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Volksgemeinschaft: Heidelberger Beobachter, NS-Zeitung für Nordbaden (3) — 1933 (Mai-Juni)

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Nr. 132-157 (1. - 29. Juni)
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Mittwoch, 7. Juni 1933.

Deutsche Llmdschsst / 2-?-? p»««««

Josef Ponten, der Meister der deut-
schen dichterischen Prosa, 'reging am
3. Juni seinen 50. Geburtstag.
Tiefe Ebene, niedriges Gebirge, hohe
Lbene, Hochgebirge — so baut sie sich vom
Meere herauf auf. Ist nicht Gebirgsland
ohne Ebene wie die Schweiz und Norwegen,
kein Flachland ohne Gebirge wie Rußland,
Holland, Dänemark. Beide große Architek-
kurgedanken arbeiten an ihr. Das deutsch''
Land hat große Flüsse und sendet ihre Was-
ser zu den grauen Meeren im Norden und
den blauen Meeren im Süden. Hak Seen zu
Hunderten, nicht zu viel wie Schweden, nicht
zu wenig wie Frankreich. Hat Anteil an
zerealisch-nokwendiger Pflanzenwelt, der Kör-
nerfrucht, und an dionysisch-überflüssiger, dem
Weinstock. Entbehrt nicht der Rebe wie
Skandinavien, nicht des Apfels wie Italien
(o fader italischer Apfel!). Die geheimnis-
reiche Föhre reicht von Norden, die stachlige
immergrüne Steineiche von Süden herein.
Sonnetrinkender Mais glüht bei Innsbruck,
die Mandel blüht und die Feige reift am
Oberrhein. Das Maultier des Südens schreitet
auf den Saumpfaden seines Hochgebirgs, und
der Hering des Nordens berennt seine Küsten.
Es hat gefaltete getürmte Gebirge wie Ita-
lien und (in Franken und Schmähen) seit un-
vorstellbarer Zeit ungestört liegende Landka-
feln wie Nußland. Der große, eben erst ab-
getretene Landschaftsbildner, das Eis, das an
Griechenland fast nichts, an Italien und
Frankreich wenig gestaltet hat, formte die
Hälfte seines Bodens. Es hak in tiefem Be-
reiche Anteil am strengen, heiß-und-kalten
Landklima Rußlands und am lauen flauen
Seeklima Nordwesteuropas.
Beschränken wir uns auf das Architek-
tonische. Norddeukschland ist vom skandina-
vischen Gletscher gebaut. Da sind: dis unter
der Gletschersohle abgelagerten Lehmflächen
— heute Aecker —; rosenkranzförmige Zü-
gelhalbringe, die sich aufschütkeken vor den
Zungen des abschmelzenden Gletschers; die
angeschükteten Sand- und Schotkerfelder vor
den Hügelzügen, und die Sandkäler, welche
unter und vor dem Gletscher ziehende Schmelz-
wasserflüsse anlegten, von der Natur mit Na-
delwald beseht und von der Kultur mit Na-
delwald belassen; die architektonisch gereihten,
streng geformten Schlauchseen und die regel-
los lappigen Seen. Urtümlich ist sie, diese
Landschaft, primitiv, von vorgeschichtlichem
Zauber umweht — Karl Blechen hat mit mehr
als romantischem Sinne alte Germanen in sie
hineingemalt —, etwas asiatisch auch im Weit-
räumigen und oft noch Unkultivierten. Sie
schwingt weit nach Rußland, im Zwange glei-
cher Entstehung, hinaus. Rußland (und mit
Rußland Asien) leckt in dieser norddeutschen
Landschaft mit langer Zunge nach Deutsch-
land-Europa herein. Das Baltische Meer,
dieses nordische Zalbmeer, Miktelmeer, gibt
Gemeinsames ihr und der schwedischen und
finnischen. Meer und Asten schenken ihr
Weite.
Gegenstück im Süddeutschen. Alpenglet-
scher, die bis München vordrangen, bauten
eine sehr ähnliche Landschaft, doch gedrängter,
enger, reiner, nicht so weiträumig verloren,
sinnfälliger und besser überschaubar. Herb auch
und voll Größe. Was dort die Ahnung

