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Volksgemeinschaft: Heidelberger Beobachter, NS-Zeitung für Nordbaden (2) — 1932 (Oktober bis Dezember)

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Nr. 221 - Nr. 245 (3. Oktober - 31. Oktober)
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WL'MLLÄLMWSS

Fortsetzung folgt.

Boot öen Fluß hinunter bis

„Herr" sagt ber Bote gekränkt, „da ihr be-
reits alles zu wissen scheint, so jammern mich
die Pferde, die ich zuschanden geritten habe von
Nikopolis herüber, und alle Beschwerden mei-
ner Verkleidung. Ich glaubte der erste zu sein,
der euch vom Umsturz in der Heimat Kunde
brächte, und es schien mir nötig, ein paar
Nächte lang des süßen Schlafes zu entbehren
— Rom und euch zuliebel"
Du bist der erste, und ich werde dich nach
Verdienst belohnen, mein im Homeros nicht
unbewanderter Freund! Hattest du erwartet,
Lucius Sulla werbe die Fassung verlieren,
wenn man ihm das meldet, womit er schon
rechnen mußte? Aber vielleicht werde ich die
Fassung sogleich verlieren; denn ich sehe dei-
ner Miene an, daß du noch Schlimmstes zu
melden hast: du schaust drein wie ein Weib,
das die Nachgeburt vor dem Kind zur Welt
gebracht hat und nun erst an der schweren
Frucht preßt!"

Als Ernst Petersen am frühen Sonntagmor-
gen aus dem Hause trat, frohlockte er. Am
heiteren Himmel strichen schmale Windstreifen
dahin. Was konnte er sich heute, da er mit
Irene segeln wollte, Besseres wünschen, als
eine frische Brise.
Sie hatten sich zwar gestern Abend gezankt,
er und Irene Rubeck, aber trotzdem war er
jetzt aus dem Wege zu ihr, um sie abzuholen.
Um den Mut der Frauen war es gegangen.
Sie hatte behauptet, daß dieser beim weibli-
chen Geschlecht ebenso groß sei wie beim männ-
lichen. Er war anderer Ansicht gewesen. Und
es hätte ein ernsthafter Zwist werden können,
wenn er schließlich nicht gesagt hätte: „Wir
wollen uns nicht streiten, liebe Irene. Sobald
Sie mir mal öen Beweis einer besonders mu-
tigen Tat liefern, will ich Ihnen gern zustim-
men."
Da hatte es in ihren Augen aufgeblitzt, aber
nur für einen Husch. „Einverstanden für
heute abend. Morgen ist wieder ein Tag. Und
jetzt habe ich rechtschaffenen Hunger. Kommen
Sie mit zu uns hinauf, Ernst?
Oft schon hatte er als gern gesehener Gast
oben in der Wohnung bei ihr und ihrer Mut-
ter gesessen, mit beiden ein einfaches Nacht-
mahl teilend und bei einem Plausch die Nöte
der Zeit vergessend. Gestern abend mußte er
danken. Ein gewisser Stachel war in ihm ge-
blieben. Was trieb diese liebe, kleine Person
nur immer dazu, ihn zu quälen?
Doch bei dieser lachenden Sonne heute früh
lebte nur ein Verlangen in ihm: zu ihr!
Eine halbe Stunde später standen sie drau-
ßen auf dem Bootsgelände. Weit hinaus blin-
kerte die Wasserfläche, das jenseitige Wald-
ufer zerfloß im Sonnendunst. Und der Ost-
wind zauste in Ernsts Haar und ließ auch Ire-
nens -braune Locken flattern.
„Ist die Brise nicht wunderbar heute? Da
können wir draußen noch was erleben!" Ire-
ne sah ihn mit lustigen Augen an.
„Möchten Sie denn da draußen gern etwas
erleben?"
„Für mein Leben gern."
„Ja, ja, hier noch auf dem Trockenen, für
mein Leben gern. Wenns aber wirklich mal
ums Leben gehen sollte — wir wollens nicht
hoffen —, ob Sie dann auch so siegcsgewiß
sind?"
„Sie fangen schon wieder an, an meinem
Mut zu zweifeln?"
„Nein! Ich will auch nicht schulmeistern.
Bei der strahlenden Sonne! Also erleben wir
was! Je schöner, desto besser."
Seine Augen bohrten sich in die ihren.
Einen Augenblick hielt sie der Werbung stand.
Dann drehte sie sich um. Eine Röte, die sie
nicht sehen lassen wollte, flutete ihr in die
Wangen. Aber doch spürte sic cs gern, daß ihr
Herz schneller klopfte. „Schnell umgczogen!"
Halb drehte sie den Kopf zurück. „Unser Maat
kommt schon mit dem kleinen Boot."
Nach einem Nickegruß verschwand Irene in
ihrer Kabine. Hier zog sie ein hellblaues Ba-
betrikot an, eine weite, weiße Hose und eine
Helle wollene Joppe drüber. Was sic an Geld
und Ringen bei sich hatte, stopfte sie in einen
Lederbeutel, der wiederum von einem Gummi-
beutel fest umschlossen war und innenwärts
im Trikot befestigt wurde. Vor Abend rechnete
sie nie mit Ernst ab.
Als sie fertig auf öen Steg trat, hielt Ernst
das Boot schon zum Einsteigen an der Leine.
Auch er in Trikot und Ueberkleidern. Mit
markigen, knappen Ruderschlägen brachte der
Maat die beiden zu ihrem an der Boje liegen-
den, leichten Segelboot. In einigen Minuten
waren sie schon weit draußen. Und nun zi-
geunerten sie öen ganzen Tag umher. Gingen
hier einmal an Land, nm im grünen Ufer-
gras zu frühstücken, an einer anderen Stelle,
wo Badestrand war, um zu schwimmen, ver-
ließen endlich öen See und stakten den Flußlauf
hinauf, um sich dort im Garten eines Wald-
wirtShauses einen vorzüglichen Kaffee schmek-
ken zu lassen. Immer als gute Kameraden.
Der Nachmittag war herangerückt, mit ihm
hatte sich die Brise belebt. Irene jubelte. ES
war ausgemacht, daß über den See zurück sie

