Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Volksgemeinschaft: Heidelberger Beobachter, NS-Zeitung für Nordbaden (6) — 1936 (Januar bis Juni)

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.9503#0407
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
8sits S

Tgsespolitik

„llolksgemeinschast"

Mittwoch, den 29. Januar 19ZI

üerlin—Sostgeber ber lllest
Wie rüstet die Keichsl,auptstadt sür die Mympiade? - Unterredung mit Ur. Lippert

Der Etaatskommissar der Reichshauptstadt Berlin.
Pg. Dr. Lippert. beantwortete dem E. F. Mitglied
unserer Berliner Schriftleitung einige Fragen. Seine
Ausführungen vermitteln einen Einblick in die viel-
fältigen Vorbereitungen, die in der Reichshauptstadt
für den Empfang der Olympin-Eäste getroffen wurden.

Tausend fleihige Hände sind am Werk, um
Derlin für jene Tage vorzubereiten, an denen
sich di« Nationen der Welt zu sportlichem Vett-
kampf in seinen Mauern gegenüberstehen wer-
den. Eine ungeheure Wufgabe hat der St-aats-
kommissar der Reichshauptstadt, Parteigenosse
Dr. Lippert, übernommen, als ihm Reichsmini-
ster Dr. Eaebbels den Auftrag erteilte, die Bor-
bereitungen sür die Olympischen Spiele durch-
zuführen und zu überwachen. Welch umsangreiche
Arbeit es hier zu bewältigen gilt, mag der
Ueberblick zeigen, den der Staatskomissar einem
Vertreter unserer Berliwer Schristleitüng gab.
löglich mnd Zlllllwll Lremde
Die Besucherzahlen der Olympischen Spiele
richten sich nach Umsang und Art der sportlichen
Wettbewerbe. Während man demnach in üer
ersten Woche mit täglich 200 000 Besuchern rech-
nen kann, steigern sich die Zuschauerziffern in
der zweiten Woche auf etwa 380 000. Nach vor-
sichtigen Schätzungen stellt Berlin dabei etwaein
Drittel und auf das Ausland entfallen rund
35 000 Plätze pro Tag. Da aber selbstverständ-
lich nicht alle ausländischen und reichsdeutschen
Eäste jeweils von morgens bis abends an den
einzelnen Veranstaltungen teilnehmen, erhöhen
sich diese Verechnungen noch erheblich. Jm Durch-
schnitt wird die Reichshauptstadt während der
Olympischen Spiele täglich 250 000 bis 300 000
Fremde, darunter etwa 60 000 Ausländer, Leher-
bergen. Die Gesamtzahl der ausländischen Eäste
wird etwa 150 000 betragen. Zweifellos werden
diese nicht alle gleichzeitig in Berlin weilen, da
stch viele von ihnen zu Reisegesellschaften zusam-
menschlietzen, die während, zum Teil aber auch
vvr und nach den Spielen, Fahrten durch Deutsch-
land unternehmen wollen.

untergebracht. Darüber hinaus hat die auslands-
deutsche Jugend etwa 8000 Jungen und Mädel
angemeldet und autzerdem werden noch kleinere
Jugendgruppen erwartet, für die in verschie-
denen Heimen 3000 Plätze bereitstehen müssen.
An der Regattastrecke bei Grünau soll ein
Zeltlager des Deutschen Kanuverbandes aufge-
baut werden. Nach dem Vorbilü der Saar-
Sternfahrt wird der Kanuverband zur Olym-
piade eine Sternfahrt mit 10 000 Booten, die
auch an der Schlutzparade teilnehmen, veran-
stalten. 20 000 Kanusahrer müssen also hier
Unterkunft sinden.
Die Magenfrage
Eine nicht mmder schwierige Frage ist die
Verpslegung dieser vielen Tausend Eäste. Die
Verköstlgung in den Zeltlagern besorgen zum
grötzten Teil die Berliner Städtischen Volks-
küchen, während die erwachsenen Vesucher, ein-
schlietzlich der Ausländer, in den Restaurants
alles sinüen werden, was sie gerade wünschen.
Ein« vom Staatskommissar eingesetzte Preis-
überwachungsstelle hat bereits eine Verordnung
mit Richtpreisen erlassen, um Preiserhöhungen
unmöglich zu machen. Autzerdem mutz für aus-
reichende Vorräte an Nahrungsmitteln gesorgt
werden. Bei einer raschen Verteilung der Eäste
auf die Restaurants der einzelnen Stadtgebiete
wird sich auch dieses Problem in zufriedenstellen-
der Weise lösen lasten.
Höchstleistung der Verkehrsmittel
Die Berliner Verkehrsmittel haben natür»
lich in diesen Tagen ganz besonders hohe An»
forderungen zu erfüllen. Omnibusse, Stratzen-

