welker aaszudehnen sucht. (Aufschlußreich «in
Sonderheft von „Debreceni Szemle" über die
Beziehungen Frankreich-Ungarn.) Eine Front
der nationalsozialistischen Staaken Europas
muß aber neben der Beseitigung der Pariser
Borortsverkräge auch den Kampf aufnehmen
für eine Erneuerung der Kultur gegen den er-
starrten westlichen Geist.
Darum, Deutsche, pflegt jede persönliche
und weikergreifende Beziehung mit ungari-
schen Menschen. Dieses Bolk kann — das
beweist auch seine noch nicht genügend be-
kannte Literatur — noch wertvoller Kulkur-
faktor in Europa werden. Seine Kräfte sind
weder verbraucht noch verdorben.
Litt clie^torise^es
an die jüngere Generation des Heidelberger
Almanachs richtet Herbert Hassencamp, der
Autor des „Requiems" vom 1. Leseabend des
Heidelberger Kulkurkreises; er schreibt:
Ich empfinde es durchaus als Auszeich-
nung, unter meinen jüngeren Brüdern — zu
sein. Musin von vor zwanzig Jahren rauscht
auf aus dieser Studentenlyrik, ich wäge sie
nicht, die einzelnen Bersbilder, ich höre nur
hin von innen aus: es ist die alte Laute noch,
es ist der Jugend ewiges Herz, erwachsen un-
ter diesen Himmeln, an diesen Ufern, in die-
sen Gärten.
Jedem Einzelnen möchk' man die Hand ge-
ben, ihm über den Scheitel streichen und sa-
gen: Bursche, forcht dich nik, sag dein Sprü-
chel und leil's uns mit. Der Teufel soll euch
holen, wenn ihr schwächer wär't als die Ge-
neration, deren Blut die fremde Erde düngt.
Es ist ein Ros entsprungen für uns aus die-
sem Blut.
Laßt euch wie wir niemals enttäuschen, denn
euer ist das Land, das Erbgut der Bäker. Der
eigentlichste Besitz, — das sind innere Kräfte.
Den ganz hellblonden Glauben, den ich mit 18
Jahren hatte, — er hat mich bis heute nie ver-
lassen, er, er war der stärkste Schild zwischen
Skepsis, Naturalismus, Krieg, Not, Umsturz,
Inflation, Zusammenbruch. Er war das Stärk-
ste, dies Zarte, Blonde, tief Unpraktische, dies
Schwächste, es war das Stärkste, war auf die
Dauer das einzig Reale in einer Welt des
Scheins. Brüder, fürchtet euch nicht! Hört
ihr: Niemals!
Welken sahen wir kommen und gehen,
Fanfaren klingen der neuen Zeit, — Freunde,
gebt die Laute:
„... im gleichen Schritt und Tritt."
Und Losung und Feldgeschrei:
Deutschland von Herzens Grund!
Bo» der TH. Darmstadt.
Unter dem Rektorat ihres ordentlichen Pro-
fessors Dipl.-Jng. Dr. Thum hat die Technische
Hochschule zu Darmstadt auf einstimmigen
Antrag der Abteilung für Maschinenbau durch
Beschluß von Rektor und Großem Senat Herrn
Wilhelm Kissel, Direktor der Daimler-Benz-
Werke in Stuttgart-Untertürkheim, in Anerken-
nung seiner umfassenden organisatorischen Ar-
beiten und seiner hervorragenden Verdienste um
die technische Förderung des deutschen Kraftwa-
genbaues die Würde eines Doktor-Ingenieurs
ehrenhalber verliehen.
Mtt«o'ch, r.ü K AÄuft MX
/?ssc/s/v
Vorbemerkung der Schriftleitung: Der
Verfasser des folgenden Artikels, Pg. Hans
Herbert Reeder, hatte anläßlich einer Reise
nach Ungarn, die vor wenigen Wochen er-
folgte, Gelegenheit, die Zustände, die zur
Zeit in den Donaustaaten Oesterreich und
Ungarn herrschen, zu studieren. Auch nahm
er dabei persönliche Fühlung mit Vertre-
ter der ungarischen Studentenschaften und
mit dem Führer der Nationalsozialisten in
Budapest, Victor von Helbig. Es ist natürlich
unmöglich, in einem „kurzen Blick" alles und
zwar ausgiebig zu streifen, was zu sagen wäre.
Vielmehr will die kurze, interessante Be-
trachtung nur blitzlichtartig in kulturelle
und politische Probleme hineinleuchten, die
heute ganz Europa interessieren.
Ohne Aufenthalt durch Oesterreich!
Leere Bahnhöfe! Blick auf menschenarme
Städte, denen Fremdenverkehr einziger Ber-
dienst war. Geschlossene Hotels. Keine freu-
digen Gesichter! Oft jedoch ein heimliches,
ängstliches Erwidern des Hitlergrußes und in
Len Blicken ein stummes Fragen und Bitten.
Wien scheint eine ruhige, allzu ruhige
Stadt geworden zu sein. Man merkt: hier sind
Gummiknüppelattacken einzige Abwechslung.
Ohne freundlichen Gruß verläßt der Damp-
fer die Donauanlegestellen.
Ungarn empfängt Deutsche.
Flußabwärts: Oesterreich—Tschechoslowa-
kei-Ungarn, endlich Ungarn; erst nur auf ei-
nem Flußufer, später auf beiden Seiten.
