Dien Staa, 28. Februar 1VSL
17. Fortsetzung
Inspektor Fan lieh ein« lange Pause ver-
streichen und sah an seinem Vorgesetzten vor-
bei zum Fenster hinaus. Er schien ganz in
-en Anblick einer Dachröhre vertieft.
Wie immer, wenn sich in seinem Gehirn
Ideen kreuzten, wenn eS galt, einen guten Ge-
danken zu fassen oder eine wohlüberlegte Ant-
wort zu geben, trug sein Gesicht «inen gleich-
gültigen, fast nichtssagenden Ausdruck.
Nie war es ihm aber noch so schwer ge-
fallen, wie in diesem Augenblick zu sprechen,
noch nie hatte er sich jemals in einer so un-
geklärten Situation befunden. Darum wollte
«r doppelt vorsichtig sein, denn er ahnt«, fed«»
Wort konnte unter Umständen jetzt ein Ver-
hängnis bedeuten, daS nicht mehr gutzumachcn
war. Instinktiv fühlte er auch, -atz er die
Fäden des Rätsels in den Händen hielt, aber
sie bildeten noch einen unentwirrbaren Knäu-
el. Dieser Fall war so ungeheuerlich, daß er
vor den Folgen erschrak, die eine richtige Lö-
sung nach sich ziehen würden, wen» sich seine
Ahnungen bewahrheiteten.
„Nun, haben Sie mir gar nichts darauf zu
antworten?' drängte Dalenbrogg ungeduldig
über Fans Nachdenklichkeit.
Für diesen schien langsam die Dachrinne an
Interesse zu verlieren, und er antwortete:
„Ich bin zwar mit der Absicht hierher ge-
kommen, um Ahnen etwas zu sagen, aber es
Ist vielleicht doch besser, wenn ich schweige.'
Der Polizeipräsident war übet diese Ant-
wort sichtlich ungehalten.
„Ich will nicht davon sprechen, Inspektor,
Lab ich als Ihr höchster Vorgesetzter berechtigt
bin, Ihre Mutmaßungen und Kombinationen
über diesen Fall zu erfahren. Vergeben Sie
aber nicht, daß Sie bet mir immer, auch in
Len schwierigsten Situationen, Verständnis ge-
funden haben, mehr als alle anderen Ihrer
Kollegen. Diesmal wollen Sie sich ganz isolie-
ren und entziehen mir Ihr Vertrauen . . .?
Ob daS von Vorteil für Sie ist?'
„Hm', murmelte Fan, „ich würde nicht so
zögern» meine Meinung zu äußern, wenn
nicht . . .'
„Wenn nicht . . .?" »nterbrach ihn Dalen-
brogg gespannt.
Fan zündete sich an dem Stummel seiner
Zigarre eine neue an und erwiderte, jedes
Wort besonders betonend:
„Haben Sie sich nie Gedanken darüber ge-
macht, Herr Polizeipräsident, daß unser n
Feinden mit unfehlbarer Sicherheit bis jetzt
jeder Anschlag gelungen ist? Sie waren über
alle Maßnahmen der Polizei unterrichtet, auch
ist es uns nie gelungen, irgendein Mitglied
der Bande zu verhaften. Wir laufen gegen
eine unüberstctgbare Mauer Sturm, ja, eS
ist, als hätten diese Verbrecher einen mächti-
gen Protektor, der seine starke Hand schützen-
über sie hält.'
Dalenbrogg zuckte zusammen. „Ja, ich habe
manchmal schon AehnlichcS gedacht, aber wer
sollte dieser Beschützer sein . . .?"
Da begegnete er den harten Blicken des De-
tektivs und verstand plötzlich, worauf der In-
spektor hinziclte. Dem Polizeipräsidenten
schwollen vor Erregung die Adern an den
Schläfen, bas Blut schoß ihm zu Kopf. Schon
bedauerte der Detektiv seine Worte, denn er
wußte, daß die Gesundheit seines Vorgesetzten
nicht die beste war. Dalcnbroggs Worte über-
stürzten sich, als er den Inspektor anschrie:
„Fan, für das sollte ich Sie hinauswerien
lassen . . . entlasten . . . einsperrcn! Sie wa-
gen. mir anzudeuten, daß ich selbst . . . ich, eer
Polizeipräsident, mit den Banditen in Verbin-
dung stehe . . .!'
Er keuchte und rang nach Luft.
Aber Inspektor Fan ließ sich nicht aus der
Fassung bringen.