bahnen usw. haben die Aufgabe, die Vesucher des
Reichssportfeldes so rasch als möglich nach üer
Jnnenstadt zu besördern. Nach den bisherigen
Ersahrungen — bei Kunügebunaen auf dem
Tempelhofer Feld wurden schon öster 1 Million
Menschen in etwa eineinhalb Stunden abtrans-
portiert — reichen die vorhandenen Verkehrs-
möglichkeiten völlig aus. Einsatzwagen in kurzen
Abständen und eine Anzahl neuer Omnibusse
sorgen für eine reibungslose Abwicklung.
Me Via triumpiilllis
Es ist selbstverstänülich, datz die Reichshaupt-
stadt als Gastgeberin sich ihren Vesuchern aus nah
und sern in einem festlichen Gewande zeigen
will. Es styd u. a. Verhandlungen mit den
Hausbesttzerorganisationen im Gange, um einen
würdigen Häuserschmuck vorzubereiten. Die ge-
nauen Pläne werden zur Zeit vom Staats-
kommistar ausgearbeitet.
Vom Berliner Rathaus wird über die Lin-
den und die Lharlottenburger Chaussee zum
Reichssportfeld eine Via triumphalis führen.
Füx diese ist eine sorgfältig ausgedachte, künst-
lerische Ausschmückung vorgesehen. Eirlanden-
umwundene Fahnenmasten mit den Reichsfarben
und den Farben Berlins sowie anderer Städte
des Reiches werden aufgestellt. Die Gebäude er-
halten durch Erün, Teppiche usw. ihren Schmuck.
Unter anderem ist auch ein einheitlicher Balkon-
schmuck in den Farben grün und rot geplant.
Die Plätze an der Via 'triumphalis, der Lust-
garten, der Erotze Stern, der Adolf-Hitler-Platz
werden gleichzeitig mit Fahnenmasten und Erün-
schmuck festlich ausgestaltet.
An den Abend'en erstrahlen autzerdem sämt-

liche öffentlichen Gebäude im Licht der Schein-
werfer. Ein Schaufensterwettbewerb dient dazu,
auch oie Geschäfle zu wirkungsvollen Ausstellun-
gen zu veranlassen. Darüber hinaus wird in
allen Stadtteilen dafür Sorge getragen, datz Ber-
lin durch die Beseitigung hätzl'icher Fassaden und
schlechter Reklame, durch Schließung von Bau-
lücken und dergleichen ein möglichst repräsenta»
tives Aussehen erhält.
öonderveranstllltungen;ur stlgmpillde
Ueber die Olympischen Spiele hinaus wird
die Reichshauptstadt bemüht sein, ihren Eästen
das Beste vom Besten zu bieten. Reichsdeutsche
und Ausländer sollen dabei nicht nur Gelegen-
heit haben, Berlin und seine schöne llmgebung
kennen zu lernen. Auch für Unterhaltung wird
gesorgt, und es sind bereits Vorbereitungen Zm
Gange, um währenü der ersten Augusthälfte
ebenfalls auf künstlerischem Gebiet Hervorragen»
des zu zeigen. So erfahren u. a. die Berliner
Kunstwochen im 2uni und Iuli eine llnter-
brechung, um zur Zeit der Olympischen Spiele
wieder fortgeführt zu werden. Feftvorstellungen
im Deutschen Opernhaus, Festkonzerte undzahl-
reiche Schlotzmustken stehen auf dem Programm.
Autzerdem ist eine grotze Kunstausstellung in
Aussicht genomyren, sür die allerdings heute
noch keine Einzelheiten festliegen. Anichlietzend
an die Spiele ist geplant, den auch nachher noch
in der Reichshauptstadt weilenden Eästen den
Stralauer Fischzug, der in ganz besonderer Weise
ausgestaltet werden soll, vorzuführen. So wird
ihnen Gelegenheit gegeben, einmal ein typisches
Berliner Volksfest mitzuerleben.
Noch arbeitsreiche Monate stehen bevor.
Wenn aber am 1. August bei der grotzen Er»
öffnungskundgebung im Lustgarten die Olympi-
sche Flamme entzündet wird und das grotz« Er-
eignis, auf das die ganze Welt mit Spannung
wartet, seinen Auftakt nimmt, dann wird Ber-
lin in jeder Veziehung bereit sein, seine Reprä-
lentationspflichten als Gastgeber der Welt zu
erfüllen und allen Besuchern aus Reich und
Ausland unvergetzliche Eindrücke zu vermitteln.