Eine tschechoslowakische Anlegestelle wird
passiert... Neben den schon länger wehenden
rot-weiß-grünen — ungarischen — und schwarz-
weiß-roten Fahnen steigt nun das Haken-
kreuzbanner zum Schiffmast! Deutschlandlied,
Horst-Wessel-Lied, ungarische Nationalhymne!
Echte, hohe Freude der Deutschen; und die
Ungarn ahnen, was heute die Seelen von Mil-
lionen Deutschen bewegt.
Das Flußufer wird gebirgiger. Preßburg-
Bratislava —, jedem Ungarn schmerzliche Er-
innerung! — liegt hinter uns. Burg»n, alte
Städte wechseln. Der Krönungsdom von Esz-
tergom (Gran, Sih des Fürstprimas-Erzbischof
von Ungarn): ein erstes Bild von dem weihe-
und stilvollen Prunk ungarischer Kirchen.
Abend! Flammendes Sonnenscheiden über
den Donaubergen! Seltenes und reiches Leuch-
ten über bewunderter Landschaft!
Mit dem Schwinden des Tages wachsen
die Erwartungen! Die Augen lassen nicht
mehr ab von fernen Lichtern, deren mähliches
Nahen zum Bann wird den Reisenden, die
schon manches gehört haben von der Wunder-
stadt an der Donau — Budapest.
Flimmern auf tausend Fenstern vom Ufer
— in Tälern — an Hängen — auf Gipfeln:
würdiger Rahmen für die gleich Alabaster aus
der Dunkelheit tretende Fischerbastei mit der
Krönungskirche. Seltsames, schönes Nachtbild!
Hoch und hell leuchtet die Zitadelle! Weiß hebt
sich vom schwarzen Grund das Gellert-Denk-
mal ab.
Dom Ufer klingt straff und kräftig das
Deutschland-Lied! Begrüßung durch offizielle
Vertreter ungarischer Behörden! Gleich fühlen
sich Deutsche heimisch! Ein echter, guter Will-
komm! Hier wird «s schöne, freudevolle Tage
geben!
Vielleicht hakte mancher Angst vor des
Balkans Sauberkeitsbegriffen! Ein Tag in
guten Hotels läßt sie schon schwinden: sauber
und angenehm sind wir untergebrachk! Aus-
gezeichnet ist die Küche!' Und der Paprika
wird auch nicht immer so scharf gegessen, wie
ihn die Ungarn lieben — wenigstens nach den
Berichten der „Gut-Unkerrichteten".
Treffliche Führung vermittelt in den näch-
sten Tagen mehr von Budapests Schönheiten
als bildungsbeflissene Folgsamkeit gegenüber
drei Sternchen im Bädeker.
Aus allen Morten der Ungarn aber — ob
offizielle Reden, ob private Gespräche, ob
Antwort auf Erkundigungen bei irgendeinem
Einheimischen — erfährt man, daß die Deut-
schen gerne gesehen sind; aus kleinen und gro-
ßen Diensten ist freudiges und freundliches
Entgegenkommen spürbar.
Europas schönste Stadt!
Als großes Rätsel der ungarischen Haupt-
stadt erscheint zunächst die glückliche Vereini-
gung abendländischer, morgenländischer und
asiatischer Skilelemenke zu sinn- und reizvol-
lem Prunk. Gotische Linien der Architektur,
von maurisch-arabischen unterbrochen — man
möchte fast sagen: ergänzt! — werden mit
bunter und reicher orientalischer Ornamentik
zu einheitlichem Bild gestaltet (Parlaments-
gebäude, Krönungskirche).
Aber solche Bauten sind an den Raum
ungarischen Lebensgefühls gebunden. (Die Fi-
scherbastei zeigt sogar einen eigentümlich un-
garischen Stil.) Dem deutschen Besucher wer-
den sie seltener Genuß, selbst bei dem klaren
Bewußtsein, daß in Deutschland solche Ge-
bäude unecht, unsinnig, ja peinlich wirken
könnten. Deutlich empfindet man gerade bei
der Bewunderung der vielen großartigen re-
präsentativen Gebäude Budapests, daß jedes
Volk seinen persönlichen Ausdruck in der
Kunst hat.
Stolz. Stärke und Trauer einer
Nation.
Stolz sind die Ungarn auf ihre Stadt.
Mehr als dieser Stolz beherrscht sie ein un-
bändiges Nationalgefühl, das in tiefster Be-
ziehung zu ihrem religiösen Empfinden steht:
durch die gemeinsame Symbolik der Herrscher-
gestalt deS hl. Stephan, ersten Königs und be-
deutendsten Vorkämpfers, des Christentums in
Ungarn. So sind Kirchenfeste zugleich Natio-
nalfeiertage (am 20. August der St. Stephans-
kag).
Die tiefe Nakionaltrauer um die durch
Trianon entrissenen Gebiete findet überzeugen-
den Ausdruck in verschiedener und eigener
Art: An einem Fahnenmast, der statt eines
Knaufes eine Schwurhand trägt, hängt die
Nationalflagge stets auf halbmast! „Nein,
nein, niemais!" kündet eine Inschrift den Pro-
test gegen schmachvolle Vergewaltigung eines
tapferen Volkes. Aus einem Blumenbeet (eine
Landkarte vorstellend) wird ein Bild deut-
lich von den empörenden Grenzziehungen des
heutigen Rumpfungarns, für dessen Erneue-
rung sich Mussolini einseht. Das Gebet jedes
Ungarn (die Kinder sprechen es in den Schu-
len, auf Tafeln hängt es in den Bahnen)
rahmt dieses eigenartige, seltsam ergreifende
Blumenbeet:
„Ich glaube an einen Gott.
