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Volksgemeinschaft: Heidelberger Beobachter, NS-Zeitung für Nordbaden (3) — 1933 (Juli-August)

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Nr. 159-189 (1. - 31. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.70558#0149
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3. Iahrg. / Nr. 171 Heidelberg, DonnerSkag, 13. Zull 1933 Freiverkauf 18 Pfg.

Die Verfassung -er Deutschen
Evangelischen Kirche
Durchführung -es Aesormwerks vis rum 1L. Nooemver

* Berlin, 12. Juli. Mit der Annahme der
kirchlichen Verfassung durch die Vertreter der
im Deutschen Evangelischen Kirchenbund ver-
einigten Landeskirchen hak die Deutsche
Evangelische Landeskirche, wie wir bereits
meldeten. Gestalt gewonnen. Ihre rechtliche
Anerkennung wird die Verfassung durch
Reichsgeseh noch im Laufe dieser Woche er-
halten.
Die Verfassung der deutschen evangelischen
Kirche ist ein Erfolg für alle an der Arbeit
Beteiligten: für den Bevollmächtigten des
Reichskanzlers, Wehrkreispfarrer
Müller, für den Kirchenrechkler, Prof.
Heckel, für Prof. Hezer von der theologischen
Fakultät, für Len Fürsprecher der ausser-
preußischenKirchenführer, Bischof Weiser, für
den Dreierausschuß des alten Kirchenbundes,
Marahrsns, Hesse und Seetzens. Besonders
ist dabei auch die Arbeit des preussischen
bkaatskommissars Jäger zu erwäh-
nen, nicht, weil er als Jurist mikgearbeitet
hak, sondern weil er sein Work von der Hilfe
des Staates zur Selbsthilfe der Kirche durch
tatkräftige Mitarbeit wahr gemacht hat.
Die SnmLzüge res Verfajjungswerkes
* Berlin, 12. Juli. (Eig. Meldg). lieber
die Grundzüge der Verfassung der Deutschen
Evangelischen Kirchs wird uns von unterrich-
teter Seite folgendes mikgeteilt:
Die Deutsche Evangelische Kirch« ist keine
Staakskrirche. Alle Befürchtungen, dass der
Staat eine Oberhoheit über die Kirche und
ihr Bekenntnis aufrichken könnte, sind durch
den Gang der Ereignisse und aus dem klaren
Wortlaut des neuen Verfassungswerkes wi-
derlegt. Die Eigenständigkeit der reformato-
rischen Bekentnisse ist vielmehr verfassungs-
mäßig gesichert, lieber dem Bekenntnis steht
als einzige Autorität das Evangelium, wie es
in der Heiligen Schrift bezeugt ist.
Das neue Verfassungswerk ist eine Rah-
menverfassung, die in ihren einzelnen
Teilen noch ausgefüllk werden muss. An der
Spitze der neuen Kirche steht als Führer ein
Reichsbischof, der dem lutherischen Be-
kenntnis angehören muß.
Das Führerprinzip, welches im
Reichsbischofsamk Gestalt gewinnt, wird er-
gänzt durch die Mitwirkung des Kirchenvol-
kes, die in der Nakionalsynode ihren Aus-
druck findet, die dem Grundsatz entspricht,
auch die äusseren Formen der Deutschen Evan-
gelischen Kirche gemäss dem neuen Testament
Zu gestalten.
Neben den Reichsbischof tritt das Geistliche

Anträge aus Ernennung
von Staatsräten zwecklos
* Berlin, 12. Juli. Der Amtliche Presse-
dienst keilt mit: Der Ministerpräsident Gö-
ring wird ununterbrochen mit Briefen und
Telegrammen bestürmt, die Vertreter aller
Möglichen großen und kleinen Organisationen
Zu Skaatsräken zu ernennen. Es ist vollkom-
men zwecklos, sich in der Angelegenheit an
den Ministerpräsidenten zu wenden, da der
Ernennung von Skaatsräken eingehende Be-
sprechungen im Ministerrat vorangehen. Es
scheint noch nicht ganz verstanden worden zu
sein, daß es sich bei den Skaatsräken um die
nächst der Skaatsregierung höchsten Stellen
bandelt, und die Berufung in den Staatsrat
die höchste Auszeichnung ist, die der Minister-
präsident vergeben kann.

