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Volksgemeinschaft: Heidelberger Beobachter, NS-Zeitung für Nordbaden (3) — 1933 (November-Dezember)

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Nr. 282-311 (1. - 30. November)
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MM

Freitag, »«r I«. Nass«»« 1!M.

8. Jahrg. - Nr. SSt

Der ReichsWrer Ser NS-KriegsMr-
seOrgllm an Sie SeuWen Kriegsopfer!

12. November wollen wir uns wieder zusammen-
finden und wieder blumengeschmückt, diesmal
an die Urnen zur Abstimmung treten und lort
mit dem kraftvollen ehrlichen Ja aus deutschem
Soldatenmund uns zu dem jungen Deutschland
und seinem Friedens- und Arbeitswillen beken-

Kameraden aus dem großen Kriege!
Witwen, Waisen und Eltern unserer toten
Kameraden! Ihr ersten Bürger der Nation!
Das Deutschland Adolf Hitlers hat Euch allen
zum Bewußtsein gebracht, daß Euer Opfer für
Volk und Heimat nicht umsonst gewesen ist. In
dem letzten Jahre hat uns unser Deutsches Volk
endlich anerkannt und mit Ehren überhäuft. Wir
danken das nur unserem selbst schwerkriegs-
beschädigten Volkskanzler Adolf Hitler. Er war
es, der in den Tagen des Zusammenbruches als
einziger und unbekannter deutscher Soldat ent-
schlossen den Kamps gegen alles, was undeutsch
war, ausgenommen und zum unvergleichlichen
Siege geführt hat.
Die Achtung der Nation vor den Soldaten
des Weltkrieges haben wir mit Adolf Hitlers
Hilfe zurückerobert.
Nun aber versagen die früheren Gegner dem
Deutschen Volke und damit auch dem deutschen
Soldaten die Achtung, die braven Soldaten in
allen Jahrhunderten von ihren Feinden nie ver-
sagt worden ist. Uns Deutschen hat man sogar
die Alleinschuld an dem Weltenbrand zugescho-
ben, uns, die wir, weiß Gott, nur ausmarschiert
sind, um Heimat und Vaterland zu schützen.
Meine Kameraden aus dem großen Kriege!
Niemand kann und wird den Frieden mehr
lieben und achten als derjenige, der als Front-
soldat den Krieg bis zur letzten bittersten Neige
hat kosten müssen. Wir tragen an unseren Lei-
bern heute noch die sichtbaren Spuren der Ver-
letzungen und Wunden, die uns der Krieg ge-
schlagen hat. Gerade wir gehen jeden Morgen
dankbaren Herzens zu unseren Arbeitsstätten.
Der Bauer, der als Soldat den Ackerboden sei-
ner Väter verteidigt hat, ist in der tiefsten
Seele glücklich darüber, jetzt in den Jahren des
Friedens wieder den Pflug über die Scholle
führen zu dürfen. Der Arbeitsmann, der als
Musketier über die Schlachtfelder des Welt-
krieges marschiert ist, steht mit tiefinnerer Be-
friedigung an seiner Werkbank.
Gerade wir Soldaten aus dem großen Kriege
haben die Pflicht, in alle Welt hinaus zu sagen,
wie sehr uns durch friedliche Arbeit der innere
Adel des Menschentums gegeben wurde, wie
sehr wir das unserem Führer und Volkskanzler
Adolf Hitler danken und wie sehr wir uns zu
seiner Friedenspolitik bekennen.
Lenken wir doch die Blicke der Welt auf all
die schlichten Holzkreuze, unter denen seit 18
Jahren die gefallenen Soldaten fast der ganzen
Welt schlummern. Sie sind ohne Unterschied der
Nationalität gefallen, um den nachkommenden
Geschlechterfolgen die Heimat zu erhalten, das
friedliche Leben zu sichern und die Kulturgüter
zu beschützen. Aus diesen Gräbern heraus, in
denen Deutsche und Franzosen, Oesterrsicher und
Russen, Bulgaren und Griechen, Engländer und
Belgier dem großen Appell der ewigen Hilden
der Welt entgegenschlummern, aus diesen Grä-
bern heraus muß an die Generation, der nun-
mehr nach 15 Jahren der Krieg mit seinen
grausamen Erscheinungsfolgen offenbar in Ver-
gessenheit geraten ist, der Ruf gerichtet werden:
Völker Europas, lernt einander wieder achten,
lernt die Werke friedlicher Arbeit höher schätzen
als die mutwillige Drohung mit dauerndem
Streit.
Unser Führer und Volkskanzler hat mit dem
Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund sich