So lebt man unter „Sarbaren!
Mische kultur im Schutze bes Stlllltes. kine UnterreLung mit Lem Keichskulturwlllter pg. kjinkel
(Von unserer Berliner Schriftleitung.)

Quarticrkommisstou an der Arbeit
Für diefen ungeheuren Zustrom an Frem-
drn llnterkünft« zu beschaffen, ist ein« gewaltig«
Aufgabe. Die meiften Ausländer z. B. bevor-
zugen Hotelquartiere. Nun verfügt Berlin —
für normale Verhältnisse übrigens vollkommen
ausreichend — lediglich über 25 000 Hotelbetten,
von denen wieder' ein erheblicher Teil durch
Stammkunden in Anspruch genommen wird. Jn
grötzerem Umfange mutzten daher auch die Vor-
orte und Nachbarstädte, z. B. Potsdam, Oranien-
burg, Wittenberg, Frankfurt a. O. und andere,
herangezogen werden.
Autzerdem werden für die Ausländer, nach
Kolonien abgegrenzt, in den westlichen Stadt-
bezirken Berlins Privatunterkünfte beschafft.
Um hierbei eine befriedigende Abwicklung zu ge-
währleisten und den Ausländern, die die deutsche
Sprache nicht beherrschen, mit Rat und Tat hel-
f«n zu können, erhält jeder von ihnen einen
Plan seines Stadtteils überreicht, in dem das
für ihn zuständige Auskunftsbüro verzeichnetist.
2n diesen Büros ftehen Dolmetscher zur Ver-
fügung. 2000 Fremdenführer und Dolmetscher
werden zur Zeit für diese Zwecke ausgebildet.
Jn ähnlicher Weise wird für die reichsdeut-
Ichen Eäfte Ler Hauptstadt gesorgt. Wenn man
von den vorliegenden Ziffern etwa ein Diertel
in Abzug bringt für diejenigen Besucher, die
stch felbst Quartier« beschaffen, müssen aber im-
werhin noch Tausende von Unterkünften bei
Familien in den übrigen Stadtbezirken ausfin-
dig gemacht werden. Bis zum Deginn der Olym-
pifchen Spiele benötigt Lie Quarti'erkommission
200 000 Privatquartiere, 20 000 Massenquartiere
und 25 000 Hotelzimmer.
<84 000 Wohnungen werden geprüft
Di« Privatquartiere werden durch die NSV
vermittelt. Ueber 17 500 Prüfer mutzten einge-
setzt werden, die nahezu 464 000 Wohnungenauf-
zusuchen haben. Jedes Quartier ist unter Angabe
sämtlicher Einzelheiten (Erötze, Vettenzahl,
Frühstück, Preis usw.) in einer Wohnungskartei
eingetragen. Allein 25 Personen sind ausschlietz-
lich damit be^chäftigt, diese Kartei zu führen.
Jn den städtischen Turnhallen und anderen
ßrotzen Sälen sind Massenquartiere vorgesehen,
fur di« eigens fogenannte Heidelberger Schnell-
uetten, die sich als besonders praktisch erwiesen
haben, angefchafft werden.
)e!tstllLte im VrunewalL
Etwa eine Viertelstunde vom Reichssportseld
^ntfernt, wird an der Havel eine Zeltstadt auf-
üebaut. die die ausländische Sportjugend und
ausländische Sportstudenten beherbergen soll.
Das Organisationskomitee hat nämlich an jede,
an den Spielen teilnehmende Natton die Ein-
tadung gerichtet, 30 Jugendliche mitzubringen,
a>e auf Kosten des Komitees sllr 14 Tage in
"^lem Zeltlager untergebracht werden.
, Ein zweites Zeltlager errichtet der Retchs-
vund^ für Leibesübungen unweit der neuen
4>eutschlandhalle. Jeder Verband, der Mitglied
?es Reichsbundes ist, wird durchschnittlich 500
^ffagen auf acht Tage nach Verlin schicken. Etwa
oooo Jugendliche «rleben so unvergetzliche Stun-
aen bej ben Olympischen Spielen.
, Ebenfalls im Erunewald entsteht ein wei-
^res Zeltlager, das etwa 1500 Angehörige der
?"ler-Jugend aufnehmen soll. Dies Lager wech-
s." dreimal di« Bewohner: zweimal werden hier
a^e Jungen und einmal die Mädel des BDM

