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Der Volksführer — 1849

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No. 61 - No. 65 (13. März - 17. März)
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https://doi.org/10.11588/diglit.52472#0145
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Erschemt tödlich, mit Ausnahme
des Sonntags, »ad kostet bet de«
Posten innerhalb des G»sih.
Bade» halhjährliL fl. 2. 3» tr.
Für Anzeigen wird der R««m ai-
»er dneispaltigc« Petitz-ile mit
2 Knanzers terechnat.

Der VolksMrer.

wärts, sowohl isr Hnoßerzogth.
Bades, als «nßerhak desselben,
bei allen Prstämte»-. — Briefe

Heidelberg, Mittwoch 14. März.


MLN.

Deutschland.
H Frankfurt, 12. März. 184. Sitzung der Nazio-
nalversammlung. Die Hauptsache der heutigen Sitzung, den
folgenschweren Antrag Welcker's, habe ich Ihnen bereits
im Auszug geschickt. Leider ist die Lage der Dinge jetzt so,
daß man Welcker Recht geben muß, welcher in seiner Rede
erklärte, daß im Angesicht der verschiedenen Nachrichten, nach
welchen auswärtige Mächte die Verträge der Mächte von
1815 aufrecht erhalten, d. h. die Revoluzion von 1848 nicht
anerkennen wollen, im Angesicht der Sondergelüste in Deutsch-
land selbst, die Nazionalversammlung dagegen, daß von den
Fürsten dem deutschen Volk eine Verfassung oktropirt oder
aufgedrungen werdr, sich nur dadurch wahren könne, daß
sie selbst ohne alles weitere Wortgef cht und ohne alle Zö-
gerung eine Verfassung gebe und eine starke Neichsge-
walt "schaffe, die innern und äußeren Feinden gewachsen sei.
Und in der That — uns hilft nur der König von Preußen
oder — eine neue Nevoluzion! So weit hat es diese Ver-
sammlung von Schwätzern in der Paulskirche binnen Jah-
resfrist gebracht!
Der Welcker'sche Antrag wird zu drucken beschlos-
sen und wird wahrscheinlich diese Woche noch zur Berathung
kommen.
Nun wurde zur 2. Berathung des Abschnitts der Ver-
fassung „vom Reichsgericht" geschritten. Aber es war keine
Andacht dabei, wie man sich denken kann. Angenommen
wird der §. 127:
Die dem Reich zuftehcnde Gerichtsbarkeit wird durch ein Reichs-
gericht auSglüdt.
Die Abstimmung über den §. 128, der von den Kla-
gen und Streitigkeiten handelt, die das Reichsgericht zu ent-
scheiden hat, wird auf morgen verschoben.
ss) Karlsruhe, 8. März. 158. Sitzung der Ge-
sellschaft im Ständehaus. Es wird der Austritt von Bren-
tano durch den Präsidenten zur Anzeige gebracht. Sodann
Berathung über einen Gesetzesentwurf, welcher den als
Reichstruppen verwendeten Soldaten Portofreihcit zugesteht
(d. h. daß für Briefe an Solche und von Solchen kein
Postgeld bezahlt werden darf). Der Entwurf wurde ange-
nommen. Hierauf wurden in Berathung des Berichtes der
Büdschetkommission über den Theil des Voranschlages von
1849, der die Einnahmen und Ausgaben für die Münzver-
waltung, die allgemeine Kassenverwaltuxg, das Finanzmini-
sterium, die Oberrechnungekammcr, die Baubehörden, die
Schuldentilgung, die Pensionen u. s. w. enthält, sämmtliche
Ansätze genehmigt. Zuletzt wurde der Gesetzesentwurf
über die Volksschulen in gemischten Gemeinden berathen und
angenommen, nach welchem eine Vereinigung der Schulen
stattsinden kann, wenn die Mehrzahl der Bürger von jeder
Konfession dafür stimmt. Von den 3 Pfarrern waren zwei
da, Zittel, der für das Gesetz stimmte, und Kuenzer,
der gegen dasselbe sprach und sich der Abstimmung enthielt.
Lehlbach hatte plötzlich Urlaub auf 14 Tage genommen.