„Amerikanisches"
Seit einiger Zeit spielt sich das Newyorker
Zollamt als Sittenrichter Amerikas auf. Nun
hat es eine Mappe mit Fotografien des be-
rühmten Deckengemäldes der Sixtinischen
Kapelle von Michelangelo angehalten, da sie
„unsittlich" seien. Dem eigentlichen Empfän-
ger, einem Kunstgaleriebesitzer namens Weyhe,
wurde mitgeteilt, er könne sich einer schweren
Bestrafung nur dadurch entziehen, daß er frei-
willig in die Vernichtung der Bilder einwil-
lige. Der Besitzer der Kunstgalerie wird es
selbstverständlich aus einen Prozeß ankommen
lassens
„Ich habe nichts gegen Sie vorgebracht, Herr
Präsident', entgegnete er gelosten.
„Zum Teufel mit Ihren versteckten Anspie-
lungen, reden Sie sich jetzt nicht aus! Natür-
lich haben Sie mich gemeint!'
Dalenbrogg griff nach einem GlaS Master,
das auf seinem Schreibtisch stand und leerte
cS mit einem Zug. Mit unglaublicher Energie
zwang er sich zur Ruhe und hatte sich tatsäch-
lich nach einigen Minuten wieder ganz in oer
G.walt,
„Es wird nun doch daS beste sein, wenn ich
die Sache ausgcbe und einem anderen üb-.r-
lasse', bemerkte Fan.
„Unsinn!' Der Polizeipräsident lacht« plötz-
lich auf wie über einen guten Witz. Sein Zorn
war verschwunden und er legte dem Jnspekror
die Hand auf die Schulter.
Ueber dem deutschen Weltkriegsschicksal steht
in unerbittlicher Tragik das bedeutungsschwe-
re Wort „Wenn". Der große Preußenkönig
gelangte zu neuer Volkstümlichkeit, er, der in
ähnlich schwerer Lage das Geschick Preußens
gemeistert hatte. Dann knüpfte man an einen
anderen Großen der deutschen Geschichte, an
Bismarck an. Man war schnell geneigt, alle
Schuld am Weltkriegsverhäugnis dem „neuen
Kurs aufzubürben. „Ein Bismarck" hätte auch
jene Fragen im deutschen Sinne gelöst, die
einen Bülow und einen Bcthmann in den
Strudel des Weltkrieges trieben. Mit weit
größerer Bestimmtheit als in den beiden er-
örterten Fällen läßt sich indessen das „Wenn"
mit Gcneralfcldmarschall Gras von
Schliessen in Verbindung bringen. Das
ist erklärlich. Einmal erstreckt sich sein Wir-
ken — bis 1806 als Chef des GcneralstabeS
der Armee, dann noch in kricgswisseuschastli-
chen Arbeiten bis 1912 — fast bis zum Kriegs-
ausbruch, zum anderen war es durchaus aus
eine Lage eingestellt, wie sie sich 1911 tatsäch-
lich bot. Es ist also kein Wunder, daß alle,
die sich zu einer Beurteilung der militärischen
Kriegsführung berufen fühlen und deren An-
teil an dem Weltkriegsergebnis fcstzustellen
suchen, aus Schliessen zurückgreisen, um an
seinen Plänen, seinem Wollen und seinen Leh-
ren zu ermessen, was im Kriege „richtig",
mehr noch, was „falsch" gemacht wurde. Die
yach dem Kriege immer wieder geprägten Be-
dingungssätze „Wenn Schliessen im Kriege ge-
führt hätte ..." oder „Wenn Schliessens
Plan und seine Lehren befolgt worden wä-
ren . . ." sind es recht eigentlich, die den ehe-
maligen Chef des GcneralstabeS der Armee
breiten Kreisen bekannt werden ließen, Krei-
sen, die vorher kaum wußten, daß er diese
Stellung von 1891 bis 1996 begleitet hatte.
Eigentümliche Anklänge finden sich im Le-
ben der drei größten Kricgstheoretikcr der
Kopf gewachsen, und wie die Dinge jetzt stehen,
kann ich Ihnen nicht verübeln, wenn Sie
überhaupt alle Menschen verdächtigen . . .
Aber lasten wir das, denn ich nehme an, daß
diese Verdächtigung eine Entgleisung war.
Sagen Sie mir lieber, was Sie wirklich von
der Geschichte halten. Hängt der Mord an dem
Ehepaar Bellmann ebenfalls damit zufam-
men?"
„Ja, Herr Präsident, «S handelt sich übri-
gens um einen Raubmord ..."