Drel Jahre sind jetzt seit der Machtüber-
nahme verflosserr. Wir haben alle Kräste an-
gespannt, um das Werk des Aufbaues lang-
sam unü stetlg vorwärts zu tragen. Das Zeter-
geschrei der Emigrantenpresse war bie Be-
gleitmufik bet allen Bemühungen, gesunde
und klare Verhältnisse im neuen Reich zu
schaffen. Von den kräftigsten Posaunenstötzen
der „Barbarei" bis zu den mildesten Flöten-
stimmen „übergangener Menschrechte" wurde
öie Skala der Verwünschungen und Verdäch-
tigungen gegen das nationalsozialistische
Deutschland durchlaufen. Däs „arme Volk
Zfon" war das „Bariationsthema" des Mit-
leids, das alle Orgeln der marxistischen Jn-
telligenz der Welt abwandelten, und während
öer Nationalsozialismus den Juden in
Deutschland alle Wege ebnete, um öie von
ihnen selbst vergrabene Eigenkultur aufzu-
richten, überschüttete man draußen die fäl-
schen „Peter Martin Lampels" und ähnliche
Hochstapler mit Lorbeeren und Mammon.
Es wäre müßig, nur allein gegen die Un-
öankbarkeit ins Feld zu ziehen. Wtr sind es
nicht gewohnt, das Lob der öffentlichen Mei-
nuug billig zu erwerben. Wir verrichteten im
Stillen das Werk, das die Jdee des Führers
bestimmt hat. Und wenn wir heute die Schein-
werfer der Presse auf die jüdische Kultur in
Deutschland lenken, so geschieht es deshalb,
um nach Abschluß einer Entwicklung die Wahr-
heit an Hand unwiderlegbarer Tatsachen auf-
leuchten zu lassen, die den Beweis erbringen,
daß in keinem Staat öer Zivilisation öem jü-
dischen Volkstum so viel staatliche Förderung
unö so viel behördlicher Schutz zuteil wird,
wie bei uns.
Die Organisation
Reichskulturwalter Hinkel, der von Anfang
an diese ganzen schwierigen Fragen »u be-
treuen hatte, gab dem Dr. I. F., Mitglieb
unserer Verliner Schriftleitung, Gelegenheit
zu einer längeren Aussprache in der er inter-
essante Einzelheiten über die Organisation
und die künstlcrischen Möglichkeiten des Ju-
-entums bekanntgab.
Bereits im Jahre 1033, zu einer Zeit, in
der wir im eigenen Hause noch die dringlich-
sten Säuberungsaktionen zu bewültigen hat-
ten, wurde der „Jüdische Kulturbund Berlin"
genehmigt, öer es heute bis auf 37 000 Mit-
glieöer gebracht hat. Neben ihm entstanden
in vielen Städten des Reiches ähnliche Bünde.
Durch einen Erlaß vom August vorigen Jah-
res wurden alle jüdischen Kulturvereine zu
einer Zwangsorganisation verbunden, dem
„Reichs - Verband jüöischer Kulturbünde",
der öie stattliche Mitgliederzahl von 124 000
erreicht hat. Jn erster Linie war damit die
finanzielle Grundlage sichergestellt, außerdem
bekam der kulturelle Einsatz durch die Ueber-
sichtlichkeit der Organisation eine umfassende
und vielseitige Wirkungsebene. Ausübende so-
wie Besucher der Veranstaltungen können nur
Volljuden sein. Sie stehen außerhalb der
Reichskulturkammer, werden aber von einer
besonderen Stelle öes Propagandamininste-
riums, unter Leitung von Pg. Hinkel, erfaßt.

