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Volksgemeinschaft: Heidelberger Beobachter, NS-Zeitung für Nordbaden (3) — 1933 (Juli-August)

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Nr. 190-220 (1. - 31. August)
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von Helene von Keußler.

ganz. In der Stille arbeiteten einzelne tüchtige
Geistliche, einzelne hochherzige Gutsherren und
-Frauen an den ihnen anvertrauten Gemeinden.

Im Anfang des großen Krieges hörte man
nicht selten die staunenden Fragen: „Warum
werden wir" Deutsche so gehaßt?" Im Laufe der
Monate und Jahre wurde man fast daran ge-
wöhnt, daß die Gegner aller Orten durch lügne-
rische Schmähungen das Deutschtum zu verdun-
keln versuchen. So kann es einem kaum wundern,
wenn auch das kleine Lettenvolk wieder an die
Seite der großen Entente tritt und ebenso zu
den vergifteten Waffen greift, die Haß Und Neid
ihm reichen, um durch lügnerische Verleumdun-
gen den deutschen Namen zu beschmutzen.
Durch Gottes Gnade gibt es aber noch Men-
schen, die sich durch dreiste Anschuldigungen nicht
blenden lassen und die sich ein wenig Mühe ge-
ben wollen, das Gold der Mehrheit unter dem
Schutt falscher Worte herauszuholen. In folgen-
dem sollen Tatsachen hingestellt werden, aus de-
nen jeder Denkende klar erkennen kann, in wel-
chem Geist die deutschen Balten am Lettenvolk
gearbeitet haben.

Das AuWMen des EhMentums
Die Reformation gab jedem Laien das Eot-
teswort in die Hand, auch der Lette sollte die
Bibel in seiner Sprache haben. Schon um die
Mitte des 16. Jahrhunderts wurde Luthers
Katechismus ins Lettische übersetzt, dann Lieder
geistlichen Inhalts, die beim Gottesdienst stro-
phonweise vorgesagt wurden, solange das Volk
noch nicht lesen konnte. Auch mit der Schulung
der nichtdeutschen Bevölkerung machte man den
Anfang; Konsistorien und Kirchenvisitationen
befahlen dieselbe — eifrige Geistliche riefen
kleine Schulen ins Leben, Küsterschulen genannt,
weil der Küster den Unterricht erteilte. Edle
Frauen unterrichteten auf ihren Gutshöfen die
lettischen Mädchen. Aber in den wilden Kriegs-
zeiten bei der alten Zerüttung aller Verhältnisse
konnten diese Bestrebungen nicht zu rechtem Le-
ben gedeihen, nur wenigen konnten sie zum Se-
gen gereichen. Dagegen gelang eine andere große
Arbeit zum Segen des Volkes. Im Jahre 1685
vollendete Probst Glück zu Marienburg in Liv-
land die Uebersetzung der Bibel ins Lettische. In
der Freude über dies Gelingen pflanzte er vor
sein Haus eine Eiche, die noch heute ihr Gezweig
über die niedrigeren Gartenbäume reckt.
Als nach jahrhundertelangem Ringen Polen
und Schweden darniederlagen und Rußland im
Rystädter Frieden (1721) den Besitz von Livland
antrat, (nach dem Fall Polens 1795 unterwarf
sich Kurland freiwillig dem russischen Szepter)
da atmete das schwergeschädigte und verwüstete
Land auf — die friedliche Arbeit wurde wieder
ausgenommen und jeder durfte die Früchte seines
Fleißes genießen.
Peter der Große bestätigte die deutsche Ver-
fassung des Landes mit all ihren Privilegien —
Livland war eine deutsche Provinz unter russi-
scher Hoheit geworden. So nennt noch Nikolaus I
1850 die baltischen Länder