„Sonderbar, ich habe mir die Protokolle ge-
nau durchgesehen, doch nichts gefunden, was
Ihre Meinung bestätigen würde", entgegnete
Dalenbrogg erstaunt.
preußisch-deutschen Armee seit Friedrich dem
Großen. Clausewitz' eigentliches Wirken be-
gann erst nach seinem Tode, als die von ihm
hinterlassenen Sehristen Herausgcgeben wur-
den. Von Moltke sagte Schliessen einst in
bezug aus seine Stellung in der Armee bis
zur Schlacht von Königgrätz: „Wenige kann-
tcn ihn Niemand beachtete ihn. Noch am
Morgen jenes 3. Juli . . . erkundigte sich ein
höherer Offizier, wer der General von Mo't-
ke sei. Achtundvierzig Stunden später fragte
niemand mehr. Da buchstabierten den wun-
dersamen Namen die Schulkinder in den ent-
legensten Dörfern." Schliessen selbst wieder
fand ähnlich wie Clausewitz erst nach dem To-
de seine „Volkstümlichkeit". Er verdankte sie
letzten Endes sogar dem Umstande, daß lein
Wirken im Weltkrieg nicht beherzigt wurde
Schliessens „Lehren" boten, besten war sich
der vornehm bescheidene Mensch durchaus be-
wußt, nichts Neues. Sie wurzelten in dem,
was Clausewitz gefunden, Moltke weiterent-
wickelt und in die Tat umgcsctzt hatte. Daß sie
in fast übertriebener Einseitigkeit die Ver-
nichtungsschlacht durch Einkreisung oder ve-
.nigstcns Umfassung eines Flügels predigten,
entsprang der leider allzu berechtigten Ansicht
Schliessens, daß die Führer immer wieder
aus die Notwendigkeit eines Operierens mit
starken Flügeln hingewiesen werden müßten,
um sie die „liebgcioordene Gewohnheit" der
Mastenbildung vor der gegnerischen Frönt
vergessen zu lasten.
Dem Umfassungsgrundsatz entsprach auch der
berühmte, aus eine Uebcrslügclung der Fran-
zosen von Norden und schließlich Westen ab-
zielende Ausmarschentwürf aus dem Jahre
1906. Es ist jetzt allgemein bekannt, wie die-
ser Plan „verwässert" wurde? indem man das
Kräfteverhältnis des rechten zum linken Flü-
gel von 7:1 in 8:1 abändcrte. Des jüngeren
Moltke tiefster Beweggrund für diese Umstel-
xauders, I sondern geaotz auch fei» uneinge-
schränktes Vertrauen. Der Prinz hatte ihm
in dieser Eigenschaft ein kostbares Familien-
stück zur Aufbewahrung gegeben, di« ÄchilleS-
dosc."
„Ich habe von der Dose gehört, sie soll «in
einzigartiges Meisterstück mittelalterlicher
Gvldschmiedekunst sein. WaS ist mit ihr, wur-
de sie gestohlen..."
„Jaivohl . . . und die beiden Menschen muß-
ten bei diesem Diebstahl ihr Lebe» lassen",
wiederholte Inspektor Fan.
Dalenbrogg schüttelte len Kopf. „Ich kann
mir dies nicht recht zusammenreimen, die
Dose ist in der ganzen internationalen Kunst-
welt bekannt, der Versuch, sie zu verkaufen,
wäre stür den Täter Selbstmord."
„Gewiß", stimmte der Detektiv zu, „von die-
sem Gesichtspunkt betrachtet, läßt sich keine Er-
klärung findest, aber ich hab« dafür eine an-
dere Erklärung."
„So, so, nun dann lüften Ei« einmal den
Schleier Ihres Geheimnisses ein wenig."
Inspektor Oliver FanS Gesicht nahm «tuen
sorgenvollen, melancholische» Ausdruck an,
und seine Blicke klammerten sich wie hilfesu-
chend an die Dachrinne.
„Die AchilleSdos« wurde nicht wegen ihres
Kunstwertes gestohlen . . . Vor einer Stunde
hatte ich eine Unterredung mit Prinz Karl
Alexander. Hoheit hat sich entschließe» müssen,
einige Angaben zu machen."
Fan schwieg einen Augenblick, und ein tiefer
Seufzer entrang sich seiner Brust. Er schien
traurig darüber, sein Geheimnis nun >och
preiSgeben zu müssen, und er tat eS wiberstre-
bend, in einem innerlichen Kampf.
Fortsetzung folgt.
lung mag die von Anfang an gehegt« Absicht
gewesen sein, im Laufe der Operationen mit
dem verstärkten linken Flügel die französi-
schen Ostbesestigungcn zu durchstoßen und so
in vollkommenstem Schliessenschcn Sinn« zu
doppelseitiger Umfassung zu gelangen. Doch
für eine solche Ausgabe erwiesen sich die Ge-
samtkräst« zu schwach, und so rächte sich der
Verstoß gegen Schliessens letzte Mahnung
„Macht mir nur den rechten Flügel stark!",
damit, baß auf keinem Flügel der Sieg er-
rungen wurde.