Der Tag neigte sich vor ber untergehenden
Sonne. Der Abendwind hatte sich erhoben
und strich kühl über die kahle, graue Flur.
Hier und da war das Feld bereits vom Pfluge
umgeworfen; aus den braunkrumigen Schol-
len starrten die Stoppeln, die auf den mei-
sten noch nicht beackerten Flächen öen Gold-
glanz der vergangenen Sommerherrlichkeit in
mattem Schimmer nachleuchten ließen. Auf
der Höhe, wo das Getreide auf kargem Bo-
den zuletzt schnittreif wurde, standen die letz-
ten Puppen in weiten Zwischenräumen. Da
droben war die Sicht weit und klar.
Auf dem letzten noch nicht abgeerntetcn Feld
war ein alter Bauer beschäfigt, den spärlichen
Segen des Jahres einzuhcimscn. Bedächtig
und mühsam reichte er die Garben auf das
Wägelchen. Ein dürres Mütterchen nahm sie
in Empfang und legte eine nach der andern
sorgfältig in Sie Reihe, die Achrcnbttschel nach
außen. Mit Ernst und Würde geschah die Ar-
beit, ohne daß ein Wort fiel. Wenn an einer
Stelle die Garben aufgeladen waren, dann
führte der Bauer die Kuh, die öen Erntewa-
gen zog, langsamen, fast feierlichen Schrittes
weiter zur nächsten Puppe. Als er am Ende
des Feldes die letzten Garben empor reichte,
stand der Sonnenball rot gl-ühenö über den
Wipfeln des Gebirgswaldes. Die Alte stieg
vöm mäßig hohen Fuder herunter. Nachdem
der Mann den Wagen auf öen Feldweg ge-
fahren hatte, kehrte er zur Frau zurück, die
ihn auf dem Acker erwartete.
Beide blicken stumm über das abgeerntete
Feld. Dan begann der Bauer: „Nun können
wir Erntedankfest feiern, Mutter. Die letzte
Ernte ist getan. Meine Zeit ist nm. Meine
Kräfte gehen zur Neige. Mehr als vierzig
Jahre haben wir zusammen unseren Acker
bestellt, und jedes Jahr hat uns der liebe
Gott seinen Segen gegeben. Mag er mich ru-
fen! Ich bin bereit."
„Ja, Vater", sagte die Bäuerin, „die Arbeit
ans dem Acker wird uns alten Leuten sauer.
Wenn Du nicht darauf bestanden hättest, noch
einmal einzufahren, dann hätten uns die Jun-
gen die Arbeit wohl abgenommen. Aber Dn
wolltest ia "