diese Mahnung aus den Gräbern des Welt-
krieges zu eigen gemacht, er hat dis Friedens-
liebe und den Arbeitswillen des deutschen Vol-
kes und des deutschen Soldatentums vor der
ganzen Welt öffentlich bekannt. Wir deutschen
Frontsoldaten und die Witwen und Waisen
unserer toten Kameraden haben dieses Bekennt-
nis mit tiefster Erschütterung in uns ausgenom-
men und wollen und müssen — genau so wie im
großen Kriege — heute in dem Ringen um die
Anerkennung unserer deutschen Nation wieder
entschlossen vor unser Volk treten; dieses Mal
muß die Welt endlich unseren Friedens- und
Arbeitswillen erkennen.
Es ist daher, meine Kameraden und Kame-
radenfrauen, nicht nur die Pflicht, sondern eine
Selbstverständlichkeit, daß Ihr, gerade Jbr, als
die ersten Bürger der deutschen Nation, Euch
am 12. November geschlossen hinter Euren Ka-
meraden und Volkskanzler Adolf Hitler stellt.
Wir sind am 1. August 1911 blumengeschmückt
ausmarschiert, um die Heimat zu schützen. Am

neu. Das Deutsche Volk und sein Führer Adolf
Hitler haben ein Recht darauf, daß gerade wir,
die deutschen Kriegsopfer, alles daraiüetzen, am
12. November die Einigkeit der gesamten Nation
zu beweisen.
Meine Kameraden und Kameradenfrauen!
Es geht jetzt nicht nur um die Opfer, die
Ihr im großen Kriege gern und willig gebracht
habt, es geht um unsere Kinder und um die
nachfolgenden Geschlechter, denen wir das erhal-
ten müssen, ohne was ein Volk nicht leben kann,
nämlich die Ehre und Achtung der Völker.
Wir werden deshalb am 12. November 1933
unserem Volkskanzler melden: Die zcr"" "enen
Soldaten des großen Krieges, die Frauen, die
Kinder und die Eltern unserer zwei Millionen
Toten haben ihrem Frontkameraden Adolf Hit-
ler und der Heimat die Treue gehalten und
durch diese Treue und Liebe gesiegt!
Mit Hitler Heil!
Kanns Overlindober.

Retchsarvottsmiuift«« Kvldw an die Kriegsopfer!
Zum 12. November!

Wieder schlägt eine Schicksalsstunde der Deut-
schen Nation. Ehre und notwendige Lebensrechte
werden uns verweigert. Dies trifft ganz beson-
ders die Kämpfer und Opfer des großen Krieges,
die wegen dieser heiligen Rechte und Güter in
4V- Kriegsjahren ihr Bestes eingesetzt und hin-
gegeben haben. Schon 15 Jahre sind seit dem
Tag verflossen, da wir, im Felde unbesiegt, die
Waffen niederlegten, im Vertrauen, daß auch
der Gegner endlich zu einem Frieden im Zeichen
der Achtung und Verständigung bereit sei. Die
von der Gegenseite gegebenen Zusicherungen
wurden nicht gehalten. Auch heute noch stellt
man neue unerhörte Zumutungen an uns. Trotz
allem werden Kriegsopfer und Frontkämpfer
nicht aufhören, stark zu sein. Sie werden bei-
spielgebend aushalten und voranstehen auch in
dem waffenlosen Ringen um Deutschlands Le-
ben. In alter Soldatentreue werden sie dafür
einstehen, daß der Tod von 2 Millionen guter
Kameraden, die auf dem Felde der Ehre gefallen
sind, nicht umsonst war.
Es ist unsere Bestimmung als Frontgenera-
tion von 1914, unsere Soldatenpflicht und unser
Soldatenschicksal, daß wir unseren deutschen
Kampf standhaft bis zum Ende führen, um den
Kindern und Kindeskindern unseres Volkes die
Zukunft zu erhalten. Die alten Frontkämpfer
und gerade die, die als Kriegsopfer am eigenen
Leibe schwer betroffen sind, werden daher in
nationaler Pflichterfüllung dem Aufruf der
Reichsregierung folgen und am 12. November
ihre Stimme für unsere gerechte Sache nbgsüen.
Mit unserem Volkskanzler sind sie dabei der
Zuversicht, daß jeder, der mutig sein gutes Recht
vertritt, am Ende auch Recht bekommen muß.
Die Millionen unserer Kriegsteilnehmer mit
ihren Frauen und Kindern, unsere Krieger-
eltern, Kriegswitwen und Kriegswaisen —nahe-
zu die Hälfte unseres Volkes — sind empört,
daß man an dem aufrichtigen Friedenswillen
des deutschen Volkes und seiner Regierung zwei-
felt. Wer Leid und Not dieser Millionen kennt,
deren Opfer keine Macht und keine Zeit jemals
völlig heilen kann, der weiß, daß es ihnen ernst
ist mit dem Wunsche ehrlichen Friedens und