Nicht minder verhängnisvoll war es, daß es
sich die Oberste Heeresleitung entgegen der
Schlicffenschen Forderung versagte, die Bewe-
gungen der Armeen straff zu führe». Dazu
kam, daß einzelne Armceführer die sich mehr-
fach bietenden Gelegenheiten zu Umfassungen
in den „Grcnzschlachten" ungenutzt ließen. So
war infolge der Nichtbeachtung Lchliefsenscher
Lehren der Feldzug trotz aller Siege un
August schon einmal für di« deutschen Waffe»
verloren, ehe noch die Marneschlacht zum
ziveitcn Male und abschließend seine glück! che
Beendigung vereitelte.
Doch Schliessens Wirken wurde nicht »m
alle Erfolge betrogen. Ihm ist die Einführung
der schweren Artillerie des Feldheeres zu
verdanken. Der Feldartillerie verschafft« seine
Stimme daS Nohrrücklaufgeschütz und die
leichte Feldhaubitze. Großes Interesse wandte
er den technischen Truppen zu, da er die Be-
deutung der Eisenbahnen für die Bewegung
und Versorgung der gewaltigen Masten eines
Zukunftkrieges voraussah wie die der Tech-
nik für Aufklärung, Nachrichten, und Befehls-
übermittlung.
Die Ausbildung der Führer und Führerge-
hilfen förderte er durch Ausgestaltung der
Kriegsakademie, durch Kricgsspiele und Ge-
neralstabsreisen, bei deren Anlage er das
Operieren in größtem Maßstabe in den Vor-
dergrund stellte. Dabei rechnete er oft, ebenso
wie bei dem Ausmarschentwurs von 1995, aus
deutscher Sette mit einer Zahl von Verbän-
den, dir in dieser Höhe für die Mobilmachung
»och 1911 nicht vorgesehen war. Es erscheint
daher rätselhaft daß er sich für die notwen-
dige Ausschöpfung der Wehrkraft Deul'ch-
landS nicht entschiedener einsetzte. Vielleicht
erklärt sich das aus seiner Vorliebe, sachliche
Schwierigkeiten durch die Schärfe seines Den-
kens zu überwinden. Ludendorff drückt« das
einmal mit der Frage aus: „Glaubt« Graf
Schliessen durch geniale Führung Schwächen
ausgleichcn zu 'önnen, obschon er doch däs
treffende Wort kannte, daß Gott mit Len stär-
ken Bataillonen sei?"
Abgesehen davon jedoch hat Schliessen alles
zu seiner Zeit Mögliche getan, um das deut-
sche Heer auf den drohenden Krieg vorzube-
reiten, den er in seinem Umfange weit rich-
tiger vorauSsah als die verantwortlichen Po-
litiker. Auch nach seinem Rücktritt übte er
noch bis zu seinem Tode am 1. Januar 1918
durch militärwissenschastlichc Schriften — pyn
ihnen sei nur „Cannae", eine kriegsgeschicht
liche Studie über die Vernichtnngsschlacht
durch Umfassung, genannt — belehrenden Ein-
fluß auf Sie Armee aus.
Kampf gegen den Marxismus!
Kumps gegen die Korruption!
Für ein sauberes SeutWand!
Das sind die großen Varoien sür den Z. Mörz
Sitlerö Rus geht an alte Seutscken.
Zu aM Du Seine WW!
Zeichne zum Kamyssonds sür die Bewegung auf d*n Listen der
KreiSteitunaen oder aus Postscheckkonto Gauleiter Robert Wag«
ner, AoMMonto Rr. 1672Z Amt Karlsruhe.
Letl Zitter! Walter Köhler
„Niemand weiß davon", klärte Fan seinen
Vorgesetzten auf, „weder die Beamten, die sich
mit dieser Angelegenheit beschäftigen, noch der
NnterfuchnngSrichter. Aber ich will Ihnen ein
Geheimnis verraten, Herr Präsident: Bell-
mann war nicht nur, wie fa allgemein bekannt
„^ie haben mir zwar eine Ungeheuerlichkeit
ins Gesicht geschleudert, aber wenn ich ehrlich
sein will, ich kann eS Ihnen nicht verdenken
Diese Affäre ist uns so vollständig über den ist, der letzt« Kammerdiener Prinz Karl Al«.
Gras von Schlichen und der Weltkrieg
IVO. Geburtstage des Feldrrrarschalls a»r» 28. Febrrrar 1933
Von Hauptmann a. D. H. Friedrich. Hannover.