das Steuer führen sollte. Als Erste kletterte
sie wieder in den Kahn, entledigte sich der
Ueverkleidcr und verwahrte diese in der Klap-
pe unter dem schmalen Brett am Vordersteven.
Dann machte sie sich daran, immer auf dem
Boden des Bootes hockend, auch Ernsts Sachen
zusammen zu wickeln. Doch bevor sie diese ver-
staute, glitt ihre Hand rasch in die rechte Ta-
sche der Joppe und holte Ernsts Uhr und
Geldbörse heraus. Beides stopfte sie ebenso ge-
schwind in den Gummibeutel ihres Trikots.
Ernst hatte derweile, ohne viel auf Irene zu
achten, das Ruder zur Hand genommen und
stakte jetzt das
zum See.
„Auf Posten,
chen Sie Ihre
Mit sicherer Hand führte Irene das Steuer.
Bald kam das Boot einem Lanövorsprung
nahe. Dahinter, das wußte sie, lag oft eine
Bö aus nordöstlicher Richtung. So wurde
Irene von ihr auch nicht überrumpelt! Scho-
te los, Segel und Steuer herum, Nase in den
Wind! Von hier an mußte über den See ge-
kreuzt werden.
„Bravo, Irene!" rief Ernst vom Backbord-
rand her, wohin er hinübergewechselt. „Aber
aufpassen! Es scheint auf dem See noch böiger
zu werden. Soll ich Sie lieber ablösen?"
„Ablösen? Jetzt, wo's gerade ein bißchen
aufregend wird? Wir können ja schwimmen."
Aber kaum war dies gesagt, da sprang eine
schwere Bö fauchend aufs Wasser und ins
Segel.
„Leine los!" schrie Ernst Irene zu. „Segel
los, Nase in den Wind!" Waren denn Irenes
sämtliche Sinne verstopft? Schon hatte sich das
ganze Boot ganz auf Backbord gelegt, doch das
Mädchen rührte sich nicht, hielt Schote und

Ruder fest. Gleich mußte die Leinewan- ins
Wasser stippen.
„Irene, was machen Sie?" schrie Ernst hoch
vom Steuerbordrand herab. — „Meinen Mut
beweisen will ich", rief sie.
Und schon geschah es. Eine noch stärkere Bö
drückte das Segel ins Wasser, im Nu lag cs
flach und sank tiefer und tiefer.
Irene war es rasch gelungen, ans die Au-
ßenwand des Bootes zu klettern. Auch Ernst
mußte zum Kiel hinauf.
„Seien Sie wegen Ihrer Uhr und Börse
unbesorgt, lieber Ernst, beides habe ich im
GummiVeutel bei mir."
„Irene!" Ein Schrei des Erstaunens. „Sie
haben absichtlich . . ."
„Umgeschmissen! Ganz recht. Geben Sie
jetzt zu, daß ich Mut habe?"
„Und hier, wo weit und breit kein Boot iq
der Nähe?"
„Gerade hier! Wir schwimmen an Land."
„Also los, Irene! Bevor es zu spät. Ge-
radeaus, dorthin, wo das Haus am Ufer steht/
Beide sprangen ins Wasser.
Ernst mußte bald erkennen, daß das ein-
treffen werde, was er im Stillen befürchtet
hatte; Irene hielt nicht durch. Immer und
immer wieder schluckte sie Wasser.
„Die verdammten Wellen!" rief sie.
„Wenn Sie keine Kraft mehr haben, schnell
zu mir! Arme um öen Hals. Körper flach nach
hinten ausstrecken!"
Nach weiteren fünfzig Stößen war es so
weit. Irene mutzte sich ins Schlepptau neh-
men lassen. Da hing sie nun, ziemlich ermat-
tet, und schalt sich innerlich wegen ihres Leicht-
sinns. Nun drängte es sie, Ernst etwas Liebes
zu sagen.
„Ernst, nicht böse sein, lieber Ernst! Bitte,
bitte nicht! Als Deine Frau werde ich es ge-
wiß nicht wieder tun."
Da fuhr Ernsts Kopf für einen Augenblick
herum. „Irene! Hipp, hipp, hurrah!" Ein
Jauchzen war's.
Eine Viertelstunde später trug er Irene ans
Ufer und bettete sie sorgsam im weichen Gras.
Ehe sie sich ganz hinstreckte, zog sie sich zu ihm
empor und bot ihm den zitternden, blassen
Mund.-
In aller Frühe des Montags trat er in ihre
Wohnung. Schelmisch lachend kam sie ihm ent-^
gegen und hielt ihm ein dünnes Büchlein mm
die Augen.
„Namenbuch. Ausdeutungen der üblichsten
Vornamen" las er. !
Schnell schlug sie den Buchstaben „E" auf,s
auf „Ernst" deutend! „Entschlossener Kämpfer,
Krieger, der „Mann" schlechthin", sprach sie
ihm vor, schlug ein paar Seiten um und hielt
" " " .Was steht da?"

den Finger auf „Irene",
fragte sie.
„Irene, die Friedliche."
„Bist du jetzt beruhigt? Du mein „Mann"
du!"
Statt jeder Antwort holte er sich ihren
Mund. Dann sagte er: „Und Mut hast du
auch. Alle Wetter!"