Diese strenge Scheidung geschieht sowohl im
Juteress« öer Reinerhaltung der deutschen
Kultur als auch zur Stützung des jüdischen
Eigenlebens, eine Kraft, die, wie Dr. Steg-
frieö Moses bekennt: „Fetzt auf dem Gebiet
öer Kultur wach und wirksam geworden, durch
den Eingriff zugleich gelöst und gebunden wor-
den ist". Und der Jude kann hier in großzü-
gigster Enifaltungsmöglichkeit, fo wie er nach
seinen Worten jetzt will, „Die Kultur der Um-
welt tm sicheren Gefühl der etgenen Wesens-
art leben". Das ist wahrlich öte größte Frei-
heit, die man einem Volkstum geben kann!
An diesem Beispiel erhärtet sich die fortschritt-
liche und naturgebundene Tendenz öer völ-
kischen Jdee öes Nationalsozialismus, die alle
Konflikte und Schädigungen, an denen künst-
liche staatliche Gebilde immer zn leiden haben
werden, ausschaltet.
Die Besucherorganisation des Reichsver-
bandes jüdischer Kulturbünde ist nach den mo-
dernsten Mustern ausgebaut. Sie hat Abtei-
lungen für Theater, Musik, Vortragswesen,
sowie Umschulungsämter für die soziale Be-
russ-Bermittlung. Jedes Mitglied hat für
einen Beitrag von RM 2.50 pro Monat An-
recht auf zwei Veranstaltungen, die es nach
Vorzeigung eines mit Lichtbilö versehenen
Ausweises besuchen darf.
wie belätigt sich Ler jiiLische künstler?
Man ist wirklich baß erstaunt, wenn Hinkel
erzählt, daß Verlin ein großes stehendes The-
atcr der Juden hat, mit den modernsten tech-
nischen Mitteln ausgestattet. Oper, Schauspiel
und Operette kommen hier wie in einer regel-
rechten deutschen Bühne zur Wiedevgabe in
einer ganzjährigen Spielzeit und bei wechseln-
dem Programm. Jntendant ist der bekannte
Dr. Kurt Singer, dcm als Generalmusikdi-
rektor der früher in Mannheim wtrkende Di-
rigent Rosenstock zur Seite steht. Sander,
Michael Taube, die Sängerin Ruth Wolff-
reim sind weitere musikalische Grötzen der
Systemzeit, auch Fritz Jessner vom Schauspiel,
Hat hier neben Julius Bab und Dr. Eloesser
etne neue ihm zusagende Tätigkeit gefunden.
Was wirb gespielt?
Das Hauptbetätigungsfeld soll das Erleb-
nis der jüdischen völkischen Kultur sein, aber
bei dem Mangel an eindeutigen Zeugnissen
rein jüdischer Kunst hat sich der jüdische Dar-
stellungstrieb der gesamten Weltliteratur an-
genommen. Jm Spielplan des jüdischen The-
aters erschienen bis jetzt: „Nathan der Weise"
von Lessing, „Othello" von Shakespeare, „Die
neugierigen Frauen" von Wolf - Ferrari,
„Esther" von Grillparzer, „Die Wilöente" von
Jbsen, „Hoffmanns Erzählungen" von Ofsen-
bach, „Die Schießbude" von Kool, „Weekend"
von Coward, „Jeremias" von Stephan Zweig,
„Die gelehrten Frauen" von Moliere, „Die
verkaufte Braut" von Smetana, „JaakobS
Traum" von Beer-Hoffmann, „Jm Spiel der
Sommerlüste" von Schnitzer u. a.
Alle Veranstaltungen sinö gut besucht. Sie
sind zwar genehmigungspflichtig, aber es wird