17. Fortsetzung
Inspektor Fan lieh ein« lange Pause ver-
streichen und sah an seinem Vorgesetzten vor-
bei zum Fenster hinaus. Er schien ganz in
-en Anblick einer Dachröhre vertieft.
Wie immer, wenn sich in seinem Gehirn
Ideen kreuzten, wenn eS galt, einen guten Ge-
danken zu fassen oder eine wohlüberlegte Ant-
wort zu geben, trug sein Gesicht «inen gleich-
gültigen, fast nichtssagenden Ausdruck.
Nie war es ihm aber noch so schwer ge-
fallen, wie in diesem Augenblick zu sprechen,
noch nie hatte er sich jemals in einer so un-
geklärten Situation befunden. Darum wollte
«r doppelt vorsichtig sein, denn er ahnt«, fed«»
Wort konnte unter Umständen jetzt ein Ver-
hängnis bedeuten, daS nicht mehr gutzumachcn
war. Instinktiv fühlte er auch, -atz er die
Fäden des Rätsels in den Händen hielt, aber
sie bildeten noch einen unentwirrbaren Knäu-
el. Dieser Fall war so ungeheuerlich, daß er
vor den Folgen erschrak, die eine richtige Lö-
sung nach sich ziehen würden, wen» sich seine
Ahnungen bewahrheiteten.
„Nun, haben Sie mir gar nichts darauf zu
antworten?' drängte Dalenbrogg ungeduldig
über Fans Nachdenklichkeit.
Für diesen schien langsam die Dachrinne an
Interesse zu verlieren, und er antwortete:
„Ich bin zwar mit der Absicht hierher ge-
kommen, um Ahnen etwas zu sagen, aber es
Ist vielleicht doch besser, wenn ich schweige.'
Der Polizeipräsident war übet diese Ant-
wort sichtlich ungehalten.
„Ich will nicht davon sprechen, Inspektor,
Lab ich als Ihr höchster Vorgesetzter berechtigt
bin, Ihre Mutmaßungen und Kombinationen
über diesen Fall zu erfahren. Vergeben Sie
aber nicht, daß Sie bet mir immer, auch in
Len schwierigsten Situationen, Verständnis ge-
funden haben, mehr als alle anderen Ihrer
Kollegen. Diesmal wollen Sie sich ganz isolie-
ren und entziehen mir Ihr Vertrauen . . .?
Ob daS von Vorteil für Sie ist?'
„Hm', murmelte Fan, „ich würde nicht so
zögern» meine Meinung zu äußern, wenn
nicht . . .'
„Wenn nicht . . .?" »nterbrach ihn Dalen-
brogg gespannt.
Fan zündete sich an dem Stummel seiner
Zigarre eine neue an und erwiderte, jedes
Wort besonders betonend:
„Haben Sie sich nie Gedanken darüber ge-
macht, Herr Polizeipräsident, daß unser n
Feinden mit unfehlbarer Sicherheit bis jetzt
jeder Anschlag gelungen ist? Sie waren über
alle Maßnahmen der Polizei unterrichtet, auch
ist es uns nie gelungen, irgendein Mitglied
der Bande zu verhaften. Wir laufen gegen
eine unüberstctgbare Mauer Sturm, ja, eS
ist, als hätten diese Verbrecher einen mächti-
gen Protektor, der seine starke Hand schützen-
über sie hält.'
Dalenbrogg zuckte zusammen. „Ja, ich habe
manchmal schon AehnlichcS gedacht, aber wer
sollte dieser Beschützer sein . . .?"
Da begegnete er den harten Blicken des De-
tektivs und verstand plötzlich, worauf der In-
spektor hinziclte. Dem Polizeipräsidenten
schwollen vor Erregung die Adern an den
Schläfen, bas Blut schoß ihm zu Kopf. Schon
bedauerte der Detektiv seine Worte, denn er
wußte, daß die Gesundheit seines Vorgesetzten
nicht die beste war. Dalcnbroggs Worte über-
stürzten sich, als er den Inspektor anschrie:
„Fan, für das sollte ich Sie hinauswerien
lassen . . . entlasten . . . einsperrcn! Sie wa-
gen. mir anzudeuten, daß ich selbst . . . ich, eer
Polizeipräsident, mit den Banditen in Verbin-
dung stehe . . .!'
Er keuchte und rang nach Luft.
Aber Inspektor Fan ließ sich nicht aus der
Fassung bringen.