„Das sind Privatangelegenheiten. Wann
kommt das Wichtige!?" Er preßt die Lippen
steinern zusammen: „Weiter doch!!"
„Herr, ihr selber seid geächtet. Der Konsul
Cinna und die Volkspartei beherrschen die
Stadt; der Senat ist gesprengt —
„Jetzt kommen wir der Sache näher. Aber
warum verschweigst du mir immer noch das
Wichtigste!?"

Fräulein Steuermann! Ma-
Sache gut!"

7. Fortsetzung
Also läßt er die Konsuln fürs nächste Jahr
wählen; die Wahl fällt auf seinen Freund,
de« Optimalen Cnaeus Octavius, und auf den
demokratischen Volksmann L. Cornelius Cin-
na: ein recht ungleiches Gespann vor dem
Staatswagen. Sulla mißtraut dem Cinna tief;
denn dieser sein entfernter Vetter und Rene-
gat ist zu glatt, als daß er ehrlich wäre, —
allerdings auch zu träge, als daß er gefährlich
wäre. Also läßt der Feldherr ihn starke Eide
auf die Verfassung schwören; dann rückt er
mit dem Heer nach Griechenland ab. Ohne
Flotte, ohne Geld, ohne Nachschub, mit nur
so wo Mann geht er gegen Asiens Riesenheere
ins Feld, und hinter ihm bleibt Rom zwiege-
spalten zurück, umschlichen von den Unzufrie-
denen, bespitzelt von der Umsturzpartei, be-
droht von den noch immer aufsässigen Scharen
der Samniten, zweifelhaft geschützt durch das
eigene Heer unter Strabos charakterschwacher
Führung.
Ob Marius in Italien gelandet ist?
Ob Cinna seine Eide hält??
Sulla preßt die Lippen ein und marschiert
»ach Osten. Da ihm nichts anderes zu tun
»leibt, so denkt er nur an das Nächstliegende;
rr zwingt das Morgen aus dem bezwungenen
heute; fürs Uebermorgen mag sein Glück sor-
zen. Heute packt er Griechenland: die wankel-
mütigen Landschaften und Städte, politisch
ewige Charakterlumpen, die bereits zum
Lupator übergegangen waren, fallen jetzt
schlotternd wieder ihm zu, wo seine Legionen
erscheinen oder von ferne drohen; er preßt
Relö und Kost aus ihnen heraus, straft Uebel-
pollen blutig, zeigt sich öen Geneigten ver-
söhnlich, treibt die pontischen Besatzungsheere
ju Scharen. Doch die werfen sich nach Athen
and in den Piräus, halten ihn in Attika
fest —!
Und der Eupator läßt neue, gewaltige Heere
ans Thrakien einrücken!
Seine Flotten bedecken das Meer!
Dsr Bulle ist mit einer Rotte bewaffneter
Sklaven in Italien gelandet, — laut zuver-
lässiger Botschaft.
Und Cinna? Und Sertorius? Dieser ein
Gegner von Format, ohne Zweifel!
Und Rom—!? Es geht doch nur um Rom
und seine Größe —
Gelassen dreht sich das Sternengewölbe durch
die kühle Nacht Hinüber nach Westen, immer
nach Westen. Gleichmütig funkeln die wissen-
den Lichter über dem Schlaf der Welt; die
vorhin noch scheitelrecht über Ser Akropolis
flimmerten, mögen jetzt bereits scheitelrecht
überm Kapitol von Nom flimmern.
Rings schweigt die Nacht, belebt nur vom
Tritt der Posten und vom leisen Klirren ihrer
Waffen, Ser vertrauten Schlummerweise des
Heeres. Fühlt das Heer, ahnt die Welt, daß
Rom nach Griechenland ausgewandert ist und
hier auf dem Lager des Prokonsuls schlum-
mert, hinter seiner Stirn, tief in seinem ge-
bändigten Herzen?
Sulla greift im Traum nach blonden Locken
und murmelt versickernde Worte.
„Felix —l" murmelt er.
Noch vor Sonnenaufgang wird er von Epi-
caöus geweckt: „Ein Bote ist da!"
Sulla fährt wach und unverzüglich gesam-
melt auf. Er streift Aldisas Schlummer mit
einem zärtlichen Blick; er wickelt sich in ein
Himation und bindet die Sandalen. „Komm!"
sagt er zu Epicaöus.
Draußen vor dem Zelt steht ein Hirte im
Pelz, schaut übernächtig drein.
„Von Nom?" fragt Sulla leise. Der Bote
nickt.
„So kannst du auch noch dreihundert Schritt
mehr machen. Kommt beide!" Er schreitet wie-
gend auf dem Walöpfaö voraus; er will die
Botschaft an der Stelle hören, wo er gestern
öen Adler wahrgenommen hat, im Angesicht
von Athen. Flüchtig denkt er an die Geliebte
im Zelt und lächelt. Der Bote trottet in der
Mitte; Epicaöus macht fröstelnd öen Beschluß:
der Herbstmorgcn nebelt.
Jetzt ist Sie Stelle erreicht, und Sulla bleibt
stehen: „Also was bringst du? Entsinne ich
mich Seines Gesichtes recht, so bist du ein
Sklave des Konsuls Octavius!?"
„Ja, das war ich, Herr! Und weiß nicht, wo-
mit beginnen —"
„Beginne mit dem Wichtigsten, Freund!"
Der Bote schweigt verwirrt. Dann sagt er:
„Herr, ihr seid durch Volksbeschluß vom Ober-
kommando im Osten enthoben —"
Sulla wölbt Sie Lippen vor, als Serge er
hinter ihnen eine reife Frucht. „Durchaus un-
wichtig!" sagt er. „Weiter!"
„Euer Hans in Nom ist dem Erdboden
gftichgcwacht, eure Landgüter sind eingezogen.
Eure Gemahlin ist mit den Zwillingen ge-
flüchtet, — man weiß nicht, wohin —"