Ich glaube an ein Vaterland.
Ich glaube an eine ewige Gerechtigkeit.
Ich glaube an die Wiederauferstehung
Groß-Ungarns!"
In jedem Kino wird vor den Filmen immer
durch Lichtbild-Landkarten der unvergeßliche
Verlust zum Bewußtsein gebracht. Ein un-
geheuer starker Glaube!
Bettler...
An allen Ecken lungern sie herum: Zi-
geunerjungen, die auf mißtönenden Geigen
Herumkratzen: ein paar Filler! Man gibt und
hat gleich eine ganze Schar schreiender Kin-
der um sich. Und sie sehen verhungert genug
aus; Fetzen, die kaum noch Kleidern ähnlich
sind, hängen an mageren, oft kränklichen Kör-
pern: nicht nur Zigeunerkinder, nein die Gas-
sen Budapests zeigen grauenhaftes Elend, ge-
gen das der Reichtum einiger alter Geschlech-
ter und — zahlreicher Juden seltsam absticht.
In dieser Nation ist das soziale Problem
kaum bedacht, geschweige denn angefaßt! Aber
wer die Ungarn gleich anderen Balkanvöl-
kern Bettler schelten wollte, tut ihnen Un-
recht. Sicher, das Elend treibt mit Zigeuner-
jungen auch hungernde Ungarnkinder und oft
verschämt bittende Mütter. Aber zwang dazu
nicht auch manche die deutsche Not?!
Und doch sind die Ungarn Bettler, meint
der Fremde, der in Hotels, Restaurants, Ver-
gnügungsstätten alle Augenblicke zahlreiche
Hände für Trinkgeld offen sieht. Es soll nicht
auf ähnliche Verhältnisse in anderen europäi-
schen Hauptstädten hingewiesen werden! Aber
kennt man gewisse Verhältnisse im ungarischen
Gastgewerbe (hohe Kautionen der Kellner
u. a.). so entschuldigt man manches.
Komtnt man nun in kleinere Städte, in
ländliche Gegenden, so wundert man sich eher
über die Bescheidenheit bei größter Freund-
lichkeit der Bedienung.
Für die Art der Zigeunerkapellen und den
Betrieb in Budapests Nepp-Lokalen kann
man aber wohl kaum die Ungarn verantwort-
lich machen.
Kultur und Gesellschaft.
Ueber die Kultur kann ein „kurzer Blick
nach Ungarn" nicht Kenntnis und Klärung
schaffen. Daß sich die geistigen Kreise dessen
bewußt sind, wie viel Ungarn deutscher Kunst,
Sprache und Erziehungsart verdankt, sei er-
wähnt. Das gesellschaftliche Leben zeigt aber
manche Eigenarten, nicht nur in strenger
Form und Sinn für Glanz und Geste, der eine
prunkvolle Hofhaltung in Budapest sinn, und
stilvoll erscheinen läßt (Orientnähe!). Wir
Deutsche sollten aber darauf achten, daß fran-
zösische Zivilisation ihre schon starken Einflüsse
Im »srmnlmur
»um »oveN« vo»
von ceiUeEerki -
5. Fortsetzung
Am Samstag nachmittag kam Se. Exzellenz
sehr aufgeräumt zur Teestunde. Dagegen hatte
Tante Minka einen Streit mit dem Pächter des
Dorngrabens hinter sich und war verstimmt.
Am runden Teetisch verfingen sich ein paar
Elanzlichter und schaukelten um eine altmodische
Zuckerdose aus dünnem Porzellan.
„Glauben die Leut' rein, man ist ihr Narr,
und einen Mann hat man immer nur da, wo
man ihn nicht braucht."
Se, Exzellenz ließ sich von Zinzi eine Butter-
semmel mit Honig streichen und fühlte sich nicht
getroffen.
Später forderte er seine Nichte auf, einen
kleinen Spaziergang mit ihm zu machen.
Zinzi ging zögernd darauf ein, mit dem Ge-
danken: wenn es nur nicht so spät wird, daß
ich dann die Ziegen versäume! —
Sie gingen den Waldweg entlang in ent-
gegengesetzter Richtung vom Katzenhof. Durch
die Tannenzweige fielen Abendsonnenstreifen
über ihr gewelltes Haar und über den poma-
disierten, etwas angegrauten Scheitel Sr. Ex-
zellenz.
Er streifte mit einem Seitenblick ihr kindliches
Profil. Sie war wirklich sehr anziehend. Cs
war ja kein Wunder, daß dieser Rittmeister sich
... sie tat ihm beinahe etwas leid. Aber es
war ja nur zu ihrem Vesten. Was hätte sie
schon von dem armen Teufel?
Aber es war gar nicht leicht, sich in ihren
Gedankenkreis einzudrängen. Von zu Hause er-
zählte sie beinahe nichts, und über den Ritt-
meister war nicht viel aus ihr herauszubringen.
„Heute ist aber ein schönes Wetter, nicht
wahr, Cäcilie?"
Zinzi sah den Onkel verwundert an. Ueber
die Feierlichkeit, mit der er diese Tatsache fest-
stellte, mußte sie sich wundern.
„Ja, hier ist es überhaupt ... immer schön.