Adolf Hacker:
Gips ««» Svsle
Vor kurzem ging eine Notiz durch die
Zeitungen, die von einer Visitation der
römischen italienischen Kirchen berichtete.
Mißbräuche, die sich im Laufe der Zeit
eingeschlichen hätten, würden beseitigt
werden. Neben anderm handelt es sich um
Mißbrauch beim Verkauf von Votivkerzen,
künstlerischen Blumen usw. Hierzu die fol-
genden Gedanken:
Es ist wundervoller Frühling draußen. Die
Sonne strahlt zum erstenmal wieder warm und
glänzend hell auf die noch erstarrte Erde. Ich
wandere durch unsere schöne badische Heimat.
Zwar liegt noch Reif auf den Feldern, die Son-
ne hat es aber vermocht, daß der Frühling doch
schon in mir eingezogen ist. Ich erlebe die
Pracht der Natur und bin von ihrer Schönheit
beglückt. Doch nicht nur die Natur zu sehen ist
mein Ziel, ich suche auch die Gebilde von Men-
schenhand, um dem Geist des Schöpfers in dem
von den Geschöpfen Geschaffenen nachzuspüren.
Die meisten Kirchen, an denen ich vorbeikomme,
besuche ich. Wir haben aus fast allen Zeiten
unserer Kulturgeschichte schöne Bauten. Sie ste-
hen mit oft überwältigender schlichter Größe im
Raum der Landschaft. Ihre Jnnenräume spie-
geln den unfaßbaren Geist, der unsere Heimat
beseelt, in umrissenen Linien sinnlich wahrnehm-
bar wieder. Es sind die Kunstwerke schöpferi-
scher Menschen.
Leider wurde der gute Eindruck, den der
bloße Raum meist vermittelte, oft durch eine
völlig verständnislose Einrichtung und Aus-
schmückung verunstaltet. Von'einem solchen
Schmuck, der mir ganz besonders unangenehm
auffiel, und den man leider fast überall antraf,
muß ich einmal reden. Es handelt sich um die
Gipsfiguren.
Man mache sich einmal klar, wozu eigentlich
ein Gotteshaus da ist. Der Architekt g'rbt sich
die erdenklichste Mühe, um für den Gottesdienst

Astens, ist hier das Blaulicht der Alpen.
Das reinste Hügelland, meine ich, findet
man im Dreieck zwischen München und Do-
nau. Boden eines jung abgeflossenen Mee-
res isk's, weicher Stoff, leicht von den Kräften
der Luft bearbeitbar. Eigentümliche kurzwel-
lige Hügel hak die Landschaft, Ackerschollen
im großen, wie die jüngste Landschafkerei sie
malt.
Das Miktelland ist gebirgig, Rest uralter
abgetragener Alpen. Mild wie das Alter.
Runde Formen, weiche Linien, Felsen nur hier
und da, im ganzen ist das Felsskeletk umhüllt
vom Fleisch der Berwikkerungskrume. Die
Flüsse ausgeglichen, die Skurzhöhe der ehe-
maligen Wasserfälle auf linde gleichsinnige
Flußgefälle weiter Strecken ausgekragen.
Durchbruchstäler sind ha, ja, schwarzbraune
des Rheines im Schiefer, rote des Neckars
im bunten Sandstein, gelbe des Mains im
Muschelkalk, rötliche der Elbe im Elbsand-

stein, weiße der Saals und der Donau im
Kalke — aber alles gedämpft, gemäßigt, der
Ruhs nahe. Das wissende Auge zieht imagi-
näre Ebenen von Kuppe zu Kuppe durch die
Luft, Einräumungsebenen konstruierend. Ein
kosmischer Kreisablauf der Formen zwischen
Alpe und «blasierter Ebene, von romantischer
Formenjugend zu klassischem Gestalkenalker,
unermeßliche Zeiträume übergreifend, unter-
brochen von Wiederbelebungen der Flüsse und
Verjüngungen der Täler durch sich hebende
Gebirge — ein ungeheures, tief in die Seele
sinkendes Gesetz. Vulkane begegnen, der
Rhön und der Eifel, mit fast pädagogisch rei-
nen Formen der Musterbeispiele, auch weiße
Gebirgsmauern wie die Schleifen des eben-
sogernden Juras, aber verhaltene Rhythmen,
gebundene Gestalten. Alke Landschaft. Klas-
sisch ist sie ihrem Wesen und ihrer seelischen
Wirkung nach, obgleich ein ewig romantisches
Volk in ihr sitzt.