AuMwum des LeuWm OMtESens
im 18. Jahrhundert schlug seine Wellen bis an
die baltischen Gestade. Was die deutschen Dichter
sangen, ihre Denker lehrten, ward mit Begeiste-
rung und glühender Freude ausgenommen. Man
wollte in Livland nicht hinter der Humanität
des Zeitalters Zurückbleiben, sondern durch Ta-
ten sich des deutschen Namens wert erweisen. Noch
hatte das deutsche Herrenvolk die Verwaltung
der baltischen Lande in seinen Händen. Die Rit-
terschaften besserten und hoben die Zustände in
ihren Landschaften, soviel in ihrer Macht lag.
Auf dem Landtag von 1817 hob die kurische Rit-
terschaft die Leibeigenschaft der Undeutschen auf
(d. h. die Hörigkeit mit dem ganzen Gefolge von
Frondiensten) und ebnete der Bauernschaft den
Weg zum Besitz des Landes. Einige Jahre später
folgten die Ritterschaften von Livland und Est-
land dem Beispiele Kurlands. — In Rußland
geschah die Aufhebung der Leibeigenschaft erst
im Jahre 1862.

die Nehrung, die von See und Haff bespült
wird. Don diesem wundervollen Fleckchen
Erde hat schon mancher Dichter und Maler
geschwärmt. Bei Nidden sind wir wieder an
der Grenze des kleinen Ländchens angeiangt.
Der Dampfer fährt weiter, der deutsche Me-
melländer aber darf nicht mit. Nur für
teures Geld kann er sich ein Visum erstehen.
Darum schnell ein letzter Gruß den treuen
deutschen Kämpfern und das Versprechen:
Wir vergessen euch nicht!

ren diesmal mit dem Dampfer. Also hinun-
ter zum Hafen.
Wenig Schiffe liegen am Kai, wenig Le-
ben, Sandel und Verkehr sind nicht mehr wie
rüher. Di« Holzflößerei hat aufgehört. Ein
chmuckes Schiff nimmt uns nun auf und
ährt längs der Kurischen Nehrung durch das
Kurische Haff. Vorbei geht es an den herr-
lichen Badeorten Schwarzork und Nidden.
Uralte Wälder, in denen noch der Elch frei
lebt, endlose, weihe Dünen erstrecken sich über

Die Errichtung der Schulen
Auch zur Teilnahme am geistigen Leben soll-
ten die Nichtdeutschen geführt werden. In den
Jahren 1820 — 49 herrschte in ganz Livland re-
ges Leben auf allen Gebieten. Auf den Land-
tagen wurden Schulordnungen, Schulgesetze und
Revisionen ausgearbeitet, die im Jahre 1849
ihren Schlußstein erhielten in der Verfügung,
daß jedes Kind im Alter von 9 bis 12 Jahren
die Schule zu besuchen habe (die Kenntnis des
Lesens und der Hauptstücke des Katechismus
mußte es bereits mitbringen). Währendessen wa-
ren auf dem ganzen Lande bis in den letzten
Winkel hinein schmucke geräumige Schulhäuser
erbaut worden. Dabei ging es so zu: Der Guts«

Vernichteten hie HMchen DeMchen Sas
Volkstum her Letten?

