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Valentin, Veit
Politisches, geistiges und wirtschaftliches Leben in Frankfurt am Main vor dem Beginn der Revolution von 1848/49 — Stuttgart: Union dt. Verlagsges., 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.71759#0070
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Frankfurt vor der Revolution

Symbol — eine Kaiserstatue mit Mongeperücke, Zepter und
Hermelinmantel in barock gespreizter Stellung — auf der prächtigen
Morris ssiM-Fassade trug. Hier war der Herzogwon Nassau Stamm-
gast, der sich in der behaglich-reich-bürgerlichen Sphäre „mehr als
der erste Weinhändler Deutschlands, denn als Fürst zu sühlen schien".
Der Hauptgewinn fiel den Gasthöfen zur Zeit der Oster- und
Herbstmesse durch die Meßfremden zu. In diesen Zeiten stand der
oben analysierte Zwischenhandel auf seiner Höhe. Dem Geschäfts-
freunde, mit dem der Frankfurter Kaufmann in dauernder Ver-
bindung stand, räumte er dann wohl seine Staatszimmer ein, und
die Hausfrau war die erste, die die neuen Muster von Lyoner Seide
oder den Baumwollstoffen aus Manchester prüfte und bewunderte.
Das Privatwohnen war überhaupt üblich, denn die Gasthöfe reichten
nicht aus. In den breiten Gängen der alten Handlungshäuser
und unten auf dem Flur waren Regale und Klapptische angebracht^)
— da konnten die Fremden ihre Waren ausbreiten. — Sonntags
lud der Kaufmann seine Meßfremden ein, und es ward aufgetragen,
was die Tische halten konnten?). Man nannte das charakteristischer-
weise „Meßbelebungen". Denn darin lag die eigentliche wirtschast-
liche Bedeutung der Messen in der Zwischenhandelsstadt Frank-
furt, daß sie Beziehungen zwischen Kaufmann und Kaufmann,
auch wohl schon zwischen Fabrikant und Händler anknüpften. Die
Messen der damaligen Zeit waren vor allem eine Art von Kunst-
und Gewerbeausstellungen, zugleich eine Gelegenheit zu persön-
licher Bekanntschaft und Beeinflussung — wozu sich später der
Handel als Organ die Institution der Reisenden ausgebildet hat.
Nicht jeder reiste damals zu jedem, aber alle lebendigeren Elemente
benutzten die Gelegenheit, an einem Ort zusammenzutreffen, das
Neue in Kollektionen zu zeigen, worauf dann die Bestellungen er-
folgten. Das ist die Seele der alten Messe gewesen. Der äußeren
Wahrnehmung sichtbarer und deshalb oft die eigentlich entschei-
denden inneren Vorgänge verhüllend, stellte sich der mehr jahr-
marktsmäßige Teil der Messe dar. Aus der näheren Umgebung
zogen hier die Kleinhändler, die Detailproduzenten heran: die
Topfhändler aus dem Kannenbäckerland, die Abgesandten der
Weber aus dem Erzgebirge, die Holzwarenhändler vom badischen
Schwarzwald, die Solinger Messerschmiede. Zwischen den beiden

y Frankfurt am Main und seine Bauten 1886, S. 68.
2) Für das folgende: „Iris" 1825 Nr. 69, Wanderung durch die Frankfurter
Messe.
 
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