In dieser Gegend könnt ich immer leben."
Se. Exzellenz räusperte sich.
Das war jetzt der Moment, dem Gespräch die
gewünschte Richtung zu geben!
„2a, aber es gehört zu allem Geld. So, wie
wir heute daran sind, mehr oder minder —
von uns will ich noch gar nicht reden, da wir
doch unser kleines Vermögen noch gerottet
haben — aber zum Beispiel ... der arme Teufel
... der Rittmeister ..."
„Aber jetzt geht es ihm schon etwas bester",
antwortete sie hoffnungsvoll.
„Ja, ja, für seine Person, aber welche Frau
zum Beispiel würde sich dazu hergeben, diese
untergeordnete bäuerliche Existenz mit ihm zu
teilen? Auf die Dauer wäre das für eine Dame
direkt eine Qual. Sie müßte im Notfall womög-
lich auch Dünger fahren und Kühe melken."
Aber Zinzi sah das nicht ein. „Es kommt doch
nur darauf an, mit wem man zusammen Mist
fährt und zu was und melken ... das ist über-
haupt das Schönste."
„No ja ..." meinte Onkel Adolf nachdenklich.
Es war gar nicht so leicht mit ihr. Er hatte sie
sich weniger eigensinnig gedacht.
„Das ist schon alles recht, liebe Cäcilie, wenn
es sich um einen ganz gesunden Menschen han-
delt ... aber da, wo doch alle Symptome dafür
sprechen, daß die furchtbare Krankheit seiner
Vorfahren auch bei ihm noch ausbcechen
dürfte ..."
Zinzi faltete krampfhaft die Hände.
Dann fragte sie so leise und stockend, daß es
einen Stein gerührt hätte: „Was ... fehlt ..
ihm denn?"
Aber Onkel Adolf blieb sich seiner Mission
bewußt. „Ja, weißt du, seine Tante mütter-
licherseits, sein Großvater, sein Onkel, kurz bei-
nahe jedes Mitglied seiner Familie, litt an
Tobsuchtsanfällen ... und es ist daher so gut
wie sicher, daß auch er über kurz oder lang —
ganz unter uns gesagt, sag auch der Tante nichts
davon —, mit Tobsuchtsanfällen erblich belastet
sein wird."
In Zinzis Gefühl stieg ein leises Mißtrauen.
Sie war erleichtert und lächelte schwach.
„Das ist kein Wunder ... er ist ja auch im-
mer so allein."
„Ja, das Traurige ist eben daran — ich habe
da zufällig einmal mit einem ganz bedeutenden
Arzt gesprochen —, diese Krankheit würde vor-
aussichtlich in einer Ehe erst richtig ausbrechen.
Solche Männer haben in ihrer blinden Wut
schon manches Mal ihre Frauen in der Luft
zerrissen, abgesehen davon, daß einer solchen
Verbindung auch noch tobsüchtige Kinder ent-
sprießen können."
Zinzi bückte sich nach einer Schnecke und setzte
sie vom Weg ins Gras. Sie hörte schon gar nicht
mehr recht zu. Immer mußte sie denken: mit
all dem werd' ich noch die Ziegen versäumen.
„Onkel, wir müssen unbedingt umdrehen, ich
muß zu Haus noch was helfen."
Sie ging sehr schnell und machte ein äußerst
trauriges Gesicht.
Aha! dachte Se. Exzellenz, das hat schon
gewirkt.
Zu Hause angekommen, schrieb er noch einen
beruhigenden, äußerst selbstbewußten Brief an
seinen Bruder. —
Zinzi riß die Küchentüre auf.
Tante Minka stand an der Anrichte und
mischte Paradeissalat.
„Tante! Tante! Wo ist denn die Karhi,"
„Im Keller."
„Weißt du vielleicht ... sind die Ziegen schon
herein?"
„Glaub nicht, schau halt, Kinder!"
Da flog sie auch schon ums Hauseck dem
Waldhang zu.
Sie kam atemlos oben an.
Aber die Ziegen waren schon fort, und aus
dem Tannenwald kroch der Nebel. Ein paar
große Distelsterne leuchteten im Moos.
Sie war zu spät gekommen.
Aber ... in einiger Entfernung vom Weide-
pflock waren die Anfangsbuchstaben ihres Na-
mens und ein Herz aus Steinchen gebildet.
Zinzi sammelte sie alle in ihr Taschentuch. Sie
hatte das Gefühl, als wäre sie an einem großen
Elücksfall still beteiligt und das Zeichen ent-
hielte den Sinn der Welt.
Als sie den Wiesenweg zurückkam, gingen im
Herrenhause schon langsam die Lichter auf. —
Am anderen Morgen, als Se. Exzellenz sich
seiner geistigen Arbeit und dem Schreibtisch zu-
wandte, fiel sein Blick durchs Fenster auf ein
liebreiches Bild, das ihn jedoch neuerdings be-
unruhigte.
Zinzi stand am Brunnen in der Morgensonne
und übernahm von einem kleinen, braunen
Lausbuben vor der Haustüre einen riesigen
Strauß Astern und Nelken.
Er würde wirklich aufatmen, wenn sein Bru-
der von Baden-Baden zurück wäre.
Da war wieder neuerlich Eedankenschärfe not-
wendig, den Eindruck dieser Blumen <>bzu-
schwächen, die auf ein so junges Gemüt wieder
einen so recht umstrickenden, schmeichelnden Ein-
fluß haben mußten.
