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andere ganz rund, so daß man gar nicht mehr weiß, auf welche Art
der Anschauung man seine Augen denn schließlich einstellen soll.
Damit gelangt er geradezu zum künstlerischen Widersinn, denn
das Pferd wirkt nun, statt malerisch, nur wie durchgeschnitten und
aufgeklebt, und der darauf sitzende Jüngling, der an sich ganz gut
als Relief gedacht ist, sieht neben diesem Tier und den Figuren
des Vordergrundes wie plattgedrückt aus. Schließlich bedenkt sich
der Künstler auch gar nicht, einzelne Teile, wie es der weitere Ver-
lauf seiner Arbeit gerade zufällig ergab, in grausamer Wirklichkeit
isoliert aus der Hintergrundfläche herausragen zu lassen, wie das
eine Bein und die lächerliche Schnauze des Flügelpferdes. Er ver-
stößt damit gegen ganz das gleiche Stilgesetz, das wir schon in der
Malerei als wesentliche Grundlage künstlerischen Schaffens erkannten
(vgl. Seite 177ff.), denn er tritt aus dem ideellen Raume des Kunst-
werkes heraus, statt das Auge des Beschauers in diesen hineinzu-
führen, und er zerreißt dadurch die organische Einheit seines Werkes.
So ist dieses ,,malerische“ Relief nicht nur plastisch verfehlt,
sondern es widerspricht sogar einer der wesentlichsten Bedingungen
eines gesunden malerischen Stiles. Wie anders ein echter plastischer
Reliefstil auch heutzutage noch aussieht, mag an einem anderen
Beispiel gezeigt werden, an der im Dresdener Albertinum befindlichen
Amazone von Artur Volk mann in Rom (Abb. 116), der bekannt-
lich gerade im Relief oft sein Bestes gegeben hat und zweifellos über-
haupt zu den ersten Reliefkünstlern unserer Zeit zählt. Ich darf
das als Träger des gleichen Namens hier aussprechen, weil ich weiß,
daß Männer, auf deren Urteil ich Wert lege, diese Meinung teilen.
Hier ist denn genau in umgekehrter Richtung gearbeitet worden,
wie in dem vorigen Falle, und wir finden in der Tat diejenige Vor-
stellung und Arbeitsweise betätigt, die wir uns mit Hilfe der antiken
Zeichnung auf Marmor zu vergegenwärtigen suchten. Nicht ein
flacher Hintergrund wurde genommen und auf diesem aufgebaut,
sondern die flache Vorderseite der Marmortafel bildet den Aus-
gangspunkt, und in sie wird hineingearbeitet, bis eine Tiefen- und
Körpervorstellung erreicht ist. Und das ist der springende Punkt:

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