Ministerium, das den Bischof in der Leitung
E Kirche unterstützt. Es besteht aus drei
Theologen und einem rechtskundigen Mit-
glied.
Die drei theologischen Mitglieder vertre-
ten die drei Beksnnknisgruppen der Kirche,
die lutherische, die reformierte und die unierte.
Das reformierte Mitglied des Ministeriums
wird in allen Fragrn, die die Wahrung und
Pflege seines Bekenntnisses angehen, anstelle
des Aeichsbischofs handeln.

die Nationalsozialisten in den Kirchenparla-
menten die überwältigende Mehrheit, man
rechnet mit 70 bis 80 Prozent, erhalten wer-
den. Als Endtermin des Reformwerkes hak
man den 10. November, den 450. Geburtstag
Luthers, vorgesehen. Bis zu diesem Zeit-
punkt dürfte auch die Aeichsbischofsfrage end-
gültig gelöst worden sein.
Der AttMamler
an Wehrkreispfarrer Müller

Da öie neue Deutsche Evangelische Kirche
keine Staatskirche ist, enthält die Kirhenver-
fassung keinen Arierparagraphen. Der Arier-
paragraph betrifft völkische Nokwenüigkeiten,
die Verfassung des neuen Kirchenministeriums
ist vom Evangelium her durch evangelische
Notwendigkeiten bestimmt. Das schliesst nicht
die Abwehr artfremder Einflüsse, besonders
innerhalb der kirchlichen Führung aus. Aber
diese Abwehr betrifft den theologischen Füh-
rernachwuchs, jedoch nicht die Gliedschaft der
Gemeinde Christi. Die Frage der Arkgemäss-
heit der kirchlichen Führung wird nicht durch
die Verfassung bestimmt, sondern durch die
Regelung des theologischen Nachwuchses.
Zur Zeit ist man damit beschäftigt, in den
Entwurf noch einige Einzelbestimmungen ein-
zugliedern, die sich in erster Linie uf die
Gestaltung der kirchlichen Verbände sowie der
inneren und äußeren Mission beziehen. In
den nächsten Monaten soll dann ins re.
atonale Neugliederung der evan-
gelischen Kirche in die Wege geleitet werden.
Im Verfolg dieses Neuaufbaues werden dann
gleichzeitig die Kirchenverkrekungen gleichge-
schalket werden. Es ist damit zu rechnen, daß

* Berlin, 12. Juli. Reichskanzler Adolf
Hitler hak an Wehrkreispfarrer Müller das
nachstehende Telegramm gerichtet:
„Mit Freude habe ich von der Vollendung
des Verfassungswerkes Kenntnis genom-
men. Möge damit die Grundlage für die
Einigkeit und Freiheit der Evangelischen
che geschaffen sein.
Reichskanzler Adolf Hitler."
WeWreispfarrer Müller
über die Aufgaben Ser Kirche
-X- Berlin, 12. Juli. (Eig. Meldg.) Wehr-
I Kreispfarrer Müller sprach heute abend über
den Deukschlandsender über die neuen Auf-
gaben der Kirche und des Kirchenvolkes. In
dieser neuen Deutschen Evangelischen Kirche,
führte er aus, muß neues Leben pulsieren.
In dieser Kirche soll der Mann aus dem
Volke wieder spüren, dass er Kamerad ist un-
ter Kameraden, Mensch unter Menschen, dass
wir zusammengehören. Treue, einfache
Pflichterfüllung, der Wille zur Klarheit und
Wahrheit soll der Wille unserer Kirche und
l unseres Volkes sein.