Ulrich von LiechleMein,
NIL. LLH. VLKicN. VI8L8. NOV8L8. KLNUM. LK8L. 1275.

In der Unzmarkker Kirche bei Iudenburg
kn der Steiermark ist der Grabstein ausge-
stellt, der dis irdischen Ueberreste Ulrichs von
Liechtenstein einstens deckte, und der dadurch
klassisch und bemerkenswert ist, daß er die
älteste Grabschrifk in deutscher Sprache auf-
weist. Es lohnt sich, den Spuren dieses Rit-
ters kurz nachzugehen, dessen Leben an Tor-
heiten reicher war, als das des tugendsamen
Ritters Don Quichote von la Manch«.
Ulrich wuroe 1200 auf der Frauenbnrg ge-
boren. Nachd-w er 1222 zu Wien von Her-
zog Leopold VK zum Ritter geschlagen war,
zog er 33 Jahre lang in den Landen herum
und vollfübrte Tollheiten eines überstiegenen
Minnedienstes.
Wohl hatte er sich 1223 mit einem Edel-
fräulein' Berta vermählt und die krutzige
Burg Liechtenstein gebaut, deren stolze Rui-
nen heute noch einen Hügel bei der schönen
Bergstadk Iudenburg krönen. Er hatte vier
Kinder, aber die Albernheiten des Frauen-
dienstes ließen ihm keine Ruhe. Er war stän-
dig verliebt und zu den sinnlosesten Handlun-
gen bereit. Er krank das Waschwasser einer
spröden Herrin und wollte sich, um ihr zu ge-
fallen, unter Bettler und Aussätzige mischen
Wegen einer anderen ließ er sich von einem
Grazer Arzt seine wulstige Oberlippe ab-
schneiden („gestaltiger machen"). Im Dienste
feiner Herrin ließ er sich von einem Freunde
einen Finger abschlagen und sandte ihn in
einem golöverzierten, grünen Futteral an die
Schöne.
Indessen saß seine eheliche Berta auf dem
Schloß und hütete seine „Blümlein", wie er
seine Kinder nannte.
Als er bei einer anderen aber immer noch
keine Erhörung fand, zog er 1227, als Frau
Venus verkleidet, auf einen Minnekriegszug,
der ihn nach Süden, bis Venedig und zurück
über Böhmen führte, um den Dank und die
Aufmerksamkeit der Geliebten zu gewinnen.
Er trug einen weißen Sammekmankel und
zwei lange Zöpfe, die mit Perlen durchfloch-

ken waren. Sattel und Schabracke waren aus
weißem Leder. Zwei Fiedler und zwei weiß-
gekleidete Jungfrauen begleiteten ihn. Fer-
ner trabten 12 Knappen nebenher, die sei-
nen Helm und 100 silberweiße Speere trugen.
In seinem Gefolge waren dann noch 19 Rit-
ter und deren Trabanten. An allen Turnie-
ren nahm er teil, und er verskach zu Ehren
seiner Dulcinea auf dieser tollen Balzfahrk
307 Speere.
1240 begab er sich auf die zweite Fahrt.
Dieses Mal zog er als König Arkus, der aus
dem Paradies zurückgekehrk war, um die Ta-
felrunde wieder herzustellen, durch Steiermark
und Oesterreich.
1245 schien er langsam zur Vernunft zu
kommen. Er wurde Landeshauptmann der
Steiermark. Von da ab nahm er an vielen
politischen Streitigkeiten und Kriegen teil,
wo er sich große Verdienste erwarb, sodaß er
1269 Richter und Marschall der Steiermark
wurde. Er starb am 26. Januar 1275.
Unermüdlich aber sang er sein Leben lang
das Lob der Frauen. In seinem „Frauen-
dienst" (1255) und dem „Frauenbuch" (1257)
schrieb er seine Rikkerfahrken und er versi-
cherte ausdrücklich, daß alles lautere Wahr-
heit sei.
In seine Aufzeichnungen und Lieder flocht
er Perlen, wie das heute noch viel gesungene:
„In dem Walde süße Töne singen kleine
Dögelein.
Auf der Heide blühen schöne Blumen in des
Maien Schein.
Also blüht mein hoher Mut,
wenn ich denke ihrer Güte,
die mir reich macht mein Gemüts,
wie der Traum den Armen tut."
Keiner, der diese wundersamen Worte
hört, denkt, daß der Dichter, der sie schrieb,
durch das Waschwasser der Geliebten zu sol-
chen Versen begeistert wurde, und der wie ein
Narr, als Venus verkleidet, durch die Lande
Zog.
(Nachdruck verboten).

