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Valentin, Veit
Politisches, geistiges und wirtschaftliches Leben in Frankfurt am Main vor dem Beginn der Revolution von 1848/49 — Stuttgart: Union dt. Verlagsges., 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.71759#0121
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Innere Umwandelung: Bortreten des Geldhandels 109
ten, leicht übersehbaren Gebietes. Das kommerzielle Hinterland
Frankfurts war also gegen srüher verkleinert, nach Kanters tref-
fendem Wort. Diese Tätigkeit des modernen Engroshandels konnte
eine aufgeweckte mittlere Kaufmannschaft mit mäßigem Profit
bewältigen. Der Warengroßhandel in Verbindung mit dem
Speditionsgeschäft hatte früher dem Handelsherrn mit königlicher
Sorge auch königlichen Gewinn gebracht. Das wurde nun anders.
Auch die Kaufleute der Nachbarstädte Würzburg, Mannheim ver-
mochten jetzt, was der Frankfurter Warenhändler unternähmest
Das Wagnis war nun nicht mehr groß — und so wuchs die Zahl
der mittleren und kleineren. Die Kluft, die zwischen einem Laden-
geschäft und einem Handlungshaus bestanden hatte, ward aus-
gefüllt. Wer en Zros und en ästail verkaufte, machte den besten
Profit. Das Aufkommen des Warendetaillisten ist die bezeichnende
Folgeerscheinung. Andere Entwicklungsreihen, von der Hand-
werkersphäre her, münden hier ein. — Wo aber blieb ein Feld
für den königlichen Kaufmann? Der einzige Zweig des Frank-
furter Handels, den der Zollverein nicht unmittelbar geschädigt
Hatte, war das Bankgeschäft. Daraus schon ergibt es sich, wo in
Zukunft noch der große Stil herrschen würde. Der Frankfurter
Warenhandel tritt, so groß auch immer der Umsatz sein mochte,
und so viel Geschäfte auch immer neu entstanden, in den Kreis
des auch anderswo Üblichen und Erreichbaren zurück — der Geld-
handel tritt immer mehr als das für das wirtschaftliche Leben der
Stadt bezeichnende, als ihr außergewöhnliches Herrschaftsgebiet
in den Vordergrundes.
Das Leben der Börse trat im Getriebe der Geschäfte darum
immer deutlicher Hervor. Seit 1825 bereits waren alle Firmen
„schuldig und gehalten", ihren Namen in der Börse öffentlich an-
zuschlageu. So entwickelte sie sich früh aus einer Stätte der Papier-
spekulation zu einer Zentrale des ganzen Wirtschaftslebens. 1843
bekam die Börse ein neues großes Gebäude am Paulsplatz. Eine
Folgeerscheinung dieser Entwicklung war das Börsenspiel, über
dessen unheilvollen Einfluß in der Publizistik viel Klage geführt

9 Kanter a. a. O. S. 76.
H Ein Symptom für dies entscheidende Hervortreten des Bankgeschäfts
ist die Frankfurter finanz- und handelspolitische Publizistik der Vierzigerjahre.
Ich führe einige Titel an: 1. der neue englische Tarif vom 9. Juli 1842; 2. die west-
fälischen Anlehenskreditoren, ihre Stellung und Perspektive. Eine gutachtliche
Ansicht, 1843; 3. Betrachtungen über die Finanzen Portugals für Kapitalisten und
Spekulanten, 1843.
 
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