Herr schenkt« das Land und das Baumaterial und
bezahlte den Baumeister zum Erbauen der
Schule, die bäuerliche Bevölkerung stellte die Ar-
beiter zum Bau und führte das Material an.
Die Besoldung des Lehrers geschah auch zum
großen Teil durch den Gutsherrn.
Diese ganze Tätigkeit war nicht von der russi-
schen Regierung angeordnet worden, sondern
ging aus dem freien Willen der leitenden deut-
schen Gesellschaft hervor. Die Gesetzesentwürfe
der Landtage bedurften der Bestätigung und
erhielten sie in Petersburg. Die Schulen standen
— wo nun aber die Lehrer hernehmen?
Die Ritterschaften bauten Seminare zur Er-
ziehung von Lehrern und ließen talentvolle Schü-
ler in Deutschland zum Lehrerberuf ausbilden.
Das Lettenvolk ist bildsam und strebsam; die
dargebotenen Vildungsmittel wurden mit Eifer
benutzt und mit wunderbarer Schnelligkeit er-
klomm das bisher ganz unkultivierte Volk die
erste Staffel der Bildung. 2m Jahre 1880 gab
es in Lettland weniger Analphabeten als in
Deutschland.
Wie nun das Bildungsbedürfnis befriedigen?
Es gab so wenig lettische Bücher. Der hochange-
sehene, in Ruhestand versetzte Prof. Dr. Ull -
mann trat mit anderen einsichtsvollen Män-
nern zusammen und gründete in Riga im Jahre
1846? die „Lettisch-literarische Gesellschaft", zu der
allmählich die meisten Geistlichen Livlands und
Kurlands gehörten; der Zweck war: dem Letten-
volk gute Bücher in der eigenen Sprache zu bie-
ten. Es wurden Zeitschriften ins Leben gerufen;
viel gute deutsche Bücher ins Lettische übersetzt
und zur Auffassung original-lettischer Bücher
wurde angeregt. Präses dieser Gesellschaft war
Jahrzehntelang der hervorragende Gelehrte Pa-
stor Dr. Vielenstein.
Als junger Geistlicher kam er von Deutschland
nach Kurland und wurde als deutscher Pastor
in der kleinen Stadt Doblen angestellt. Die kleine
Gemeinde ließ ihm viel Zeit zur Verfügung; er
wandte seinen Studieneiser, seine Liebe der Er-
forschung der lettischen Sprache und Geschichte
I zu. Er zuerst stellte mit wissenschaftlicher Be-
gründung eine lettische Grammatik zusammen;
er sammelte Volkssagen und Lieder und genoß
einen großen Ruf als bester Kenner des Letten-
tums.
Das Jahr 1905 brachte die
LettWe Revolution
Ein wilder Haufe drang in Dr. Bielensteins
Pfarrhaus ein; der ehrwürdige Pastor wurde
vertrieben, und rettete mit seiner Großtochter
nur das nackte Leben. Die wütenden Barbaren
warfen den ganzen Hausrat zertrümmert hinaus
zündeten ein lustiges Feuer damit an und du
ganze Bibliothek des Pastors mit all den kost
baren unersetzlichen Schriften und Monographie.
! das Lettentum betreffend ging in Rauch auf.
Das war der Dank der Letten einem ihrer
edelsten Freunde und Wohltäter gegenüber. —
Bielenstein verlebte den Rest seiner Tage in
Riga, umgeben von Kindern und Freunden. Die
Vernichtung seines Lebenswerkes trug er als
Christ. Er verzieh den Rasenden, Verblendeten,
und hörte nicht auf, das Lettenvolk zu lieben
und für dasselbe zu beten.

..Meine SeuWen Rrovinzen"
Die Beziehungen zwischen Livland und
Deutschland wurden fortdauernd aufs wärmste
gepflegt. Sie waren nicht politischer Natur, son-
dern bezogen sich auf den Handel und auf den
Austausch geistiger Güter; in letzter Beziehung
war Livland natürlich der Empfangende. Der
große

