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Der Volksführer — 1849

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No. 56 - No. 60 (7. März - 12. März)
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https://doi.org/10.11588/diglit.52472#0133
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Der Volksfuhrer.



Heidelberg, Samstag 10. März.

L8E.

MLtbüegee k
Die gegenwärtige Ständeversammlung entspricht nicht mehr den Bedingungen einer Volksvertre-
tung, wie sie nach den Anforderungen der Zeit und den Vorgeschrittenen politischen Bedürfnissen des
Volkes geboten ist. Sie stützt sich in ihrer ganzen Zusammensetzung auf Grundsätze, deren Herrschaft
bereits feit einem Jahre aufgehört hat. Das Volk hat seinerseits Schritte gethan, um sich gegeu das
Unrecht zu schützen, welches aus oer fortgesetzten Thätigkeit einer solchen Versammlung hervorgehen
muß; es hat in zahllosen Adressen an die zweite Kammer die Auflösung der bestehenden Ständever-
sammlung verlangt. Die zweite Kammer hat bis auf den heutigen Tag diesem gerechten Begehren des
Volkes ihren hartnäckigen Widerstand entgegen gesetzt; sie fährt fort, in Gemeinschaft mit der Adels-
kammer, deren längeres Bestehen mit der Aufhebung der Standesvorrechte unvereinbar ist, über die
Interessen des Volkes zu verhandeln und Beschlüsse zn fassen. Das Volk ist nicht schuldig, Gesetze
von Denjenigen anzunehmen, die es nicht mehr als die Vertreter seines Willens anerkennen kann; es
hat aber das Recht, mit allen Kräften dahin zu streben, die Wirkung und Bedeutung solcher Gesetze
zu schwächen und wo möglich zu vernichten; es hat das Recht, sich von jeglicher politischen Handlung
zurückzuziehen, durch welche der bestehenden Ständeversammlung in ihrer volksfeindlichen Wirksamkeit
irgend wie Hülfe geleistet oder auch nur der Schein eines Rechtes eingeräumt wird. Der proviso-
rische Landesausschuß fordert das Volk auf, von diesem Rechte in seinem ganzen Umfange Gebrauch
zu machen; er fordert auf:
1) Die sämmtlichen Abgeordneten der Volksparthei, unverzüglich aus der Kammer
auszutreten und jede abermalige Wahl zu der bestehenden Ständeversammlung abzulehnen.
2) Die sämmtlichen Wahlbezirke, ihre Abgeordneten sofort aus der Kammer abzurufen.
3) Die sämmtlichen Wahlmänner der Volksparthei, sich jeder Theilnahme an einer
weitern Wahl eines Abgeordneten zu enthalten.
4) Die sämmtlichen Bürger Badens, gegen die Beschlüsse und Gesetze der bestehenden
Ständeversammlung Verwahrung einzulegen *).
Mannheim, den 6. März 1849.
Der prov. Ltmdesarrsschrrß der Wolksvereine in Baden.
Als Muster einer Verwahrungsrdreffc kann die in Nr. 40. des Volksführers angegebene dienen.

KamMerausLriLt der Linken. Eine Stimme
dagegen.
Vom NesLar. Die Ansichten über die so wich-
tige Frage des Austritts der Linken aus der Kammer sind
nicht überall dieselben, und namentlich besteht in vielen der
entschiedensten Bezirke die gerade entgegengesetzte Ansicht,
daß nämlich dieser Austritt nicht geschehen sollte, und daß
er von unabsehbaren nachtheiligen Folgen begleitet sein könnte.
Wir setzen voraus, daß diese Frage von der Linken selbst
berathen und ernstlich berathen wurde, und daß diejenigen
Mitglieder, die bisher nicht austraten, ihre guten Gründe
haben müssen, in einer Kammer ferner noch zu verbleiben,
wo ihnen jede Stunde ihres Aufenthaltes so sehr verbittert
wird. Es wäre wünschenswerth, daß in Artikeln aus Karls-
ruhe diese Gründe offen besprochen und zur Kenntniß des
Landes gebracht würden, und bis dies geschieht, wollen wir
gleichfalls unfern Zweifel gegen den Austritt mittheilen. Wir

glauben nämlich, daß die Kämpfer für die Sache des Vol-
kes das Schlachtfeld nicht verlassen möchten, und daß sie
ausharren möchten in diesem Streben, bis der Kampf voll-
ständig beendigt ist. Schon ihr Widerspruch; ihre bloße An-
wesenheit, ihre Protestazion schreckt die Gegner ab, das Aeu-
ßerste zu wagen, und wir haben bisher schon gesehen, daß
in vielen Fragen die Gründe der Linken den Sieg sich ver-
schaffen, trotz ihres kleinen Häufleins von Fechtenden. Die
Sache stünde überhaupt ganz anders, wenn der Austritt der
Linken die Kammerverhar-Wlungen unmöglich machen würde;
allein dies ist nicht der Fall: die Mehrheit ist so stark, daß
sie auch nach dem Austritt der Linken die Verhandlungen
fortsetzen kann, und nur in dem Fall, wenn die Linke durch
ihren Austritt die Kammer sprengen und zur Auflösung
zwingen könnte, hätte der Austritt einen politischen Sinn.
Was nützt der Austritt, wenn die Andern bleiben, und die
Gesetze verderben? Dem Volke wird nicht durch das Ver-
lassen der Fahne gedient, sondern durch Beharrlichkeit im
 
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