nach loyalen Maßstäben zenstert unb nur bei
staatsfeinblichen Tendenzen eingeschritten. Ne-
ben dem Theater gtbt es einen Zyklus von
Symphoniekonzerten und reichhalkige, beson-
ders gefragte, Kabarettabenbe. Bet der leich-
ten Muse kommt es manchmal vor, öaß mtt
ihr einzelne satyrische Giftspritzer auf Umwe-
gen durch die Maschen des Gesetzes zu schlüp-
fen versuchen. Wir sahen in einem Manuskript
einen echt jübischen Refrain, der mrt kalter
Hand bie Rassenfrage lächerlich zu machen ver-
suchte, der öenn auch dem Rotsttft zum Opfer
fiel. Es find aber Ausnahmen, da keine Matz-
stäbe deutscher Moral an jüdische Aeußerungen
gelegt werden, sondern jeder „nach feiner
Facon selig" werden soll, soweit die Grenzen
allgemeiner Sittlichkeit gewahrt bleiben. Vor-
stellungen finden an jeden Tagen der Woche
statt, bis auf den Freitag Abend, an dem öer
Sabbath beginnt.
Jüdische Knnst — ei« glänzeubes Geschäft.
Wie beliebt die Veranstaltungen in Berlin
sind, und wie alles anderes denn „bitter Not
die Juöen kulturell bef uns zu leiden haben",
erhellt die Statistik, daß in einer halben Spiel-
zeit bereits 528 611 jüdische Vesucher gezählt
wurden, eine geradezu phantastische Zahl, um
die mancher pleite gegangene Direktor mo-
saischen Glaubens der Systemzeit selnen neuen
nichtemigrierten Kollegen beneiden würbe. Da-
mals gab es ja noch keinen bösen nationalso-
zialistischen Staat und keinen wirtschafklich ge-
sunden jüöischen Kulturbund! Dieser finan-
ziert sich selbst aus seiner Besucherorganisation
und er bestimmt feine leitenden Persönlichkei-
ten, sowie seine Künstler, die allerdings von
amtlicher Stelle betätigt werden müffen.
Der Reichsverband öer jüdischen Kultnr-
bünde, der bis in alle Einzelheiten fachgemätz
öurchgegliedert ist, wurde absichtlich unter zio-
nistische Führungn gestellt, und auch im Vor-
stand von der orthodoxen Fudenbewegung
durchdrungen, da Hinkel jede Möglichkeit einer
offenen oöer getarnten Assimilation verhtn-
dern will. Die kulturelle Arbeit der Juben
auch im Reich wird aus diesen Gesichtspunk-
ten heraus weitgehendst gefördert. Jn Berlin
genehmigte Programme können ausnahmsloS
in der Provinz gespielt werden. Wo keine an-
öeren Raummöglichkeiten bestehen, dürfen
arische Saalbesitzer an Juden vermieten, ohn»
datz ihnen ein SHaden geschieht.
3o sieLt Lie UnterLrütung nus!
Wir gehen mit Pg. Hinkel einig, öatz eS
eine größere Bewegungsfreiheit, wie sie der
jüdischen Kuliur bei uns eingeräumt wirö, in
keinem Land der Erde gibt, was auch die Aus-
führungen von Dr. Kurt Singer bestätigen,
die er uns vorgelegt hat: „Wenn ich heute zu-
rückdenke, die Gänge wiederhole, die in Mini-
sterien, bei der Polizei und Staatspolizei, in
den Büros jüdischer rcpräsentativer Persön-
lichkeiten enöeten. Fch möchte ste mit allem
Für und Wider, allen positiven und negativen
Aussprachen, allem Wartcn, Hosfen, Vangen
 
Annotationen