Deutschland, du weites, großes Land! So i
weit und groß, daß der Süddeutsche den i
Volksgenossen im Norden kaum noch ver-
steht. Die Unterschiede zwischen dem Schis- I
fer an der Wasserkante und dem Weingärt-
ner in den Bergen sind groß. Das Einigende
ist unser deutsches Vaterland. Auf dieses kön-
nen wir jetzt wieder stolz sein, und die tren-
nende Kluft ist beseitigt. Nord und Süd, Ost
und West sollen sich nicht mehr bekämpfen,
sondern sie sollen sich gegenseitig kennen und
stützen lernen. — ...
Deutschland: Von der Maas bis an die
Memel. 3a wer weiß es, daß unser Dichter
in dieser Zeile des Deutschlandliedes .lgent-
lich einen Fehler begangen hat? Deutsch-
land reichte ja weiter als bis an die Memel;
es ging hinauf bis zu dem Orte Nimmersatt,
wo dann das russische Reich begann. Durch
den Versailler Vertrag aber ist — leider! —
der Fehler im Deutschlandlied berichtigt und
der Memelfluß zur deutschen Grenze gewor-
den. Damit aber ist unserem Vaterlands ein
kerndeutsches Gebiet mit der alten Hafenstadt
Memel entrissen worden.
Süd und Nord will sich kennen lernen
und einander näher kommen. Besuchen wir
also heute einmal im Geist unsere Volksge-
nossen im Memelgebiet, das jetzt unter li-
tauischer Oberherrschast besteht. Der Zug
bringt uns nach Berlin. Weiter rollt er zum
Bahnhof Friedrichsstratze hinaus in Richtung
Königsberg. Es ist Nacht. Das ist gut so,
denn man kann schlafen und braucht nicht zu
sehen, wie bald aus den Bahnhöfen polnische
Beamte stehen, polnische Namen die Bahn-
station bezeichnen. Durch den Zug gehen pol-
nische Schaffner. Niemand darf aussteigen,
die Türen sind versiegelt! Wir fahren durch
deutsches Gebiet, das von den Polen besetzt
ist, durch den sogenannten „polnischen Korri-
dor". — Wenn wir am Morgen aüfwachen,
sink wir wieder auf deutschem Gebiet. Durch
die wahnsinnige Grenzziehung ist dieses Ost-
preußen wirtschaftlich vollkommen gelähmt.
Nur die Hoffnung auf eine bessere Zukunft
läßt dis Menschen zäh ausharren. Don Kö-
nigsberg ist es nur noch eine kurze Strecke
und wir befinden uns endgültig an der
Grenze Deutschlands. Wir sind in Tilsit
an der Memel. Zum letzten Male sehen
wir deutsche Uniformen, dann geht es über
die große Eisenbahnbrücke, und drüben emp-
fängt uns der litauische Zollbeamte. Fremde
Laute klingen an das Ohr, wir sind in Li-
tauen. 3n langsamem Tempo fährt unser Zug
durch weite Felder und Wiesen. Ueberall not-
leidende Landwirtschaft, der das Absatzgebiet
genommen ist. Schon winken von ' ns die
Kirchtürme und Fabrikschornsteine alten
Seestadt, wir fahren in den Bahnyck von
Memel — jetzt Klaipeda genannt — eia, de-,
vorläufigen Ziel, und wollen einen kleinen
Bummel durch das Städtchen machen. 40 000
Einwohner etwa hat es. Die Zahl ist nach
dem Kriege durch Einwanderung aus Li-
tauen gestiegen. Wir verlassen den Bahnof,
der — wie Zoll und Post — dem litauischen
Staat« unterstellt ist. Die Hautpeinnahme-
quellen sind damit dem Memelgebiet genom-
men worden. 3n Len Straßen merkt man an
den Firmenschildern, daß der deutsche Kauf-
mann und Handwerker noch vorherrschend ist.
Aber es wird überall mit Macht litauistert.
Neben dem Bahnhof sehen wir das litauische
Cfhmnasium, etwas weiter erheben sich die
Neubauten des litauischen Kranken- und
Schützenhauses. Auf der Straße hört man
schon viel litauische Sprache, denn alle Staats-
beamte sind litauischer Herkunft. 3n unseren
deutschen Schulen ist die litauische Sprache
Pflichtfach. Auf dem Wege durch die Stadt
kommen wir an der Post vorbei, in der einst
Königin Luise auf ihrer Flucht gewohnt hat.
3n unmittelbarer Nähe befindet sich das Gou-
vernement. Hier hak der Gouverneur des
Memelgebieks, der Vertreter des litauischen
. Staates, seinen Sih. Wir gehen weiter und
sehen mit trauerndem Herzen gestürzte deut-
sche Nationaldenkmäler. 3n dunkler Nacht
während des Belagerungszustandes sind die
Kiguren von ihrem Sockel herniedergerissen
Porden. Die Täter hat man nicht ermittelt!
Machen wir uns nun einmal mit den Be-
wohnern der Stadt bekannt. Wie leben sie,
wie geht es ihnen? Sie sind echte Deutsche
und lassen sich durch keinen Schicksalsschlag
entmutigen. Der Kampf um die Existenz ist
schwer, dennoch hak der Memelländer noch ge-
nügend Kräfte für seinen Kampf um die ver-
brieften Rechte.
Das Memelgebiek ist ein autonomer Staat,
und es wird das Letzte darangesehk, daß kein
Paragraph der Autonomie verletzt oder miß-
deutet wird. 3m Landtag haben die Deut-
schen noch die Majorität. Die Verwaltung
der Stadt liegt noch in deutschen Händen.
Mahlen beweisen immer wieder überzeugend,
daß sich der Deutsche nicht litauisieren läßt.
Wie lange noch wird dieser zähe Kampf dau-
ern?. Wer wird endgültig siegen? Die ein-
zige Hoffnung aller Memelländer bleibt:
Deutschland, unser Vaterland, vergißt uns
nicht!
LM-trete? ' -Rückreise an und fah-

