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Volksgemeinschaft: Heidelberger Beobachter, NS-Zeitung für Nordbaden (6) — 1936 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.9503#1882
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8siis 3

tleiäelders



Kucklacktouristen
Der eine fährt mit seinem Mercedes durch
die Lande, wird unter vielen Bücklingen und
Begrüßungen empfangen, üer andere zieht es
vor —>aus finanziellen oder idealen Eründen—,
mit genagelten Schuhen, den Tornister auf dem
Rücken zu wandern.
Ilwd über diese anderen Lutzerte sich einmal
ein Hotelier also: „Heute äben-d ist es besser
wie am Mittag —", und er wies ans den statt-
lichen Autopark, in dem sich zufällig auch der
Wagen befand, der mich hierher gebracht hatte
„—heute Nachmittag waren nur lauter so Ruck-
sacktouristen üa..."
So, sagte ich, Rucksacktouristen, — zu denen
gehöre ich anfonsten auch. — Autzerdem sagte ich
dem Hotelier noch manches andere, auch «inen
Ausspruch Reichsminister Dr. Eoebbels, datz, je
weniger man wirtschaftliche Erwägungen beim
Fremdenverkehr anstelle, er umso besfer floriere.
Alle sind unsere Gäste in Heidelberg, die un-
sere Heimat besuchen, o>b im Auto oüex zu Futz.
Und gerade heute mützten eigentlich alle Hots-
liers diese Gastlichkeit aus natürlicher Höflich-
keit, aus der 2dee der Volksgemeinschwft und
auch — aus wirtschaftlichen Eründen heraus —
gut verstehen!
Es sind unsere willkommenen Gäste, und
u>enn wir ste als solche behaNdeln, werden fte
uns immer wieder aufjuchen.
Zehn Zntire werderplah
Jn seiner jetzigen G-estaltung kann öer
Weröerplatz nunmehr auf ein zehnjähriges
Jubiläum zurückblicken. Besichtigt man heute
biesen Platz, so staunt man über bas rasche
Wachstum ber öamals angepflanzten Gehölze,
seien es Bäume oöer Sträucher. Besonöers
öie Nadelgehölze sinö zu prächtigen Stämmen
herangewachsen, öie in der Gruppe am Kin-
öerspielplatz unö an öer Figur vor öer Ro-
senlanbe eingeordnet sind. Mit öen Auffül-
lungsarbeiten dieses Platzes wuvde gleich nach
Ausbruch öes Krieges begonnen unö viele
Hunöerte von Müllfuhren nahm der Platz aus,
bis di-e gewünschte Grundstückshöhe erreicht
wurde. Dabei wurde öer gute Mutterboöen
gleich nach oben gebracht.
Auf öiese Weise wurbe ein sehr lockerer
Boden gewonnen. Heute öarf öiese Anlage
z« einer öer schönsten unserer Stadt gerech-
net weröen.
Die große Ligusterhecke um öen 88 Ar gro-
tzen Platz wuvde vor 20 Jahren angepflanzt
unö öarf sich zu öer schönsten unserer öfsent-
lichen Anlagen rechn-en. Bor öer Umgestal-
tung in öie h-eutige Gartenanlage wuröe öer
Platz landwirtschaftlich ausgenützt, sei es durch
Kartoffeln, Klee oder Gras. Heute bilden Zi-er-
sträucher in öen verschieöensten Farben den
besonöeren Schmuck des Platzes. So finden
wir schneeweiße Deutzien uuö Spiersträuchern
in Gruppen geordnet, goldgelbe Kerrien, ein-
fach unö auch gefüllt beleben sie diesen Schmuck-
platz und bunte Darwintulpen ragen in öen
verschiedensten Stellen öer Rosenrabatte präch-
tig blühend hervor.
Dort finden wir wieöer leuchtendrote, ja-
panische Quitten oder Feueröorne. Die erst
vor einigen Jahren errichtete große Rosen-
laube ist nun so kräftig zusammengewachsen,
öaß ste in öer ösmnächst beginnenöen Rosen-
zeit eine Sehenswüröigkeit werden wird. Jn-
mitten öes Platzes befinöet sich eine ruhig
wirkenöe Rasenanlage, öie von zwei grotzen
Blumenbeet-en flankiert wird. Jnnerhalb
einiger Jahre ist aus einem Ack-ergelände
eine prächtige Grünanlage geworöen.


Aufnahmei Bergmayer
Der Ba« ist i« be« Umrisse« sast sertig gestelll.

