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Valentin, Veit
Politisches, geistiges und wirtschaftliches Leben in Frankfurt am Main vor dem Beginn der Revolution von 1848/49 — Stuttgart: Union dt. Verlagsges., 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.71759#0098
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Frankfurt vor der Revolution

Zwei Teilnehmer an diesem Mittagessen sind die Hauptorgani-
satoren des Frankfurter Putsches vom 3. April 1833Z.
Er erscheint uns so als ein Resultat der Verzweiflung an einem
gesetzmäßigen Vorgehen, und insofern als die Bekrönung der
geistigen Strömuilgen, deren Entwicklung wir beobachtet haben.
War es nun zu erwarten, daß die Frankfurter Bürgerschaft
einen tätigen Anteil nehmen würde? Sicherlich nein. Wir sahen,
wie zahm der Durchschnittsliberalismus im Mittwochkollegium
doch war, wie er die paar Literaten im Kampf mit den Behörden
sich ruhig erhitzen ließ. Die Tapferkeit mit dem Munde war auch
eine alt-reichsstädtische Tugend. Für jugendliche Torheiten studen-
tischer Art war man schließlich viel zu vernünftig. Offenbar hat die
Frankfurter Bevölkerung die tollkühne Unternehmung als ein
packendes Schauspiel, als eine Art Bürgerfreude betrachtet. Es war
immer so still und nun passierte doch etwas. Kombst?) behauptet
sogar, daß einige junge Einheimische, die den Sturm auf die Wachen
mitgemacht hatten, noch Zeit genug fanden, als Ruhestifter, dem
Appell der Bürgerwehr folgend, in ihren Montierungen auf dem
Sammelplatz erschienen. Wenn das auch uicht wahr sein sollte,
so wird doch von Teilnehmern auch sonst bestätigtes, daß die Leute
zusammenliefen, Witze machten; bei gelegentlichen Karambolagen
sollen auch die beliebten Sachsenhäuser Artigkeiten erklungen sein.
Was ein warmer, freilich recht verstiegener Patriotismus als
letzte mögliche Befreiungstat plante, endete wie eine Farce. Die
Regierungen, die natürlich scharf gegen die Teilnehmer einschritten
— und dabei Hatten die Frankfurter, besonders der weibliche Teil,
genug Gelegenheit, bei Unterstützung Verfolgter und bei Befreiung
Gefangener Mut und Opferfreude zu zeigen — die Regierungen
waren gewiß nur sehr mittelbar schuld darau, daß der Angriff, der
auf ihr Zentralorgan gemacht wurde — der einzig positive überhaupt
in dieser Zeit des überall einströmenden modernen Liberalismus —
aussah wie ein mißlungener, geschmackloser Studentenstreich. Die
Dissonanz liegt tiefer. Der Liberalismus war noch bei ganz wenigen
tz Unter dem Titel: „Das Frankfurter Attentat vom 3. April 1833 und die
Heidelberger Studentenschaft" hat neuerdings Dietz eine Schrift herausgegeben,
in der die Ereignisse wieder erzählt worden sind und durch die Erörterung der
Burschenschaftsverhältnisse eine neue Beleuchtung erfahren Haben. Auch über
das spätere Schicksal der Attentäter ist dort ausführlich und erschöpfend berichtet.
Auf das Tatsächliche gehe ich nicht weiter ein — es kommt mir nur auf den
Zusammenhang mit der Entwicklung des Frankfurter Liberalismus an.
^ Kombst, Erinnerungen, S. 142.
3) Frankfurter Hausblätter N. F. I.
 
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