ss) Aus dem Weckurthale. „Die Fürsten sind
altadlig von Gottes Gnaden und lassens beim Verfluchen
bewenden, aber die Völker sind gerecht, ihr Nachhall ist Ge-
schichte", sagt ein weiser, vielerfahrner Mann. Die in die-
ser Beziehung thörichte Formel „von Gottes Gnaden" hat
sich, wie gar Vieles, im Laufe der Zeit allmählig eingem'stet
und will sich nicht so leicht streichen lassen, besonders der
König von Preußen will, wie er sagt, eher sterben, als das
„von Gottes Gnaden" aufgeben. Die Welt würde Nichts
verlieren, wenn ihm Gott das Erstere zu Theil werden
ließ. Welch arger Mißbrauch schon mit dem Worte „Gnade"
getrieben wurde; dies lehrt zur Genüge die Erfahrung
und die Geschichte. Die Gnade schließt in sich ein Gefühl, das kei-
nem Menschen fehlen darf, nämlich bas Gefühl der Demuth
und der Sündhaftigkeit, er mag ein Fürst oder ein Bettler
sein. Das Wort „Gnade" sollte deßhalb auch nur in Be-
ziehung auf Gott, den Heiligen und Allvollkommnen, ge-
braucht werden, aber nicht von Menschen gegenüber den
Menschen, denn wir sind Alle, wir mögen sein arm oder
reich, vornehm oder gering, befehlet oder gehorchend, in
Gold und L>eide gekleidet oder in einen einfachen und gro-
ben Kittel emhergehend, wir Alle sind von und durch Got-
tes Gnade. Ein König von Frankreich, Ludwig der
Fromme, auch der schwache genannt, hat die Worte „vom
Gottes Gnaden" in seinen Titel ausgenommen, um damit
seine Demuth zu bezeichnen. Dies wäre ein Sinn, den
man sich gefallen lassen könnte; aber später und jetzt noch
will man aus den Worten „von Gottes Gnaden" für sich
ern besonderes Vorzugsrecht ableiten und sie als einen Schild
betrachten, hinter den sich viel Unwahres und Miserables
schon versteckt hat und noch immer verstecken will. Minister
Bekk will in den Worten, das „von Gottes Gnaden" ab-
zuschaffen, die Frechheit der Zeit erblicken, welche überhaupt
von einem Walten der Gnade Gottes Nichts wissen wolle.
Warum denn nicht, Herr Bekk? Die Fürsten und die
Minister sind es, welche die Gnade Gottes am Allerärgsten
mißbrauchen, weil sie sich durch dieselbe nicht zur Buße und
Besserung leiten lassen.
Der ehrliche und biedere Seume sagt: „Wir wollen
keine Gnade, wir wollen Gerechtigkeit; die Gnade verdirbt
Alles im Staate, wie in der Kirche. Wer die Gnade zu-
erst an die Stühle der Fürsten gebracht hat, der soll ver-
dammt sein, von lauter Gnade zu leben; wahrscheinlich war
es ein Mensch, der mit Gerechtigkeit Nichts fordern konnte."
Die Worte „von Gottes Gnaden" in dieser Beziehung wi-
dersprechen so sehr dem Bewußtsein unserer Zeit, daß, wenn
die Fürsten und ihre nächsten Umgebungen (ihre unredlichen
Kamarilla's, durch welche sich die Fürsten vom Volk absper-
ren lassen) überhaupt die Zeit erkennen und begreifen woll-
ten und Lust hätten, den alten verderblichen Schlendrian
aufzugeben, sie dieselben stillschweigend längst hätten sollen
fallen lassen. Rousseau (Russo, ein französischer Schrift-
steller) sagt spottweise: „Die Fürsten hätten Recht, sich von
Gottes Gnaden zu nennen, denn es wäre wirklich sehr gnä-
dig von Gott, daß er ihre Wirthschaft noch dulde". Wenn
die Fürsten meinen, sie könnten die Nothwendigkeit ihrer
 
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