Fortsetzung folgt.
Sonderheft von „Debreceni Szemle" über die
Beziehungen Frankreich-Ungarn.) Eine Front
der nationalsozialistischen Staaken Europas
muß aber neben der Beseitigung der Pariser
Borortsverkräge auch den Kampf aufnehmen
für eine Erneuerung der Kultur gegen den er-
starrten westlichen Geist.
Darum, Deutsche, pflegt jede persönliche
und weikergreifende Beziehung mit ungari-
schen Menschen. Dieses Bolk kann — das
beweist auch seine noch nicht genügend be-
kannte Literatur — noch wertvoller Kulkur-
faktor in Europa werden. Seine Kräfte sind
weder verbraucht noch verdorben.
Litt clie^torise^es
an die jüngere Generation des Heidelberger
Almanachs richtet Herbert Hassencamp, der
Autor des „Requiems" vom 1. Leseabend des
Heidelberger Kulkurkreises; er schreibt:
Ich empfinde es durchaus als Auszeich-
nung, unter meinen jüngeren Brüdern — zu
sein. Musin von vor zwanzig Jahren rauscht
auf aus dieser Studentenlyrik, ich wäge sie
nicht, die einzelnen Bersbilder, ich höre nur
hin von innen aus: es ist die alte Laute noch,
es ist der Jugend ewiges Herz, erwachsen un-
ter diesen Himmeln, an diesen Ufern, in die-
sen Gärten.
Jedem Einzelnen möchk' man die Hand ge-
ben, ihm über den Scheitel streichen und sa-
gen: Bursche, forcht dich nik, sag dein Sprü-
chel und leil's uns mit. Der Teufel soll euch
holen, wenn ihr schwächer wär't als die Ge-
neration, deren Blut die fremde Erde düngt.
Es ist ein Ros entsprungen für uns aus die-
sem Blut.
Laßt euch wie wir niemals enttäuschen, denn
euer ist das Land, das Erbgut der Bäker. Der
eigentlichste Besitz, — das sind innere Kräfte.
Den ganz hellblonden Glauben, den ich mit 18
Jahren hatte, — er hat mich bis heute nie ver-
lassen, er, er war der stärkste Schild zwischen
Skepsis, Naturalismus, Krieg, Not, Umsturz,
Inflation, Zusammenbruch. Er war das Stärk-
ste, dies Zarte, Blonde, tief Unpraktische, dies
Schwächste, es war das Stärkste, war auf die
Dauer das einzig Reale in einer Welt des
Scheins. Brüder, fürchtet euch nicht! Hört
ihr: Niemals!
Welken sahen wir kommen und gehen,
Fanfaren klingen der neuen Zeit, — Freunde,
gebt die Laute:
„... im gleichen Schritt und Tritt."
Und Losung und Feldgeschrei:
Deutschland von Herzens Grund!
Bo» der TH. Darmstadt.
Unter dem Rektorat ihres ordentlichen Pro-
fessors Dipl.-Jng. Dr. Thum hat die Technische
Hochschule zu Darmstadt auf einstimmigen
Antrag der Abteilung für Maschinenbau durch
Beschluß von Rektor und Großem Senat Herrn
Wilhelm Kissel, Direktor der Daimler-Benz-
Werke in Stuttgart-Untertürkheim, in Anerken-
nung seiner umfassenden organisatorischen Ar-
beiten und seiner hervorragenden Verdienste um
die technische Förderung des deutschen Kraftwa-
genbaues die Würde eines Doktor-Ingenieurs
ehrenhalber verliehen.
Mtt«o'ch, r.ü K AÄuft MX
/?ssc/s/v
Vorbemerkung der Schriftleitung: Der
Verfasser des folgenden Artikels, Pg. Hans
Herbert Reeder, hatte anläßlich einer Reise
nach Ungarn, die vor wenigen Wochen er-
folgte, Gelegenheit, die Zustände, die zur
Zeit in den Donaustaaten Oesterreich und
Ungarn herrschen, zu studieren. Auch nahm
er dabei persönliche Fühlung mit Vertre-
ter der ungarischen Studentenschaften und
mit dem Führer der Nationalsozialisten in
Budapest, Victor von Helbig. Es ist natürlich
unmöglich, in einem „kurzen Blick" alles und
zwar ausgiebig zu streifen, was zu sagen wäre.
Vielmehr will die kurze, interessante Be-
trachtung nur blitzlichtartig in kulturelle
und politische Probleme hineinleuchten, die
heute ganz Europa interessieren.
Ohne Aufenthalt durch Oesterreich!
Leere Bahnhöfe! Blick auf menschenarme
Städte, denen Fremdenverkehr einziger Ber-
dienst war. Geschlossene Hotels. Keine freu-
digen Gesichter! Oft jedoch ein heimliches,
ängstliches Erwidern des Hitlergrußes und in
Len Blicken ein stummes Fragen und Bitten.
Wien scheint eine ruhige, allzu ruhige
Stadt geworden zu sein. Man merkt: hier sind
Gummiknüppelattacken einzige Abwechslung.
Ohne freundlichen Gruß verläßt der Damp-
fer die Donauanlegestellen.
Ungarn empfängt Deutsche.
Flußabwärts: Oesterreich—Tschechoslowa-
kei-Ungarn, endlich Ungarn; erst nur auf ei-
nem Flußufer, später auf beiden Seiten.