„<sa, Water", sagte die Frau, „aber wir
haben das Feld schon bestellt für eine neue
Ernte."
„Für eine neue Ernte", wiederholte der
Bauer, „Gott mag sie uns schenken und das
Feld segnen für Kind und Kindeskind!"
Beide erhoben sich. Golden glühte das
Abendrot. So schritten sie heimwärts. Bons
Turme schallte Ser Klang ber Abendglocke,
Als sie vor dem Eingang des Dorfes an-
langten, kam ihnen eine Schar junger Bur-
schen und Mädchen entgegen. Die trugen leuch-
tende Herbstblumen in den Händen und
schmückten fröhlich das alte Paar und die Kuh,
die öen Erntewagen zog. Feierlich-froh folgte
das Ehrengeleite die Dorfstraße Hinab ins
kleine Gehöft. Die Kuh wurde dort von den
Burschen ausgefpannt und der Erntewagen
auf die Tenne der Scheuer gerollt. Viele ge-
schäftige Hände schwangen und betteten die
vollen Garben in die Bansen. Nach getaner
Arbeit schüttelten Sie Jungen den Alten trau-
lich die Hände und verabschiedeten sich von den
Zurückblcibenöcn, Sie vor der Haustür stan-
den, stumm und tiefbewegt.
So begingen die Alten den Tag der lrtztL»

„Ich will nicht wieder dagegen sein", ant-
wortete der Alte und lächelte still, „nur Ab-
schied nehmen wollte ich und öen alten Brauch
noch einmal ehren, daß der Segen, den er
bringt, auch den Kindern zu gute kommt."
„Das wollen wir", sagte die Frau. Dar-
nach ließen sie sich auf öen Boden nieder und
saßen Seite an Seite auf dem Stoppelfelde.
Wie sie so saßen und sannen, da fand sich
Hand zu Hand. Die Frau wischte sich über
die Augen: „So hab' ich's noch nicht erlebt,
Vater", sagte sie leise, „andre Jahre habe ich
immer nur an die Frucht gedacht, die das,
Feld gegeben hatte und im nächsten Jahre,
wieder geben sollte. Aber diesmal . . ."
„Diesmal hat für uns der Brauch einen tie-
feren Sinn", setzte der Alte ihre Rede fort,
„wir wollen auch ruhen wie die Erde, nur
ein wenig tiefer als das Samenkorn."
„Ja, Vater", sagte die Frau, „aber
 
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