einen angemessenen Raum zu schaffen. Schön
soll der Raum sein, feierlich und erhaben. Der
Mensch soll angeregt werden zur Andacht und
Betrachtung der Unendlichkeit Gottes. Ob es
sich um eine Kirche für eine große, reiche oder
kleine, arme Gemeinde handelt, Ziel und Wunsch
ist es, einen nach unserem Denken Gott möglichst
würdigen Raum zu schaffen. Das beste an Bau-
stoff und Form gibt man zum Werk, in dem
das Allerheiligste Mittelpunkt ist.
Es soll hier nicht untersucht werden, ob alle
unsere Kirchen würdige Gotteshäuser sind. Es
unterliegt aber keinem Zweifel, daß sehr vieles,
was zur Ausschmückung, zur Förderung der An-
dacht des Gläubigen dienen soll, besser nicht
Verwendung gefunden hätte. Mit mm schlimm-
sten gehören die Gipsfiguren. Es ist erstaunlich,
welche Summe von Kitsch in unseren Kirchen
aufbewahrt ist. Es ist nicht nötig, Beispiele auf-
zuführen, man findet sie überall. Wozu eigent-
lich diese oft furchtbaren Eipsfiguren? Soll der
Gläubige in ihnen ein sichtbares, äußeres Zei-
chen für seine innere Gesinnung zu einem Hei-
ligen etwa, den er fürbittend anruft, haben?
Soll er sein Herz an völlig wertlosen Gebilden
sich zu Gott emporschwingen lassen? Wie kann
er das an einem Gegenstand, der ihm nichts,
aber auch gar nichts bieten kann?! Vielleicht
kann ihm noch das gläubige Bewußtsein, daß
eine solche Fiaur eine kirchliche Weihe erhalten
hat, helfen. Aber die Schönheit, die sein Ge-
müt anregen soll, den Geist Gottes zu spüren,
wird er vergeblich suchen. Es ist eigentlich fast
eine Grausamkeit gegen das Gemüt einer Men-
schenseele, ihr zuzumuten, sich an geistlosem Kitsch
auf Erbauuna führen zu lassen. Wer kann das?
Wer belügt sich nicht selbst, wenn er glaubt, es
doch zu können. Es kommt gewiß auf die gute
Gesinnung an und nur auf diese.
Warum aber soll diese gute Gesinnung nicht
auch bei dem Suchen nach dem äußeren Mittel
zur Andacht notwendig und ausschlaggebend
sein? Mir scheint, es ist eine völlige Verken-
nung eines Teiles der Aufgaben, die uns Gott
gestellt hat. Wir haben den Sinn für Schönheit

