlaus der historischen Entwicklung trennte
sich das so entstandene Bankiergeschäft von dem Speditionshandel
ab. Je mehr Frankfurt seit 1815 zum Geldmarkt Süddeutschlands,
zur Wechselstätte für den Verkehr zwischen Taler- und Gulden-
ländern wurde, desto stärker wurde der Stamm von kleineren,
besonders jüdischen Geldhändlern und Maklern, denen das Bank-
geschäft Selbstzweck war. Die alten großen Bankhäuser blieben
die Herren auch dieses neuen Börsengeschäftes, und da von der
anderen Seite, wie wir sehen werden, das Speditionsgeschäft
immer mehr durch die Umwälzung der Verkehrstechnik Einbuße
erlitt, so wurde das Bankgeschäft ihr hauptsächliches Gebiet. Es
war noch keineswegs ihr einziges^). Wir Hören von den großen
Abschlüssen, die Frankfurter Häuser machten: sie vermittelten den
Baumwollenhandel zwischen Manchester einerseits, Genua und
Livorno anderseits, den Eisenexport von Remscheid nach Nord-
amerika, die Leinenausfuhr von Schlesien nach Mexiko. Aber
Warenhandel in: alten Sinn war dieser Welthandel nicht mehr —
es waren Geldgeschäfte, die mit dem Platz selber gar nichts zu tuu
hatten, die ebensogut in Hamburg oder Köln hätten abgeschlossen
werden können — und natürlich haben es auch nur wenige Häuser
so weit gebracht. Diese alten christlichen, auf ihre Tradition sehr
stolzen Firmen bildeten durch diese allmähliche Umwandlung ihrer
Tätigkeit den neueren moderneren Typus der Kaufmannschaft
aus. Er ist uns schon entgegengetreten. Es sind die Herren, die die
Bundestagsgesandten zu Bällen und auf die Jagd einluden, und
es sind die Frauen und Töchter, die den Attaches ihre Freundschaft
schenkten. — Wir haben es also, uni es noch einmal zusammenzu-
fassen, mit zwei Typen des Frankfurter Handels zu tun.
Es ist erstens der ältere des Warenzwischenhändlers (Grosso-
Verkehr). Es ist zweitens der neuere des Spediteurs (Wareu-
großhändlers) und Bankiers.
Die durch die Einwirkung des Zollvereins hervorgerufene,
später zu behandelnde Handelskrise in Frankfurt hat in Verbindung
mit anderen Momenten dazu geführt, daß der ältere Typus ganz
y Frankfurter Jahrbücher I, a. a. O.