Ausgleichs. Sie besonders kann keine Verdäch-
tigung und Verleumdung aus den Reihen ehe-
maliger Gegner erreichen. Wenn jemand, so
stehen die Millionen der Kriegsopfer, Front-
kämpfer und aller ihrer Angehörigen geschlossen
hinter der Reichsregierung, der sie auf dem von
ihr beschrittenen Weg im Kampfe für den Frie-
den, für die Ehre und die Gleichberechtigung in
unerschütterlichem Vertrauen folgen.
In Treue fest!
Franz Seldte.
'-0-


Der Tabellenstand
im
Kreis
11 (Bauland).
Walldürn
4
4


8
Limbach
4
3
1
7
Hainstadt
4
3
-----
1
6
Lauda
4
2
1
1
5
Wertheim
4
2
—-
g
4
Hettingen
3
1
——
2
2
Tauberbischofsheim
4
1
»»»»
3
2
Osterburken
4
.1
3
1
Reicholzheim
5

1
4
1

Unterschwarzach — Helmstadt 3:5
Bei guten Platzverhältnissen lieferten beide
Gegner einen hartnäckigen Kampf, den der Glück-
lichere gewann. Beim Seitenwechsel lagen die
Einheimischen noch in Führung, doch gelang es
den Gästen durch gute Leistungen des Halblinken,
den Sieg sicherzustellen. Die Schwarzacher wa-
ren wieder von Pech verfolgt, da die schönsten
Schüsse an die Latte oder daneben gingen. Das
Ergebnis entspricht dem Spielverlauf. Hbl.
Sportverein 1927 Seckach 1. — Boxberg 1. 5:3
Endlich der langerwartete Sieg! Scheinbar
hat nun der Sturm, das seitherige Schmerzens-
kind der Mannschaft, das Schießen doch erlernt.
Es war dies das fünfte Verbandswettspiel. Die
vorausgegangenen endeten alle unentschieden!

Das Spiel gegen Voxberg stand bei Halbzeit 4:9
für Seckach. Nach dem Wechsel kam Boxberg
besser in Fahrt und konnte 3 Tore aufholen, von
denen allerdings der sonst gute Seckacher Tor-
wächter 2 hätte verhüten müssen. Kurz vor
Schluß stellte Seckach durch ein fünftes Tor den
Sieg für sich fest. Beide Mannschaften spielte«
fair.
Von den für die Aüsscheidungskämpfe vor-
geschriebenen 699 Kugeln wurden bis heute von
59 Sportkeglern 2X199 Kugeln aus den Doppel-
bahnen der Bergbrauerei Leimen geworfen;
über 109» Holz haben erzielt: 1. Dehoust 1952,
2. Schollmeier 1935, 3. Heller 1934, 4. Schenk
1933, 5. Franzmann 1931, 6. Beckenbach 1939, 7.
Mergenthaler 1927, 8. Franz Schmidt 1916, 9.
Fritz Schmidt 1912. Die vorausgesagten heißen
Kämpfe sind, wie die Resultate zeigen, einge-
troffen; auch von den Keglern, die sich aus den
der Vereinigung neu hinzugekommenen Klubs
zum ersten Male an solchen Kämpfen beteiligen,
sind, wie die obigen Resultate von Heller, Mer-
genthaler und den Brüdern Schmidt, sämtliche
aus Leimen, beweisen, weitere Ueberraschungen
nicht ausgeschlossen. Die nächsten 2 Gänge und
199 Kugeln werden auf den Römerhof-Bahnen
in Heidelberg ab Sonntag, den 19. November,
geworfen. Die Heidelberger Sportler haben dis
für sie fremden Bahnen, nach den Resultaten zu
schließen, glücklich überwunden; nun müssen die
auswärtigen Kegelbrüder ihr Glück auf den Hei-
delberger Bahnen versuchen.
Ferner erzielten nach Abwurf von 299 Ku-
geln von den Senioren: 1. Straub 988 Holz,
2. Jung 982, 8. Kollisch 945, 4. Ruck 894, und von
den Frauen: 1. Frl. Jung 994, Frl. Groß
937 und Frl. Arnold 887 Holz


L? an.