nicht bekommen, um ihn brach liegen zu lassen.
Wir haben kein Recht, Kitsch zu weihen und
ihn als Ersaß für echte Kunst dem Volke vor
die Augen zu stellen. Man sage nicht, wir seien
arm und könnten uns Kunstwerke nicht leisten.
Gerade hier kommt es auf die gute Gesinnung
an. Wenn wir zu arm sind, um ein Kunstwerk
von einem wahren Künstler schaffen zu lassen,
wenn wir nicht selbst die Gaben haben, um et-
was Schönes zu gestalten, dann gilt gerade hier
vor Gott unsere gute Absicht, ihm mit etwas
Schönem dienen zu wollen, die Freude, die uns
das Schöne gibt, ihm aufzuopfern. Es ist doch
ein Zeichen großen Niedergangs unserer Kul-
turgesinnung. wenn wir uns statt dessen in ei-
ner Fabrik von einem vielleicht nicht einmal
guten ersten Werk unzählige Abgüsse machen
lassen, die ja nur noch ein rein rechnerisches
Verhältnis zu einer etwa vorhandenen schöpfe-
rischen Ursprungstat haben. Es widerspricht in
höchstem Maße jedenfalls deutschem innerlichem
Gemüt, sich mit solchem Ersaß abgeben zu sol-
len. Solche Gipsfiguren sind nicht würdig, ge-
weiht zu werden. Sie sind nicht imstande, im
Herzen des Volkes eine ehrliche Rolle zu spie-
len. Von rein äußeren Dingen, wie z. B. das
kunstgerecht anatomisch möglichst wahrheitswirk-
liche Herz Jesu gleichsam bloßgelegt zu zeigen,
möge abgesehen werden. Es möge auch an dieser
Stelle nicht untersucht werden, ob die stereotype
Darstellung Jesu Christi mit weichlich-süßlichem
Eesichtsausdruck unserem deutschen Empfinden
entsprechen kann, ob wir in einem solchen Ge-
sicht, in solchen Augen das wahre Herz Jesu,
die Güte aus starkem, männlichem Geiste zu
spüren vermögen. Ich bezweifle es sehr. c
Um es kurz zu sagen: Solche Mittel einer
Pseudokunst sind niemals imstande, eine wahr-
haft innerliche echte Religiosität zu fördern. Sie
sind ein untaugliches Mittel. Man sage nicht,
das Volk verstände es nicht besser, es hätte kei-
nen Sinn für wahre Kunst, es sei sich dessen gar
nicht bewußt, welch schrecklicher Kitsch solche Fi-
guren sind.
Von den Führern muß verlangt werden, ^aß

Aber romantisch in Wesen und Wirkung,
anregend, auch aufregend, aufreizend ist das
Hochgebirge. Es ist junges Gebirge, schon an
der Zeit, auch am Formenschahe gemessen
Zu solcherart doppelsinnig junger Erdformen-
welt zählen auch die zum Alpenzuge gehöri-
gen Gebirge und Landschaften Griechenlands
und Italiens. Romantisch sind sie nach We-
sen und seelischer Wirkung, obgleich ein in
klassischen Formen denkender Mensch sie be-
wohnt und sie die klassischen Stätten bergen.
Nicht nötig, die Alpen mit ihren Berglinien
und Kammreihen, mit einschmiegsamen Spitz-
und Trogkälern, mit Gletschern, Seen und
Klammen zu beschreiben. Jeder kennt sie,
wenn auch nur im Bilde, denn einprägsam,
selbstdeuklich, frisch sind die Formen, prächtig,
merkwürdig, sonderbar, naiv wie alles Junge.
Und auch was sie an Erhabenheit haben —
etwa die Silberpanzer ewiger Firne vom
Himmel hangend —, wirkt unmittelbar. Das
Mittelgebirge aber ist schwerer zu deuten,
es fragt den Geist, beschäftigt die Ueberle-
gung, regt eine — wahr zu sagen! — größere,
tiefer kn die Erhabenheit von Raum und Zeil
greifende Betrachtung an. Hochgebirge wirkt
sinnlich, Mittelgebirge sinnig. Jenes hak fast
physische, dieses schon metaphysische Reize.
Meere, die in sich ungeheure Böden legen,
Erdbewegungen, Vulkane. Eiszeiten, Welker,
Sonne Wind — bildnerische Nakurgewalken
der Landschaft. Aber eine Nakurgewalt ist
auch der Mensch. Er legt Steppen an von
Nährgräsern, weist den Wäldern ihren Platz
zu, verdämmk, verlegt, verknüpft Flüsse. Staut
Seen und zapft sie ab. Macht die Eingeweide
der Erde sich erbrechen wie durch Vulkane,
Indem er aus dem Innern Massen Heraufholk
und sie in künstlichen Schukkbergen aufbauk,
und läßt — in den Industriegegenden des Kali
und der Kohle — den dunkeln geheimen Be-
sitz der Erde sichtbare Landschaft werden. Mit
seinen Ansiedlungen vermenschlicht er die an
sich — man kann sagen — unmenschliche Na-
tur. Und wenn er nur schwarzscheckiges
Rindvieh wie in Holland, in Deutschland rot-
scheckiges zieht, das auf den Wiesen am Rhein
sich mischt, er ist ein Landschafksbildnsr, der
ein besonderes Kapitel beansprucht.
-o-
Bücher-Ecke.
Vadens Anteil an der nationalen Revolution.
Nachdem durch den großartigen Feiertag der
Arbeit am 1. Mai der erste Abschnitt der natio-
nalen Revolution beendet ist, gibt uns eine so-
eben erschienene Schrift „Die deutsche Erhebung
in Baden" einen ausgezeichneten Ueberblick über
das Geschehen. Alle wichtigen Ereignisse feit dem
30. Januar in unserm slldwestdeutschen Grenz-
land bis zum Hitler-Jugendtreffen am 7. Mai
sind in Wort und Bild festgehalten. Den Text
schrieb Dr. Ebbecke, die Abbildungen sind aus
dem ganzen Land gesammelt (Verlag G. Braun,
Karlsruhe, Preis 80 Pfg.). Der gewaltige Er-
folg der nationalsozialistischen Bewegung und
die vom ganzen Volk begeistert und dankbar auf-
genommene Tätigkeit der neuen badischen Re-
gierung finden in dieser für jeden Badener wert-
vollen Erinnerungsschrift einen bleibenden Aus-
druck. Die Veröffentlichung hat dokumentarischen
Wert und ist deshalb allen politischen und beruf-
lichen Verbänden sowie den Schulen und Fami-
lien zu empfehlen.