Der Marineminifler über die Stärke Ler jranMchen Flotte

X Paris, 12. Juli. Während eines Essens
im republikanischen Club hat der Minister
Leygues nach der „Ere Nöuvelle" u. a. er-
klärt, daß die französische Kriegsmarine den
Wettbewerb mit den mächtigsten Marinen der
Welk aufnehmen könne.
„Ob es sich um Torpedoboote, Torpedo-
bookszerstorer, U-Boote, leichte oder schwere
Kreuzer handelt — Frankreich besitzt Schiffe,
die den Schiffen Amerikas, Englands und
Japans gleichwertig, wenn nicht überlegen
sind. Für die Panzerschiffe werden wir bald
die „Dünkirchen" haben, die von den aus-
ländischen Admiralstäben schon seht als das
mächtigste „Capital Ship" bezeichnet wird.
Ihre Schnelliakeik von 33 Knoten, ihre Be-
stückung mit 30,5 und 35 cm. Geschützen wird
sie zu einer wahren Königin der Meere ma-
chen."
Wenn der zuständige Minister solche Er-
klärungen abgibk, ist die so oft wiederkehrende
Angst der französischen Oeffenklichkeik vor der
Ueberlegenheik der weit oder nah entfernen
Nachbarn über das schwergerüsteke Frank-
reich nicht ganz verständlich.
-O-
Orbnung und AeMsMerlielt Voraus-
jetzungen für WirWaftsauMeg
Eine Besprechung im Reichswirtschaftsmini-
sterium.
Berlin, 12. Juli. Unter dem Vorsitz
des Aeichswirkschaftsmknisters Dr. Schmitt

fand am 12. Juli nachmittags im Aeichswirk-
schaftsminiskerium eine Besprechung mit den
Leitern der Wirtschaftsressorks der Länder
stakt. Der Reichswirkschafksminister wies dar-
auf hin, daß nunmehr mit aller Entschieden-
heit praktisch stchergeskellt werden müsse, daß
die Wirtschaftspolitik allein und unter aus-
schließlicher Verantwortlichkeit des Rerchs-
wirkschafksministers und der Wirlschaftsmim-
ster der Länder, soweit letztere zuständig sind,
geleitet wird. Er betonte, dass es vor allem
darauf ankomme, daß die Wirtschaft in jeder
Hinsicht stabil und sicher geführt werden müsse
und daß Ordnung und Rechtssicherheit die
unerläßlichen Voraussetzungen für eine er-
folgreiche Führung der Wirtschaft und für
eine tatkräftige Förderung des unverkennbar
beginnenden Aufstieges der Wirtschaft seien.

»Gras seppeUa"
km Srkmachafr«
! Friedrichshafen, 12. Juli. Das Luftschiff
„Graf Zeppelin" ist von seiner Südamerika-
fahrt zurückkehrend am Mittwoch um 20.10
Uhr unter Führung von Kapitän Lehmann
auf dem Werfkgelände glatt gelandet. An
Bord befanden sich 18 Passagiere. Während
das Luftschiff in die Halle eingebrachk wurde,
stimmte eine grosse Zuschauermengs das
Deutschlandlied an.