Eine tschechoslowakische Anlegestelle wird
passiert... Neben den schon länger wehenden
rot-weiß-grünen — ungarischen — und schwarz-
weiß-roten Fahnen steigt nun das Haken-
kreuzbanner zum Schiffmast! Deutschlandlied,
Horst-Wessel-Lied, ungarische Nationalhymne!
Echte, hohe Freude der Deutschen; und die
Ungarn ahnen, was heute die Seelen von Mil-
lionen Deutschen bewegt.
Das Flußufer wird gebirgiger. Preßburg-
Bratislava —, jedem Ungarn schmerzliche Er-
innerung! — liegt hinter uns. Burg»n, alte
Städte wechseln. Der Krönungsdom von Esz-
tergom (Gran, Sih des Fürstprimas-Erzbischof
von Ungarn): ein erstes Bild von dem weihe-
und stilvollen Prunk ungarischer Kirchen.
Abend! Flammendes Sonnenscheiden über
den Donaubergen! Seltenes und reiches Leuch-
ten über bewunderter Landschaft!
Mit dem Schwinden des Tages wachsen
die Erwartungen! Die Augen lassen nicht
mehr ab von fernen Lichtern, deren mähliches
Nahen zum Bann wird den Reisenden, die
schon manches gehört haben von der Wunder-
stadt an der Donau — Budapest.
Flimmern auf tausend Fenstern vom Ufer
— in Tälern — an Hängen — auf Gipfeln:
würdiger Rahmen für die gleich Alabaster aus
der Dunkelheit tretende Fischerbastei mit der
Krönungskirche. Seltsames, schönes Nachtbild!
Hoch und hell leuchtet die Zitadelle! Weiß hebt
sich vom schwarzen Grund das Gellert-Denk-
mal ab.
Dom Ufer klingt straff und kräftig das
Deutschland-Lied! Begrüßung durch offizielle
Vertreter ungarischer Behörden! Gleich fühlen
sich Deutsche heimisch! Ein echter, guter Will-
komm! Hier wird «s schöne, freudevolle Tage
geben!
Vielleicht hakte mancher Angst vor des
Balkans Sauberkeitsbegriffen! Ein Tag in
guten Hotels läßt sie schon schwinden: sauber
und angenehm sind wir untergebrachk! Aus-
gezeichnet ist die Küche!' Und der Paprika
wird auch nicht immer so scharf gegessen, wie
ihn die Ungarn lieben — wenigstens nach den
Berichten der „Gut-Unkerrichteten".
Treffliche Führung vermittelt in den näch-
sten Tagen mehr von Budapests Schönheiten
als bildungsbeflissene Folgsamkeit gegenüber
drei Sternchen im Bädeker.
Aus allen Morten der Ungarn aber — ob
offizielle Reden, ob private Gespräche, ob
Antwort auf Erkundigungen bei irgendeinem
Einheimischen — erfährt man, daß die Deut-
schen gerne gesehen sind; aus kleinen und gro-
ßen Diensten ist freudiges und freundliches
Entgegenkommen spürbar.
Europas schönste Stadt!
Als großes Rätsel der ungarischen Haupt-
stadt erscheint zunächst die glückliche Vereini-
gung abendländischer, morgenländischer und
asiatischer Skilelemenke zu sinn- und reizvol-
lem Prunk. Gotische Linien der Architektur,
von maurisch-arabischen unterbrochen — man
möchte fast sagen: ergänzt! — werden mit
bunter und reicher orientalischer Ornamentik
zu einheitlichem Bild gestaltet (Parlaments-
gebäude, Krönungskirche).
Aber solche Bauten sind an den Raum
ungarischen Lebensgefühls gebunden. (Die Fi-
scherbastei zeigt sogar einen eigentümlich un-
garischen Stil.) Dem deutschen Besucher wer-
den sie seltener Genuß, selbst bei dem klaren
Bewußtsein, daß in Deutschland solche Ge-
bäude unecht, unsinnig, ja peinlich wirken
könnten. Deutlich empfindet man gerade bei
der Bewunderung der vielen großartigen re-
präsentativen Gebäude Budapests, daß jedes
Volk seinen persönlichen Ausdruck in der
Kunst hat.
Stolz. Stärke und Trauer einer
Nation.
Stolz sind die Ungarn auf ihre Stadt.
Mehr als dieser Stolz beherrscht sie ein un-
bändiges Nationalgefühl, das in tiefster Be-
ziehung zu ihrem religiösen Empfinden steht:
durch die gemeinsame Symbolik der Herrscher-
gestalt deS hl. Stephan, ersten Königs und be-
deutendsten Vorkämpfers, des Christentums in
Ungarn. So sind Kirchenfeste zugleich Natio-
nalfeiertage (am 20. August der St. Stephans-
kag).
Die tiefe Nakionaltrauer um die durch
Trianon entrissenen Gebiete findet überzeugen-
den Ausdruck in verschiedener und eigener
Art: An einem Fahnenmast, der statt eines
Knaufes eine Schwurhand trägt, hängt die
Nationalflagge stets auf halbmast! „Nein,
nein, niemais!" kündet eine Inschrift den Pro-
test gegen schmachvolle Vergewaltigung eines
tapferen Volkes. Aus einem Blumenbeet (eine
Landkarte vorstellend) wird ein Bild deut-
lich von den empörenden Grenzziehungen des
heutigen Rumpfungarns, für dessen Erneue-
rung sich Mussolini einseht. Das Gebet jedes
Ungarn (die Kinder sprechen es in den Schu-
len, auf Tafeln hängt es in den Bahnen)
rahmt dieses eigenartige, seltsam ergreifende
Blumenbeet:
„Ich glaube an einen Gott.