Bücher-Ecke.
Des deutschen Dichters Sendung in der
Gegenwart.
Herausgegeben von Hochschulprofessor Dr.
Heinz Kindermann. Mit einem Geleitwort
von Staatskommissar Hans Hinkel. Philipp
Reclam jun., Verlagsbuchhandlung, Leipzig
Geheftet RM. 4.50, in Ganzleinen RM. 6.50.
Die Führer der nationalen Revolution haben
mit Recht die volksverbundenen deutschen Dichter
zur Mitarbeit am Neubau der deutschen Volks-
kultur aufgerufen. Denn viele dieser volkstreuen
Gegenwartsdichter haben in heißem Bemühen
seit Jahr und Tag den Werdegang der neuen
„Volkheit" begleitet und die seelische Bereitschaft
für die nationale Wiedergeburt vorbereiten ge-
holfen. Lange genug wurden std totgeschwiegen
oder verlacht von Kritikern, die zu ihrem Volk
keine Beziehung hatten. Nun aber dürfen sie aus
dem Schatten treten und sich laut und vornehm-
lich zu ihrer „Sendung" im Aufbruch der Nation
bekennen. Der Verlag Reclam in Leipzig, von
jeher ein Förderer volksdeutscher Dichter, in des
sen Universal-Bibliothek viele Mitarbeiter diese-
Buches mit charakteristischen Werken vertrete;
sind, hat sich mit dieser Veröffentlichung ein bc
sonderes Verdienst erworben.
Selten haben sich so verschiedenartige Geiste
und Stimmen (in dieser Perschiedenartigke
liegt ja der große Reichtum auch der nationa
deutschen Ecgenwartsdichtung) zu einem so re
nen Akkord des Volksbekenntnisses zusammen z-
funden, wie diese von Heinz Kindermann gefüh;
ten Dichter, deren Werk wahrhaftig ein mach
volles Fundament gibt, auf dem die Kunst Uu
Kultur des neuen Deutschland weiter zu baue
vermag. Es ist ein besonderes Verdienst des He
ausgebers, daß er diesen Chor zum Klingen ge
bracht hat, und daß er uns mit seinem Nack,
wort nicht nur den tieferen Sinn all der V;
kenntnisse erschloß, sondern uns auch zugleich er
mahnte, nach Tagen der notwendigen Verne;
nung gegenüber Zersetzend-Undeutschem nun auch
das Beglückend-Pofitive zu erkennen, das uns in
! so reichem Maße schon heute zu Gebote steht.