Sie Men Taten kleiner Männer
<-» Die Ankündigungen des bayerischen Rund-
funks, künftighin wöchentlich mehrmals über die
österreichischen Verhältnisse Vorträge zu veran-
stalten, hat bei allen deutschbewußten Menschen
in Oesterreich, also beim Großteil der Bevöl-
kerung, Hellen Jubel und Begeisterung ausgelöst.
Hinzu kommt noch der Aufruf des Landesinspek-
teurs für Oesterreich, Theo Habicht, der zwei-
fellos den ungeschwächten Kampfmut der öster-
reichischen Nationalsozialisten unerhört gestei-
gert hat, Die Wut der herrschenden Machthaber
in Oesterreich über diesen Aufruf der NSDAP
ist entsprechend groß.
Trotz der vergangenen, bereits der Geschichte
angehörenden Ereignisse der letzten Zeit in
Deutschland und in Danzig, haben die Metter-
nichschen Nachfahren nichts gelernt. Mit den
lächerlichsten Verboten glauben sie eine große
Volksbewegung unterdrücken zu können. So ist
heute bereits in einigen Gegenden Oesterreichs
das Grüßen mit erhobener Hand verboten. Es
wird als parteipolitische Betätigung mit schwe-
ren Strafen belegt. Das Gleiche gilt von dem
Gruße „Heil Hitler!". Alle schwarz-weiß-roten
Fahnen wurden in anderen Gegenden wieder
verboten, gleichgültig ob man sie als schmales
Bändchen am Rock trug, oder ob sie nm K.ühler
eines Autos befestigt...warm«. In Waydhsj^l >'-ot
eine besonders üble Systemkreatur sich den blö-
den Witz geleistet und das Tragen von Bier-
flaschenkapseln am Rock als staatsgefäbr-
liche Handlung mit schweren Strafen belegt.
Dafür kann man jeden Tag in den Zeitungen
lesen und die österreichischen Minister verkünden
es täglich im Radio, daß es Oesterreich von Tag
zu Tag besser gehe, daß die Wirtschaft einen
neuen Aufschwung nehme, daß Dollfuß der ge-
nialste Staatsmann und Liebling Europas sei,
der Oestereich vor dem Untergange gerettet babe,
daß die „Vaterländische Front" die mächtigste
Volksbewegung aller Zeiten sei und ähnlichen
Kohl mehr. Von ein paar Kerzelweibern, pen-
sionierten Hofräten und sonstigen Mummelgrei-
sen abgesehen, glaubt kein vernünftiger Mensch
diese täglich immer wieder neuverkündeten Lü-
gen. In Wirklichkeit sieht es leider
mit der österreichischen Wirtschaft
mehr als traurig aus.
Jeder Tag zeigt neu wie verbrecherisch di«
Handlungsweise der österreichischen Bundes-
regierung gegenüber dem Deutschen Reiche
war. Länder wie Kärnten, Salzburg, Tirol,
die gänzlich vom Fremdenverkehr abhängig
find, habe« tzmer fast Überhaupt keine«
Fremdenverkehr aufzuweisen.
Die Hotels stehen leer und die Bevölkerung
ist zur Untätigkeit und zum Hungern verurteilt.
Für alle diese Erscheinungen ist allein die der-
zeitige österreichische Bundesregierung voll und
ganz verantwortlich und Gnade Gott den Män-
nern, die dies verbrochen haben, wenn eines Ta-
ges die erwachte Nation Rechenschaft fordern
wird. Die Staatskassen sind leer, die Regierung
weiß von heute aui morgen nicht, wie sie die lau-
fenden Auslagen bezahlen soll.
Es ist heute so weit hinsichtlich der Finanz-
gebaruug des Bundes, daß die Regierung
ernstlich daran denkt, eine Zwangsanleihe
durchzuführen, um mit deren Erlös die in-
folge der ständigen militärischen Bereit-
schaften auflaufenden hohen Kosten decken zu
können.
Man beabsichtigt daher, den Sparern von
sämtlichen Spareinlagen §5 Prozent als vater-
ländisches Notopfer wrgzunehmen. Dieser unge-
heuerliche Anschlag auf die Bevölkerung wurde
rechtzeitig bekannt. Die Folge davon war daß
beinahe ein Run auf die Sparkassen einsetzte. Ein
Beweis dafür, wie beliebt bei der österreichischen
Bevölkerung die vaterländischen Maßnahmen
der Regierung sind. Die Regierung hat dann
den Plan dieser Zwangsanleihe natürlich de-
mentiert. Jedenfalls war der Erfolg dieses De-
mentis der, daß noch mehr Leute zu den
Sparkassen eilten, um ihre Sparein-
lagen vor den räuberischen Händen
der vielgeliebten Regierung sicher-
z u st e l l e n.
 
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