Ich glaube an ein Vaterland.
Ich glaube an eine ewige Gerechtigkeit.
Ich glaube an die Wiederauferstehung
Groß-Ungarns!"
In jedem Kino wird vor den Filmen immer
durch Lichtbild-Landkarten der unvergeßliche
Verlust zum Bewußtsein gebracht. Ein un-
geheuer starker Glaube!
Bettler...
An allen Ecken lungern sie herum: Zi-
geunerjungen, die auf mißtönenden Geigen
Herumkratzen: ein paar Filler! Man gibt und
hat gleich eine ganze Schar schreiender Kin-
der um sich. Und sie sehen verhungert genug
aus; Fetzen, die kaum noch Kleidern ähnlich
sind, hängen an mageren, oft kränklichen Kör-
pern: nicht nur Zigeunerkinder, nein die Gas-
sen Budapests zeigen grauenhaftes Elend, ge-
gen das der Reichtum einiger alter Geschlech-
ter und — zahlreicher Juden seltsam absticht.
In dieser Nation ist das soziale Problem
kaum bedacht, geschweige denn angefaßt! Aber
wer die Ungarn gleich anderen Balkanvöl-
kern Bettler schelten wollte, tut ihnen Un-
recht. Sicher, das Elend treibt mit Zigeuner-
jungen auch hungernde Ungarnkinder und oft
verschämt bittende Mütter. Aber zwang dazu
nicht auch manche die deutsche Not?!
Und doch sind die Ungarn Bettler, meint
der Fremde, der in Hotels, Restaurants, Ver-
gnügungsstätten alle Augenblicke zahlreiche
Hände für Trinkgeld offen sieht. Es soll nicht
auf ähnliche Verhältnisse in anderen europäi-
schen Hauptstädten hingewiesen werden! Aber
kennt man gewisse Verhältnisse im ungarischen
Gastgewerbe (hohe Kautionen der Kellner
u. a.). so entschuldigt man manches.
Komtnt man nun in kleinere Städte, in
ländliche Gegenden, so wundert man sich eher
über die Bescheidenheit bei größter Freund-
lichkeit der Bedienung.
Für die Art der Zigeunerkapellen und den
Betrieb in Budapests Nepp-Lokalen kann
man aber wohl kaum die Ungarn verantwort-
lich machen.
Kultur und Gesellschaft.
Ueber die Kultur kann ein „kurzer Blick
nach Ungarn" nicht Kenntnis und Klärung
schaffen. Daß sich die geistigen Kreise dessen
bewußt sind, wie viel Ungarn deutscher Kunst,
Sprache und Erziehungsart verdankt, sei er-
wähnt. Das gesellschaftliche Leben zeigt aber
manche Eigenarten, nicht nur in strenger
Form und Sinn für Glanz und Geste, der eine
prunkvolle Hofhaltung in Budapest sinn, und
stilvoll erscheinen läßt (Orientnähe!). Wir
Deutsche sollten aber darauf achten, daß fran-
zösische Zivilisation ihre schon starken Einflüsse
Im »srmnlmur
»um »oveN« vo»
von ceiUeEerki -
5. Fortsetzung
Am Samstag nachmittag kam Se. Exzellenz
sehr aufgeräumt zur Teestunde. Dagegen hatte
Tante Minka einen Streit mit dem Pächter des
Dorngrabens hinter sich und war verstimmt.
Am runden Teetisch verfingen sich ein paar
Elanzlichter und schaukelten um eine altmodische
Zuckerdose aus dünnem Porzellan.
„Glauben die Leut' rein, man ist ihr Narr,
und einen Mann hat man immer nur da, wo
man ihn nicht braucht."
Se, Exzellenz ließ sich von Zinzi eine Butter-
semmel mit Honig streichen und fühlte sich nicht
getroffen.
Später forderte er seine Nichte auf, einen
kleinen Spaziergang mit ihm zu machen.
Zinzi ging zögernd darauf ein, mit dem Ge-
danken: wenn es nur nicht so spät wird, daß
ich dann die Ziegen versäume! —
Sie gingen den Waldweg entlang in ent-
gegengesetzter Richtung vom Katzenhof. Durch
die Tannenzweige fielen Abendsonnenstreifen
über ihr gewelltes Haar und über den poma-
disierten, etwas angegrauten Scheitel Sr. Ex-
zellenz.
Er streifte mit einem Seitenblick ihr kindliches
Profil. Sie war wirklich sehr anziehend. Cs
war ja kein Wunder, daß dieser Rittmeister sich
... sie tat ihm beinahe etwas leid. Aber es
war ja nur zu ihrem Vesten. Was hätte sie
schon von dem armen Teufel?
Aber es war gar nicht leicht, sich in ihren
Gedankenkreis einzudrängen. Von zu Hause er-
zählte sie beinahe nichts, und über den Ritt-
meister war nicht viel aus ihr herauszubringen.
„Heute ist aber ein schönes Wetter, nicht
wahr, Cäcilie?"
Zinzi sah den Onkel verwundert an. Ueber
die Feierlichkeit, mit der er diese Tatsache fest-
stellte, mußte sie sich wundern.
„Ja, hier ist es überhaupt ... immer schön.
In dieser Gegend könnt ich immer leben."