„Amerikanisches"
Seit einiger Zeit spielt sich das Newyorker
Zollamt als Sittenrichter Amerikas auf. Nun
hat es eine Mappe mit Fotografien des be-
rühmten Deckengemäldes der Sixtinischen
Kapelle von Michelangelo angehalten, da sie
„unsittlich" seien. Dem eigentlichen Empfän-
ger, einem Kunstgaleriebesitzer namens Weyhe,
wurde mitgeteilt, er könne sich einer schweren
Bestrafung nur dadurch entziehen, daß er frei-
willig in die Vernichtung der Bilder einwil-
lige. Der Besitzer der Kunstgalerie wird es
selbstverständlich aus einen Prozeß ankommen
lassens
„Ich habe nichts gegen Sie vorgebracht, Herr
Präsident', entgegnete er gelosten.
„Zum Teufel mit Ihren versteckten Anspie-
lungen, reden Sie sich jetzt nicht aus! Natür-
lich haben Sie mich gemeint!'
Dalenbrogg griff nach einem GlaS Master,
das auf seinem Schreibtisch stand und leerte
cS mit einem Zug. Mit unglaublicher Energie
zwang er sich zur Ruhe und hatte sich tatsäch-
lich nach einigen Minuten wieder ganz in oer
G.walt,
„Es wird nun doch daS beste sein, wenn ich
die Sache ausgcbe und einem anderen üb-.r-
lasse', bemerkte Fan.
„Unsinn!' Der Polizeipräsident lacht« plötz-
lich auf wie über einen guten Witz. Sein Zorn
war verschwunden und er legte dem Jnspekror
die Hand auf die Schulter.
Ueber dem deutschen Weltkriegsschicksal steht
in unerbittlicher Tragik das bedeutungsschwe-
re Wort „Wenn". Der große Preußenkönig
gelangte zu neuer Volkstümlichkeit, er, der in
ähnlich schwerer Lage das Geschick Preußens
gemeistert hatte. Dann knüpfte man an einen
anderen Großen der deutschen Geschichte, an
Bismarck an. Man war schnell geneigt, alle
Schuld am Weltkriegsverhäugnis dem „neuen
Kurs aufzubürben. „Ein Bismarck" hätte auch
jene Fragen im deutschen Sinne gelöst, die
einen Bülow und einen Bcthmann in den
Strudel des Weltkrieges trieben. Mit weit
größerer Bestimmtheit als in den beiden er-
örterten Fällen läßt sich indessen das „Wenn"
mit Gcneralfcldmarschall Gras von
Schliessen in Verbindung bringen. Das
ist erklärlich. Einmal erstreckt sich sein Wir-
ken — bis 1806 als Chef des GcneralstabeS
der Armee, dann noch in kricgswisseuschastli-
chen Arbeiten bis 1912 — fast bis zum Kriegs-
ausbruch, zum anderen war es durchaus aus
eine Lage eingestellt, wie sie sich 1911 tatsäch-
lich bot. Es ist also kein Wunder, daß alle,
die sich zu einer Beurteilung der militärischen
Kriegsführung berufen fühlen und deren An-
teil an dem Weltkriegsergebnis fcstzustellen
suchen, aus Schliessen zurückgreisen, um an
seinen Plänen, seinem Wollen und seinen Leh-
ren zu ermessen, was im Kriege „richtig",
mehr noch, was „falsch" gemacht wurde. Die
yach dem Kriege immer wieder geprägten Be-
dingungssätze „Wenn Schliessen im Kriege ge-
führt hätte ..." oder „Wenn Schliessens
Plan und seine Lehren befolgt worden wä-
ren . . ." sind es recht eigentlich, die den ehe-
maligen Chef des GcneralstabeS der Armee
breiten Kreisen bekannt werden ließen, Krei-
sen, die vorher kaum wußten, daß er diese
Stellung von 1891 bis 1996 begleitet hatte.
Eigentümliche Anklänge finden sich im Le-
ben der drei größten Kricgstheoretikcr der
Kopf gewachsen, und wie die Dinge jetzt stehen,
kann ich Ihnen nicht verübeln, wenn Sie
überhaupt alle Menschen verdächtigen . . .
Aber lasten wir das, denn ich nehme an, daß
diese Verdächtigung eine Entgleisung war.
Sagen Sie mir lieber, was Sie wirklich von
der Geschichte halten. Hängt der Mord an dem
Ehepaar Bellmann ebenfalls damit zufam-
men?"
„Ja, Herr Präsident, «S handelt sich übri-
gens um einen Raubmord ..."