nockLv
Mitteldeutschland« Hockeymauuschafteu.
Mitteldeutschlands Hockeymannschaften für di«
Silberschildspiele am 18. und 19. November in
Leipzig wurden wie folgt aufgestellt
Senioren: Hesse; Wiehner — Siede;
Scholl — Mildner — Bodesheim; Müller —
Schumann — Boesch — Eleve — Wollner fall,
Leipzig).
Nachwuchs: Oppe; Hänsel — Jakob; Echu-
mann (alle Leipzig) — Grothaus — Oldenburg;
Leonhard — Preuß falle Dresden) — Bergner
(Jena) — Bauer (Dresden) — Becker (Jena),

L'WkLNS»».
verantwortlich für Innenpolitik: »ran, Bretz; für Aittzsn-
politik und Wirtschaft: B. Secger-Kelde; für Badische Nach-
richten. Lokales und Sport: Seemann Üeberl«; für Feuille-
ton und Unterhaltung: Erich Lauer; für Anzeigen: Earl
Kammer. SLmtl in Heidelberg. Schriftleitung: Lutherstr. bi»
Sprechstunde» täglich ll bis tr Uhr Fernruf z?tll.
«erlag .Bolkegemeiuschast-, 8. m. b. K., Anlage »,
Berlagrleiter: Rudolf Ritter, Heidelberg.
Druckerei Winter. Heidelberg.

vüs gkvks USdS
komrm von Vnir« Slosm

9. Fortsetzung.
Damals hätte der Staat, hätten die Staaten
der Welt sagen müssen: die Einrichtung eines
industriellen Großbetriebes ist konzessions-
pflichtig! Du willst eine Fabrik anlegen —
gut — weise nach, Satz du soviel Gelände er-
worben hast und genügend Anlagekapital be-
sitzest, um jedem einzelnen Arbeiter, den du
beschäftigen willst, die Grundlage für ein men-
schenwürdiges Dasein zu schaffen! Nun ist das
Unglück geschehen: Die Riesenstadt mit ihren
entsetzlichen Proletariervierteln ist dal Sic
muß der Spitzhacke verfallen. Die Industrie
muß dezentralisiert werden! Die Mietkaserne
verschwinden — die Lanbsiedlung muß sie er-
setzen!"
„Aber der Arbeiter will ja gar nicht auf's
Land —" warf Thilo ein. „Er verlangt als
Entspannung für die seelenmordende Eintö-
nigkeit seines Tagewerks einen Abend, der
ihn entschädigt — ihm sein erdrosseltes Men-
schentum zurückgibt! Er will sein Kino, sein
Barite, seinen Rummelplatz — auf höherer
Stufe seine Volkskonzerte und Volkshochschul-
kurse!"
„Soll er haben! mutz er haben! muß er al-
les haben!" kommandierte Georg. „Das alles
gehört in die Landstedlung mitten hinein! Ich
geb's ihm — ich schafsss ihm!"
„Und hoffst du, ihn damit zufrieden zu ma-
chen?" warf Erika ein, um seine Antwort an-
zuregen, die sie kannte.
„Er wird es werden, wenn man ihn selber
zur Mitwirkung am Aufbau seiner Feier-
stunden heranzieht! In allen meinen Wohl-

fahrts- und Bildungsausschüssen sitzen meine
Arbeiter als gleichberechtigte Mitbeschließer!
Keine Anlage wird erstellt, deren Entwürfe sie
nicht mitgeprüft haben!"
Er wurde nicht müde, seine großen Ge-
sundungspläne bis in ihre tausend Veräste-
lungen zu entwickeln. Thilo lauschte gefesselt.
Und auf Erikas lebensvollem Gesicht glänzte
der Stolz, dieses Mannes Gattin und Mit-
arbeiterin zu sein. — Luciane aber hing mit
wahrer Inbrunst an des Vaters Lippen. Je-
des seiner Worte war ihr Offenbarung —
und man sah die guten Vorsätze, die frohen
Entwürfe hinter ihrer offenen Stirn sich fröh-
lich entfalten.
Indessen sich Thilo in die Betrachtung sei-
nes Freundes verlor, den ausgreifenden ma-
lenden Bewegungen seiner kraftvollen Hände
folgte, machte er eine Beobachtung. Diese in
ihrer Art schönen Hände waren mit borkigen
Narben bedeckt, Er kannte ihre Bedeutung —
wußte, daß sie die Folge eines unvorsichtigen
Verweilens innerhalb der Ausstrahlungen der
Röntgenröhren waren. Und nun fiel ihm auch
ein, daß er diese Entstellung ja auch schon bei
dem Wiedersehen vor fünf Jahren bemerkt
hatte. Aber damals war die Entfremdung der
beiden Jugendfreunde so tief gewesen, daß es
ihm nicht beigekommen war, dieser Wahrneh-
mung Worte zu geben.
Jetzt überfiel ihn eine Erinnerung, die ihn
für Sekunden innerlich erstarren machte. In
jenen Jahren, in denen die Röntgenbehand-
lung sich noch im EntwicklungsstaSium befand,
war mehrfach der Fall beobachtet worden, daß