Se. Exzellenz räusperte sich.
Das war jetzt der Moment, dem Gespräch die
gewünschte Richtung zu geben!
„2a, aber es gehört zu allem Geld. So, wie
wir heute daran sind, mehr oder minder —
von uns will ich noch gar nicht reden, da wir
doch unser kleines Vermögen noch gerottet
haben — aber zum Beispiel ... der arme Teufel
... der Rittmeister ..."
„Aber jetzt geht es ihm schon etwas bester",
antwortete sie hoffnungsvoll.
„Ja, ja, für seine Person, aber welche Frau
zum Beispiel würde sich dazu hergeben, diese
untergeordnete bäuerliche Existenz mit ihm zu
teilen? Auf die Dauer wäre das für eine Dame
direkt eine Qual. Sie müßte im Notfall womög-
lich auch Dünger fahren und Kühe melken."
Aber Zinzi sah das nicht ein. „Es kommt doch
nur darauf an, mit wem man zusammen Mist
fährt und zu was und melken ... das ist über-
haupt das Schönste."
„No ja ..." meinte Onkel Adolf nachdenklich.
Es war gar nicht so leicht mit ihr. Er hatte sie
sich weniger eigensinnig gedacht.
„Das ist schon alles recht, liebe Cäcilie, wenn
es sich um einen ganz gesunden Menschen han-
delt ... aber da, wo doch alle Symptome dafür
sprechen, daß die furchtbare Krankheit seiner
Vorfahren auch bei ihm noch ausbcechen
dürfte ..."
Zinzi faltete krampfhaft die Hände.
Dann fragte sie so leise und stockend, daß es
einen Stein gerührt hätte: „Was ... fehlt ..
ihm denn?"
Aber Onkel Adolf blieb sich seiner Mission
bewußt. „Ja, weißt du, seine Tante mütter-
licherseits, sein Großvater, sein Onkel, kurz bei-
nahe jedes Mitglied seiner Familie, litt an
Tobsuchtsanfällen ... und es ist daher so gut
wie sicher, daß auch er über kurz oder lang —
ganz unter uns gesagt, sag auch der Tante nichts
davon —, mit Tobsuchtsanfällen erblich belastet
sein wird."
In Zinzis Gefühl stieg ein leises Mißtrauen.
Sie war erleichtert und lächelte schwach.
„Das ist kein Wunder ... er ist ja auch im-
mer so allein."
„Ja, das Traurige ist eben daran — ich habe
da zufällig einmal mit einem ganz bedeutenden
Arzt gesprochen —, diese Krankheit würde vor-
aussichtlich in einer Ehe erst richtig ausbrechen.
Solche Männer haben in ihrer blinden Wut
schon manches Mal ihre Frauen in der Luft
zerrissen, abgesehen davon, daß einer solchen
Verbindung auch noch tobsüchtige Kinder ent-
sprießen können."
Zinzi bückte sich nach einer Schnecke und setzte
sie vom Weg ins Gras. Sie hörte schon gar nicht
mehr recht zu. Immer mußte sie denken: mit
all dem werd' ich noch die Ziegen versäumen.
„Onkel, wir müssen unbedingt umdrehen, ich
muß zu Haus noch was helfen."
Sie ging sehr schnell und machte ein äußerst
trauriges Gesicht.
Aha! dachte Se. Exzellenz, das hat schon
gewirkt.
Zu Hause angekommen, schrieb er noch einen
beruhigenden, äußerst selbstbewußten Brief an
seinen Bruder. —
Zinzi riß die Küchentüre auf.
Tante Minka stand an der Anrichte und
mischte Paradeissalat.
„Tante! Tante! Wo ist denn die Karhi,"
„Im Keller."
„Weißt du vielleicht ... sind die Ziegen schon
herein?"
„Glaub nicht, schau halt, Kinder!"
Da flog sie auch schon ums Hauseck dem
Waldhang zu.
Sie kam atemlos oben an.
Aber die Ziegen waren schon fort, und aus
dem Tannenwald kroch der Nebel. Ein paar
große Distelsterne leuchteten im Moos.
Sie war zu spät gekommen.
Aber ... in einiger Entfernung vom Weide-
pflock waren die Anfangsbuchstaben ihres Na-
mens und ein Herz aus Steinchen gebildet.
Zinzi sammelte sie alle in ihr Taschentuch. Sie
hatte das Gefühl, als wäre sie an einem großen
Elücksfall still beteiligt und das Zeichen ent-
hielte den Sinn der Welt.
Als sie den Wiesenweg zurückkam, gingen im
Herrenhause schon langsam die Lichter auf. —
Am anderen Morgen, als Se. Exzellenz sich
seiner geistigen Arbeit und dem Schreibtisch zu-
wandte, fiel sein Blick durchs Fenster auf ein
liebreiches Bild, das ihn jedoch neuerdings be-
unruhigte.
Zinzi stand am Brunnen in der Morgensonne
und übernahm von einem kleinen, braunen
Lausbuben vor der Haustüre einen riesigen
Strauß Astern und Nelken.
Er würde wirklich aufatmen, wenn sein Bru-
der von Baden-Baden zurück wäre.
Da war wieder neuerlich Eedankenschärfe not-
wendig, den Eindruck dieser Blumen <>bzu-
schwächen, die auf ein so junges Gemüt wieder
einen so recht umstrickenden, schmeichelnden Ein-
fluß haben mußten.
Fortsetzung folgt.