sie dem Volk wahre Kunst zu vermitteln suchen.
Wie kann denn das Volk wahre Kunst lieben,
wenn sie ihm nicht gegeben wird? Wie kann
es wahre Kunst sehen, wenn ihm die Augen da-
zu nicht geöffnet werden? Es ist eine furcht-
bare Gedankenlosigkeit und ein Vorbeigehen an
den schönsten und natürlichsten Mitteln, mit de-
nen man das Religiöse zu den Wurzeln des
Volkstums tragen könnte, wenn man eine ge-
schäftstüchtige Kitschindustrie durch Verwendung
ihrer Erzeugnisse fördert und wirkliche Kunst
verkümmern läßt.
Man sage auch nicht, wir hätten keine Künst-
ler. Gebt die Aufgaben, und die Künstler er-
wachsen an ihnen von selbst. Es ist besser, in
einer Kirche nur ein Kunstwerk zu haben als
zehn noch so süßlich bemalte Gipsabgüsse. Es
ist besser, wenige Künstler mit einer Aufgabe zu
beglücken, als einigen Unternehmern den Ver-
dienst für Arbeit zu geben, die in hohem Maße
von deren Maschinen geleistet wird.
Man sage auch nicht, die Künstler hätten
keine religiöse Einstellung. Man gebe einem
Künstler einen religiösen Vorwurf und lasse
ihm Freiheit zur Gestaltung. Ein schöpferischer
Mensch wird durch das Erleben beim Gestalten
eines Kunstwerks mehr als durch sonst etwas zu
Gott geführt. Ein besseres Mittel gibt es für
diesen gar nicht.
Arbeiter jedoch, die fabrikmäßig Heiligen-
figuren Herstellen, können bestenfalls die Ach-
tung vor dem Zweck ihres geistlosen Werks ver-
lieren. Ein wahres Kunstwerk, das im Herzen
des Volkes Vesiß ergriffen hat, ist ein schönes,
würdiges Mittel, um den Einzelnen, und die
Gesamtheit Gott näher zu bringen. Hier ist die
Weihe wirkliches Symbol eines inneren Er-
lebens.
Mögen diese Gedanken Anlaß und Anregung
geben, daß die, die es angeht — die Priester
vor allem — sich ihrer verantwortungsvollen
Aufgabe bewußt werden, die lebendige und auch
neuzeitliche Kunst vernünftig und ehrlich als
gutes Mittel zum guten Zweck zu benutzen.
Kitsch ist weder des Schöpfers, noch der Ee>
sch-wie würdia.
 
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