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Valentin, Veit
Politisches, geistiges und wirtschaftliches Leben in Frankfurt am Main vor dem Beginn der Revolution von 1848/49 — Stuttgart: Union dt. Verlagsges., 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.71759#0115
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Gewerbefreiheit? — Handwerkerkrisis

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gewesen sein. Es wird nachgewiesen, daß die Zahl der beschäftigten
Gesellen nach Erlaß des Gesetzes einhundertunddreiundfünfzig
mehr im Monat betrage als früher. „Sie fchmälern den Meistern
den Erwerb und sind auch sonst in vielen Beziehungen dem Staate
eine währe Last." Das Problem der Lohnarbeiter — denn das
Lohnarbeitertum steckt in einer großen Gesellenschaft, die mehr
als normaler Handwerksnachwuchs ist — taucht also schon in seiner
doppelten Beziehung zum Arbeitgeber und zum Staat auf. Die
Frankfurter Jahrbüchern bringen die Bestätigung: „Das Gesetz
hat einzelne Handwerker in Fabrikanten umgewandelt und hiedurch
der Kaufmaunschaft geschadet." In den Jahrbüchern entspann
sich nun eine lebhafte Diskussion über die Gewerbefreiheit. Von
ihren Anhängern wurde zum Beispiel einmal mit deutlicher Absicht
eine Rede Rottecks in der badischen Kammer abgedruckt, wo der
kühne Satz ausgesprochen war?): „Die Gewerbefreiheit verträgt
sich mit den Zünften so gut wie die Studierfreiheit mit den Uni-
versitäten." Doch kamen auch bessere Gründe vorch, so, daß
die Mittelmäßigkeit nicht begünstigt werden, das Talent nicht ge-
fesselt werden dürfe, daß man jeden nach seinen Fähigkeiten
gewähren lassen müsse. Schließlich fehlt der Vorwurf nicht, daß
die Frankfurter Zünftler im Gefühl ihres Privilegiums die Preise
steigerten — und eigentlich schon dadurch den Wunsch Hervorriefen,
auswärtigen Gewerbeartikeln in irgend einer Form Eintritt zu
verschaffen. Von der anderen Seite wurde aber mit der Feierlich-
keit des in seiner Ehre sich gekränkt fühlenden Meisters bestritten,
daß der sogenannte Zunftzwang etwas Gehässiges sei: die alten
Gesetze gewährten vielmehr notwendige Abwehr auswärtiger
Zudringlichkeit. So wogte der Kampf der Meinungen hin und her.
1833 erfolgte eine erneute Vorstellung der Bevollmächtigten von
siebenundzwanzig Handwerken und Gewerben^). „Der Hiesige
Handwerker- und Gewerbestand ist weit davon entfernt, nach
Neuerungen oder nach einer unziemlichen Vermehrung seiner
Privilegien auf Unkosten der übrigen Bürger zu streben. Er will
nichts als Schutz in seinen alten, ihm durch die Verfassung garan-
tierten Rechten." Das ist das bekannte immer wiederholte Prinzip.
Merkwürdig ist die Schilderung der verschiedenen Ubertretungs-
methoden, die, wenn auch tendenziös verallgemeinert, doch ein

0 Frankfurter Jahrb. I, S. 91.
ft Frankfurter Jahrb. IV, S. 184.
^ Frankfurter Jahrb. IV, S. 263.
Senatsakten.
 
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