Röntgenapparateure schwere Beeinträchtigun-
gen ihrer Lebenskraft erlitte» hatten.
Und blitzartig schloß sich in Thilos Hirn
die Gedankenkette. Wie, wenn Georg — wie
sagte man doch — ein „Opfer der Wissen-
schaft" wäre?
Kein Zweifel — das mußte er sein. Eine
— Nöntgenehe.
Wenn man selber ein Stück Röntgenfach-
mann ist, dann hätte man eigentlich von vorn-
herein eine solche Möglichkeit in Rechnung
stellen müssen.
Sei's wie's sei — man wird sich mit die-
ser Vorstellung vertraut machen müssen, so
schauderhaft sie ist.
Erika hatte das Nachlassen der Aufmerk-
samkeit ihres GasteS bemerkt.
„So, lieber Mann", griff sie ein, „jetzt mal
ein vergnüglicheres Thema! Sonst hättest du
dir Sie Maikräuter sparen können!"
„Hast recht", lachte da Georg. „Entschuldige,
Thilo — wes das Herz voll ist —"
Thilo erklärte eifrig, er habe sich nicht satt-
hören können. Freilich, der Wunsch der Haus-
frau sei Befehl.
Und nun mußte Thilo erzählen, — natür-
lich wieder von der gemeinsamen Sturm- und
Drangzeit. Bowlenstimmung kam. Der hohe
Ernst des Werktags war hinweggescheucht, Ge-
lächter erscholl in harmonisch abgetöntem
Quartett, die Wangen röteten sich, die Augen
Ser Frauen sprühten Schelmerei.
Jetzt war das Prinzeßchen im Element.
Himmel, konnte die Kleine lachen! Ihr glücks-
hungriges Seelchen stürzte sich auf die Freude,
wie ein flügelschwirrender Taubenschwarm auf
die körnerstreuende Hand.
„Euch zwei hätt' ich kennen mögen damals,
Vater! Ihr seid 'ne andre Sorte gewesen als
die blasierten Schlingel von Heute!"
„Schau, schau?!" sagte Thilo — „und keiner
drunter, der Gnade gefunden hätte?/

Da ward das Mädel rot: „Doch, doch, na-
türlich — aber immer nur vorübergehend —*
„Das will ich auch hoffen!" atmete der Va-
ter auf. „Zwei Jahre haben wir dich erst —>
so bald geben wir dich nicht wieder her!"
„Keine Sorge, Väterchen — da müßte doch
noch ganz wer anders kommen!"
„So einer wie wir zwei, was?" schmun-
zelte der Vater.
„Ach — so was gibt's ja heutzutage gar
nicht mehr!" naserümpfte die Kleine.
„Wir danken!" verbeugte sich Thilo.
„Na — und Fred?" neckte die Mutter.
„Fred?" Noch einmal schlug ein verräteri-
sches Flämmchen. „Vorbei! Neulich reit' ich
mit ihm aus — mich zwicktS: will, mal sehen,
was er kann, Peitsche gebraucht — ssst! — da
geht ihm der Gaul ab, er — Arme um den
Pferdehals — „Halt, halt! ich falle ja runter!"
Erledigt!" Sie warf träncnlachend ihr straf-
fes Körperchen ins Kissen zurück und schlug
die Pfirsischarme unterm Kopf zusammen. Thi-
los Augen schwelgten.
„Du solltest uns eins tanzen, Kind!" bat
der Vater.
„Wer spielt auf?" Schon stand sie auf den
Füßen, ihre Glieder zuckten vor Lebensüber-
schwang. Sie riß das Schleiertuch, das sie in
der warmen Treibhausluft hatte zurückgleiten
lassen, mit der Rechten empor und wirbelte es
über ihrem glühenden Köpfchen.
Da schritt Thilo rasch zum Salon hinüber,
und schon quirlte unter seinen Fingern eine
schwebende, lockende Tanzweise.
Der Vater folgte, rollte schnaufend den
Teppich auf, der die Mitte des Parketts be-
deckte, bot dann seinem Kinde ritterlich den
Arm und führte es zum Salon — mit leisem
Kopfschütteln machte Erika den Beschluß.
Fortsetzung folgte
 
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