Form, nicht flüchtige, mehr oder weniger deutliche Andeutung
einer solchen; da gibt es kein Ausweichen oder Vertuschen durch
malerische Mittelchen, über alles muß ehrliche Rechenschaft ge-
geben werden, indem — wörtlich nach Hildebrands eigener De-
finition — der Künstler seinen Formvorstellungen („Bewegungs-
vorstellungen“) mit der Hand folgt und sie so an seinem Material
direkt zur Ausführung bringt. Der eigenartige Reiz der Oberfläche
des Körpers, der z. B. das Marmororiginal vom Gipsabguß unter-
scheidet, stellt sich dabei ganz von selbst mit ein und braucht
nicht durch „malerische“ Effekte künstlich herbeigeführt zu wer-
den. Mit den der Plastik eigenen Mitteln ist hier das Höchste
erreicht, sie sind zur vollendeten, sich selbst genügenden Geltung
gebracht, und das ist es, was wir plastischen Stil im besten Sinne
nennen dürfen. . Hierin liegt das ungemeine Interesse, das ein
solches Werk im künstlerisch empfindenden Menschen erweckt, und
es ist ein deutliches Zeichen gänzlich unentwickelter künstlerischer
Sehfähigkeit, wenn die Mehrzahl des Publikums eine derartige
Figur langweilig und nichtssagend findet, weil sie kein bestimmtes
„Motiv“ darstellt, weil sie inhaltlich nichts erzählt. Max Klinger
sagt einmal: „Die sichere Aufstellung einer schlanken und schweren
Masse auf doppelten, je dreifach flexiblen Grundlagen wäre für die
Mechanik ein schwieriges Problem. Dasselbe wird bei unserem Körper
noch erschwert durch den hochgelegenen Schwerpunkt der getragenen
Masse und dessen in ziemlichem Spielraum sehr erleichterte Verleg-
barkeit.“ Dieses Problem klar nachzuempfinden und überzeugend
darzustellen, ist allein schon eine Aufgabe, die einen ganzen Künstler
erfordert, und seine Lösung genügt vollkommen, um ein Werk im
tiefsten künstlerischen Sinne „interessant“ zu machen. Auf diese
Fragen also sehe man sich auch Hildebrands Jugendlichen Mann
an: wie da das Becken auf den Beinen ruht, der Rumpf auf dem
Becken, der Kopf auf dem Rumpf, und wie dann wieder alles an
den Angelpunkten der ganzen Konstruktion, den Gelenken, gegliedert
und beweglich erscheint trotz aller Ruhe und allen Gleichgewichtes.
„Verstanden“ nennt die Künstlersprache eine solche Figur, die
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einer solchen; da gibt es kein Ausweichen oder Vertuschen durch
malerische Mittelchen, über alles muß ehrliche Rechenschaft ge-
geben werden, indem — wörtlich nach Hildebrands eigener De-
finition — der Künstler seinen Formvorstellungen („Bewegungs-
vorstellungen“) mit der Hand folgt und sie so an seinem Material
direkt zur Ausführung bringt. Der eigenartige Reiz der Oberfläche
des Körpers, der z. B. das Marmororiginal vom Gipsabguß unter-
scheidet, stellt sich dabei ganz von selbst mit ein und braucht
nicht durch „malerische“ Effekte künstlich herbeigeführt zu wer-
den. Mit den der Plastik eigenen Mitteln ist hier das Höchste
erreicht, sie sind zur vollendeten, sich selbst genügenden Geltung
gebracht, und das ist es, was wir plastischen Stil im besten Sinne
nennen dürfen. . Hierin liegt das ungemeine Interesse, das ein
solches Werk im künstlerisch empfindenden Menschen erweckt, und
es ist ein deutliches Zeichen gänzlich unentwickelter künstlerischer
Sehfähigkeit, wenn die Mehrzahl des Publikums eine derartige
Figur langweilig und nichtssagend findet, weil sie kein bestimmtes
„Motiv“ darstellt, weil sie inhaltlich nichts erzählt. Max Klinger
sagt einmal: „Die sichere Aufstellung einer schlanken und schweren
Masse auf doppelten, je dreifach flexiblen Grundlagen wäre für die
Mechanik ein schwieriges Problem. Dasselbe wird bei unserem Körper
noch erschwert durch den hochgelegenen Schwerpunkt der getragenen
Masse und dessen in ziemlichem Spielraum sehr erleichterte Verleg-
barkeit.“ Dieses Problem klar nachzuempfinden und überzeugend
darzustellen, ist allein schon eine Aufgabe, die einen ganzen Künstler
erfordert, und seine Lösung genügt vollkommen, um ein Werk im
tiefsten künstlerischen Sinne „interessant“ zu machen. Auf diese
Fragen also sehe man sich auch Hildebrands Jugendlichen Mann
an: wie da das Becken auf den Beinen ruht, der Rumpf auf dem
Becken, der Kopf auf dem Rumpf, und wie dann wieder alles an
den Angelpunkten der ganzen Konstruktion, den Gelenken, gegliedert
und beweglich erscheint trotz aller Ruhe und allen Gleichgewichtes.
„Verstanden“ nennt die Künstlersprache eine solche Figur, die
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