Die Gasthöfe. ^— Die Messen
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Extremen, den musterbietenden oder suchenden Kaufleuten und den
Kleinkrämern, stand eine mittlere etwas schwankende Schicht: Waren-
händler aus Frankfurt und Umgegend, oder deren Strohmänner,
welche die von auswärts im großen bezogenen Stoffe, Schmuck-
sachen, Lederwaren und so weiter nun an das Frankfurter Publi-
kum und das der weiteren Umgebung im einzelnen verkauften.
Der Durchschnittsbürger pflegte sein Budget und seine Bedürfnisse
auf diese Halbjahrsbedarfsdeckung einzurichten. Das heutige stän-
dige Spezialladengeschäft ist an die Stelle dieser Form der Bedarfs-
befriedigung durch die Messe getreten. Wie weit die wirtschaft-
liche Herrschaft der Frankfurter Messe in dieser Beziehung ging,
beweist der oben zitierte Handelskammerbericht von 1832. Es heißt
hier: „Prediger, Schullehrer, Beamte, die bemittelten Bürger aus
Wetterau, Odenwald, Gießen, Friedberg, Darmstadt, Hanau decken
hier ihren Bedarf an Wein, Essig, Tuch, Steingut, Papier, Geräten,
Glaswerk, Tabak, Modeartikeln." — Wir Haben also — um es
zusammenzufassen —- drei Kategorien von „Meßfremden": Groß-
kaufleute, mittlere Händler on ästail, kleine Krämer.
Der Niedergang der Frankfurter Messe beruht darauf, daß die
Großkaufleute weggeblieben und die mittleren Händler verdrängt
beziehungsweise aufgesogen worden sind durch die Ladengeschäfte.
Auf Gründe und Verlauf dieser Entwicklung wird später näher
eingegangen.
Der große Troß der MesseH, der für die Auswärtigen ihre An-
ziehungskraft sehr verstärkte und deshalb ihren wirtschaftlichen Be-
stand sehr entscheidend sichern half, war die Menge der Schaustel-
lungen und Vergnügungen, von denen uns der Wanderer der „Iris"
ein sehr anschauliches Bild entwirft. Alle seine Erlebnisse wird
nlan ihm allerdings nicht glauben dürfen, denn er hat offenbar die
Heineschen Reisebilder gelesen, und seine Geistesblitzchen und Phan-
tastereien wollen dem großen Sprung nachhüpsen. Aber wunder-
bare Dinge müssen doch da zu sehen gewesen sein. Seinen Zirkus
auf dem Paradeplatz uannte der Besitzer Blondin selber eine Aka-
demie der höheren Reitkunst. Eine magische Zimmerreise mit
Mondscheinnächten und brennenden Schlössern — also ganz ro-
mantisch — wird angepriesen. Während der Riesenochse, die drei
lebenden Krokodile, der Zweikampf einer Barribal mit einem
Menschen nur die niedere Schaulust befriedigen konnte, nannten
H Vergleiche auch über die Messe die witzigen Bemerkungen Börnes in dem
ersten der Briefe aus Frankfurt, 10. Oktober 1820,
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Extremen, den musterbietenden oder suchenden Kaufleuten und den
Kleinkrämern, stand eine mittlere etwas schwankende Schicht: Waren-
händler aus Frankfurt und Umgegend, oder deren Strohmänner,
welche die von auswärts im großen bezogenen Stoffe, Schmuck-
sachen, Lederwaren und so weiter nun an das Frankfurter Publi-
kum und das der weiteren Umgebung im einzelnen verkauften.
Der Durchschnittsbürger pflegte sein Budget und seine Bedürfnisse
auf diese Halbjahrsbedarfsdeckung einzurichten. Das heutige stän-
dige Spezialladengeschäft ist an die Stelle dieser Form der Bedarfs-
befriedigung durch die Messe getreten. Wie weit die wirtschaft-
liche Herrschaft der Frankfurter Messe in dieser Beziehung ging,
beweist der oben zitierte Handelskammerbericht von 1832. Es heißt
hier: „Prediger, Schullehrer, Beamte, die bemittelten Bürger aus
Wetterau, Odenwald, Gießen, Friedberg, Darmstadt, Hanau decken
hier ihren Bedarf an Wein, Essig, Tuch, Steingut, Papier, Geräten,
Glaswerk, Tabak, Modeartikeln." — Wir Haben also — um es
zusammenzufassen —- drei Kategorien von „Meßfremden": Groß-
kaufleute, mittlere Händler on ästail, kleine Krämer.
Der Niedergang der Frankfurter Messe beruht darauf, daß die
Großkaufleute weggeblieben und die mittleren Händler verdrängt
beziehungsweise aufgesogen worden sind durch die Ladengeschäfte.
Auf Gründe und Verlauf dieser Entwicklung wird später näher
eingegangen.
Der große Troß der MesseH, der für die Auswärtigen ihre An-
ziehungskraft sehr verstärkte und deshalb ihren wirtschaftlichen Be-
stand sehr entscheidend sichern half, war die Menge der Schaustel-
lungen und Vergnügungen, von denen uns der Wanderer der „Iris"
ein sehr anschauliches Bild entwirft. Alle seine Erlebnisse wird
nlan ihm allerdings nicht glauben dürfen, denn er hat offenbar die
Heineschen Reisebilder gelesen, und seine Geistesblitzchen und Phan-
tastereien wollen dem großen Sprung nachhüpsen. Aber wunder-
bare Dinge müssen doch da zu sehen gewesen sein. Seinen Zirkus
auf dem Paradeplatz uannte der Besitzer Blondin selber eine Aka-
demie der höheren Reitkunst. Eine magische Zimmerreise mit
Mondscheinnächten und brennenden Schlössern — also ganz ro-
mantisch — wird angepriesen. Während der Riesenochse, die drei
lebenden Krokodile, der Zweikampf einer Barribal mit einem
Menschen nur die niedere Schaulust befriedigen konnte, nannten
H Vergleiche auch über die Messe die witzigen Bemerkungen Börnes in dem
ersten der Briefe aus Frankfurt, 10. Oktober 1820,