„Sonderbar, ich habe mir die Protokolle ge-
nau durchgesehen, doch nichts gefunden, was
Ihre Meinung bestätigen würde", entgegnete
Dalenbrogg erstaunt.
preußisch-deutschen Armee seit Friedrich dem
Großen. Clausewitz' eigentliches Wirken be-
gann erst nach seinem Tode, als die von ihm
hinterlassenen Sehristen Herausgcgeben wur-
den. Von Moltke sagte Schliessen einst in
bezug aus seine Stellung in der Armee bis
zur Schlacht von Königgrätz: „Wenige kann-
tcn ihn Niemand beachtete ihn. Noch am
Morgen jenes 3. Juli . . . erkundigte sich ein
höherer Offizier, wer der General von Mo't-
ke sei. Achtundvierzig Stunden später fragte
niemand mehr. Da buchstabierten den wun-
dersamen Namen die Schulkinder in den ent-
legensten Dörfern." Schliessen selbst wieder
fand ähnlich wie Clausewitz erst nach dem To-
de seine „Volkstümlichkeit". Er verdankte sie
letzten Endes sogar dem Umstande, daß lein
Wirken im Weltkrieg nicht beherzigt wurde
Schliessens „Lehren" boten, besten war sich
der vornehm bescheidene Mensch durchaus be-
wußt, nichts Neues. Sie wurzelten in dem,
was Clausewitz gefunden, Moltke weiterent-
wickelt und in die Tat umgcsctzt hatte. Daß sie
in fast übertriebener Einseitigkeit die Ver-
nichtungsschlacht durch Einkreisung oder ve-
.nigstcns Umfassung eines Flügels predigten,
entsprang der leider allzu berechtigten Ansicht
Schliessens, daß die Führer immer wieder
aus die Notwendigkeit eines Operierens mit
starken Flügeln hingewiesen werden müßten,
um sie die „liebgcioordene Gewohnheit" der
Mastenbildung vor der gegnerischen Frönt
vergessen zu lasten.
Dem Umfassungsgrundsatz entsprach auch der
berühmte, aus eine Uebcrslügclung der Fran-
zosen von Norden und schließlich Westen ab-
zielende Ausmarschentwürf aus dem Jahre
1906. Es ist jetzt allgemein bekannt, wie die-
ser Plan „verwässert" wurde? indem man das
Kräfteverhältnis des rechten zum linken Flü-
gel von 7:1 in 8:1 abändcrte. Des jüngeren
Moltke tiefster Beweggrund für diese Umstel-
xauders, I sondern geaotz auch fei» uneinge-
schränktes Vertrauen. Der Prinz hatte ihm
in dieser Eigenschaft ein kostbares Familien-
stück zur Aufbewahrung gegeben, di« ÄchilleS-
dosc."
„Ich habe von der Dose gehört, sie soll «in
einzigartiges Meisterstück mittelalterlicher
Gvldschmiedekunst sein. WaS ist mit ihr, wur-
de sie gestohlen..."
„Jaivohl . . . und die beiden Menschen muß-
ten bei diesem Diebstahl ihr Lebe» lassen",
wiederholte Inspektor Fan.
Dalenbrogg schüttelte len Kopf. „Ich kann
mir dies nicht recht zusammenreimen, die
Dose ist in der ganzen internationalen Kunst-
welt bekannt, der Versuch, sie zu verkaufen,
wäre stür den Täter Selbstmord."
„Gewiß", stimmte der Detektiv zu, „von die-
sem Gesichtspunkt betrachtet, läßt sich keine Er-
klärung findest, aber ich hab« dafür eine an-
dere Erklärung."
„So, so, nun dann lüften Ei« einmal den
Schleier Ihres Geheimnisses ein wenig."
Inspektor Oliver FanS Gesicht nahm «tuen
sorgenvollen, melancholische» Ausdruck an,
und seine Blicke klammerten sich wie hilfesu-
chend an die Dachrinne.
„Die AchilleSdos« wurde nicht wegen ihres
Kunstwertes gestohlen . . . Vor einer Stunde
hatte ich eine Unterredung mit Prinz Karl
Alexander. Hoheit hat sich entschließe» müssen,
einige Angaben zu machen."
Fan schwieg einen Augenblick, und ein tiefer
Seufzer entrang sich seiner Brust. Er schien
traurig darüber, sein Geheimnis nun >och
preiSgeben zu müssen, und er tat eS wiberstre-
bend, in einem innerlichen Kampf.
Fortsetzung folgt.
lung mag die von Anfang an gehegt« Absicht
gewesen sein, im Laufe der Operationen mit
dem verstärkten linken Flügel die französi-
schen Ostbesestigungcn zu durchstoßen und so
in vollkommenstem Schliessenschcn Sinn« zu
doppelseitiger Umfassung zu gelangen. Doch
für eine solche Ausgabe erwiesen sich die Ge-
samtkräst« zu schwach, und so rächte sich der
Verstoß gegen Schliessens letzte Mahnung
„Macht mir nur den rechten Flügel stark!",
damit, baß auf keinem Flügel der Sieg er-
rungen wurde.