Die GeWAe der BeMSelung
700 Jahre lang wohnten und walteten die
Deutschen als das Herrenvolk in den eroberten
baltischen Landen. In diesem Umstand wird
wohl die Wurzel von Neid und Haß des Letten-
volkes gegen das Deutschtum zu suchen sein. Aber
erst durch das Einsetzen panslavischer Bestrebun-
gen ist die böse Wurzel gekräftigt und genährt
worden, daß sie in den letzten 50 Jahren mächtig
emporschoß und sich ausbreitete.
In den finsteren Jahrhunderten des
MtielMers
lebte die nichtdeutsche d. h. bäuerliche Bevölkerung
in dumpfer Stille dahin, sie gehorchte und arbei-
tete, hatte ihr Auskommen und ergötzte' sich
heimlich an abergläubischen Gebräuchen und
heidnischen Zauberformeln. Die Letten waren
nicht Leibeigene der Herren wie in Rußland, son-
dern Hörige, vom eingesessenen Boden nicht zu
trennende Leute; ihre Abhängigkeit hatte also
die mildere in Westeuropa übliche Form. Wie
wenig freie Bauernschaften gab es im Mittel-
alter! Die Letten hatten es nicht schlechter, als
die Bauern anderer Länder. Der wohlwollende
Herr übt seine Herrschaft in patriarchischer Weise
aus, nur bei rohen Herren kamen Gewaltaten
und Bedrückung vor, das soll weder geleugnet
noch befchönt werden. Aber die Zeit brachte das
mit sich — in Frankreich so gut wie in Lettland.
Die Mormaiion
brachte neues Leben, und große Umwälzungen im
Valtenland waren in ihrem Gefolge. Der
Schwertbrüderorden, der eigentliche Machthaber
des Landes schloß sich auf — die Einheit der
drei Lande zerfiel. Der letzte Meister des Or-
dens, Gotthard Kettler, empfing das Herzog-
tum Kurland als Lehen von Polen. In der Ver-
waltung des Landes behielt er volle Freiheit.
Nach deutschem Gesetz in hergebrachter Weise
wurde Gericht gehalten und die deutsche Sprache
bei Hofe und in den wenigen Kirchen und Schu-
len gepflegt. Als rechter Landesvater nahm sich
Gotthard auch der Geringen im Lande an. Er
gewahrte, daß die lettische Bevölkerung in großer
Unwissenheit und schier heidnischen Aberglauben
dahin lebte, dem sollte abgeholfen werden, das
Licht des Evangeliums war auch für die Un-
deutschen da. Gotthard berief seine Ritter und
Landstände und machte sie willig, bei der Christi-
anisierung des Landvolkes mitzuhelfen. Während
der Regierung Gotthard Kettlers sind in Kur-
land 113 Kirchen und Kapellen gebaut worden;
für jede Kirche wurde auch ein Pastorat gestiftet
und ausgestattet. Die angestellten Geistlichen wa-
ren deutsche Männer, verpflichtet aber, den Let-
ten in ihrer Sprache zu predigen und sie ins
Evangelium einzuführen. Mit mehr oder weni-
ger Eifer ist dies geschehen. Das in Kurland ent-
fachte Christentum trug dem Lande einen Bei-
namen „Eottesländchen" ein.
In den anderen baltischen Ländern ging die
Christianisierung des Landvolkes auf ähnliche
Weise, wenn auch langsamer vor sich.
Von der Mitte des 16. bis zum Anfang des
18. Jahrhunderts wurden die drei Landen hin-
eingezogen in die großen grausamen Kriege der
nordischen Mächte Schweden, Rußland, Polen.
Alle Entwicklung stockte, viel blühendes Leben
ging unter. Doch erlosch das geistliche Leben nicht

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