Nicht minder verhängnisvoll war es, daß es
sich die Oberste Heeresleitung entgegen der
Schlicffenschen Forderung versagte, die Bewe-
gungen der Armeen straff zu führe». Dazu
kam, daß einzelne Armceführer die sich mehr-
fach bietenden Gelegenheiten zu Umfassungen
in den „Grcnzschlachten" ungenutzt ließen. So
war infolge der Nichtbeachtung Lchliefsenscher
Lehren der Feldzug trotz aller Siege un
August schon einmal für di« deutschen Waffe»
verloren, ehe noch die Marneschlacht zum
ziveitcn Male und abschließend seine glück! che
Beendigung vereitelte.
Doch Schliessens Wirken wurde nicht »m
alle Erfolge betrogen. Ihm ist die Einführung
der schweren Artillerie des Feldheeres zu
verdanken. Der Feldartillerie verschafft« seine
Stimme daS Nohrrücklaufgeschütz und die
leichte Feldhaubitze. Großes Interesse wandte
er den technischen Truppen zu, da er die Be-
deutung der Eisenbahnen für die Bewegung
und Versorgung der gewaltigen Masten eines
Zukunftkrieges voraussah wie die der Tech-
nik für Aufklärung, Nachrichten, und Befehls-
übermittlung.
Die Ausbildung der Führer und Führerge-
hilfen förderte er durch Ausgestaltung der
Kriegsakademie, durch Kricgsspiele und Ge-
neralstabsreisen, bei deren Anlage er das
Operieren in größtem Maßstabe in den Vor-
dergrund stellte. Dabei rechnete er oft, ebenso
wie bei dem Ausmarschentwurs von 1995, aus
deutscher Sette mit einer Zahl von Verbän-
den, dir in dieser Höhe für die Mobilmachung
»och 1911 nicht vorgesehen war. Es erscheint
daher rätselhaft daß er sich für die notwen-
dige Ausschöpfung der Wehrkraft Deul'ch-
landS nicht entschiedener einsetzte. Vielleicht
erklärt sich das aus seiner Vorliebe, sachliche
Schwierigkeiten durch die Schärfe seines Den-
kens zu überwinden. Ludendorff drückt« das
einmal mit der Frage aus: „Glaubt« Graf
Schliessen durch geniale Führung Schwächen
ausgleichcn zu 'önnen, obschon er doch däs
treffende Wort kannte, daß Gott mit Len stär-
ken Bataillonen sei?"
Abgesehen davon jedoch hat Schliessen alles
zu seiner Zeit Mögliche getan, um das deut-
sche Heer auf den drohenden Krieg vorzube-
reiten, den er in seinem Umfange weit rich-
tiger vorauSsah als die verantwortlichen Po-
litiker. Auch nach seinem Rücktritt übte er
noch bis zu seinem Tode am 1. Januar 1918
durch militärwissenschastlichc Schriften — pyn
ihnen sei nur „Cannae", eine kriegsgeschicht
liche Studie über die Vernichtnngsschlacht
durch Umfassung, genannt — belehrenden Ein-
fluß auf Sie Armee aus.
Kampf gegen den Marxismus!
Kumps gegen die Korruption!
Für ein sauberes SeutWand!
Das sind die großen Varoien sür den Z. Mörz
Sitlerö Rus geht an alte Seutscken.
Zu aM Du Seine WW!
Zeichne zum Kamyssonds sür die Bewegung auf d*n Listen der
KreiSteitunaen oder aus Postscheckkonto Gauleiter Robert Wag«
ner, AoMMonto Rr. 1672Z Amt Karlsruhe.
Letl Zitter! Walter Köhler
„Niemand weiß davon", klärte Fan seinen
Vorgesetzten auf, „weder die Beamten, die sich
mit dieser Angelegenheit beschäftigen, noch der
NnterfuchnngSrichter. Aber ich will Ihnen ein
Geheimnis verraten, Herr Präsident: Bell-
mann war nicht nur, wie fa allgemein bekannt
„^ie haben mir zwar eine Ungeheuerlichkeit
ins Gesicht geschleudert, aber wenn ich ehrlich
sein will, ich kann eS Ihnen nicht verdenken
Diese Affäre ist uns so vollständig über den ist, der letzt« Kammerdiener Prinz Karl Al«.
Gras von Schlichen und der Weltkrieg
IVO. Geburtstage des Feldrrrarschalls a»r» 28. Febrrrar 1933
Von Hauptmann a. D. H. Friedrich. Hannover.