vas AMgllrkn-lafino ersteht
Vie VllUllrbeikll sinL ln oollem Kaog
Als vor wenigen Wochen in Heidelberg auSgerottet. Ja — «nd da wirb gebubdekt
ein Geraune anhob „ste" würöen im Stadt- und gebaut, batz einem öie Augen übergehen.
garten etn Castno bauen, öa zuckten die kom- Es wuröe unheimlich geschafft tn öen letzten
munalpolitischen Skeptiker gewohnterweise mtt Tagen, öenn tatsächlich und wahrhaftig: öie
den Achseln. Pläne, was für Pläne „sie" aus- Umrisse des neuen Stadtgarten-Castnos sind

hecken. Jndessen: die Skeptiker wurden rasch
zum Schweigen gebracht, unö manchem bleibt
— mit Verlaub zu sagen — die Spucke weg,
wenn er in diesen Tagen öurch die Anlagen
trippelt und einen Blick in öen Staötgarten
wirft.
Donnerwetter, öa hat sich allerhand geän-
dert. Der chinestsche Manöarinenpalast ist end-
gültig verschwunüen, mit Stumpf unö Stiel

schon fix und fertig. Es ist nicht mehr bie
Phantasie eines Zeichners notwenöig, um nach
dem Grundriß die etwaige Fassade ber Zu-
kunft zu zeichnen, heute kann man die Linien
greifen. Kein Zweifel, öie Bude wirö ganz
ordcntlich — welch respektloser Ausdruck. Am
Tage öer Einweihung jedoch werden wir un-
sern besten Benimm mitbringen. ^nn.
vor Kericht

liederjahne
llle kjeidelberger Schbffen gaben lebrreiche 0enk;ettel

Schon zum öritten Male hatte stch gestern
öer 37 Jahre alte Friedrich Bloching we-
gen Erregung öffentlichen Aergernisses vor
dem Richter zu verantworten. Jm Februar
dieses Jahres war er im Stadtwald, um Holz
zu holen, und benahm stch dabei Frauen gegen-
über in öer schamlosesten Weise. Der Sach-
verständige, Meöizinalrat Dr. Schiffmann vom
staatlichen Gesundheitsamt, schilderte den An-
geklagtcn als einen asozialen, moralisch tief-
stehenden, haltlosen Psychopathen. Das Schöf-
fengericht verurteilte Bloching wegen Er-
regung öffentlichen Aergernisses in drei Fäl-
len unö wegen wörtlicher und tätlicher Ve-
leidigung zu sieben Monaten Gefängnis, ab-
züglich zwei Monaten Untersuchungshaft. Der
Staatsanwalt hatte elf Monate Gefängnis be-
antragt.
*
Ein guter Fang gelang der.Heidelberger
Kriminalpolizei, als sie im Januar den 37
Jahre alten Henry Gericke und den 21jäh-
rigen Ernst Zapf, beide gebürtige Sachsen,
festnahm. Die Zwei waren in Leipzig in öem
gleichen Geschäft angestellt. Sei es, öatz ihnen
ihr Gehalt nicht ausreichte, sei es, datz es
ihnen in der Heimat zu eng wuröe, sie ver-
ließen ihre Stelle und begannen als Vertreter
von Lebensmitteln und anöeren Gegenstänöen
zu reisen.

Jn fast jeder Stadt legten ste stch andere
Namen zu unö bezogen die besten HotelS.
Wenn sie wenig Ersolg hatten, verkauften ste
die Artikel, öie sie zur Ansicht mithatten und
verschwanden dann, ohne ihr Zimmer zu be-
zahlen und manchmal mit beträchtlichen Schul-
den. Durch ihr gutes Aussehen und das stchere
Auftreten gelang es ihnen, gutgläubige VolkS-
genossen hereinzulegen. Seit Dezember trte-
ben sie in Heidelberg ihr Handwerk. Zu
ihren Betrügereien lietzen sie sich hier noch
eine schwere Urkundenfäkschung zuschulden
kommen, inöem sie einen Strafbefehl, den sie
erhielten, weil sie ohne Gewerbeschein reisten,
mit falschem Namen unterschrieben.
Der Vertreter der Staatsanwaltschaft be-
antragte gegen Gericke, der schon wiederholt
wegen Betrugs vorbestraft ist, eine Gefäng-
»isstrafe von einem Jahr, gegen Zapf acht
Monate Gefängnis. Das Schöffengericht ver-
urteilte Gericke wegen fortgesctzten gemein-
samen Betrugs im wiederholten Rückfall unb
wegen schwerer Urkundenfälschung zu einem
Jahr Gefängnts, Zapf wegen öes gleichen De-
liktes, jedoch nicht im Rückfall, zu sechs Mo-
naten Gefängnis. Bei beiden wurden, da sie
von Anfang an geständig waren, z-wei Monate
der Untersuchungshaft auf öie Strafe an-
gerechnet.

Me beiden Wöchter über ljeidelberg
ller kljnigstuiil und der keüige kerg - einstmllls Schrechgespenster unserer öroßeltern

Schwexer Verkehrsunfall. Deim Einbiegen
von der Schurmannstratze in die Thibautstratze
zeigte ein 28 Jahre alter Radfahrer die Aende-
rung -seiner Richtung nicht an, und stietz infolge-
besten mit einem Personenkraftw-agen zusam-
m-en. Der Radfahrer erlitt einige Rippenbrüche
sowie eine Ritzwunde an d-er linken Kopsseite:
«r wurde in die chirurgische Klinik verbracht.
Das Fahrrad wurd-e leicht befchädigt.
Margarete Kictzling wieder im Fuuk. Am
Samstag, den 9. Mai, singt öte Koloratur-
sängerin Marg. Kießling, vom hiesigen Stäöt.
Theater, in öer Sen-dung des Reichssenders
Frankfurt, „Heitere MaiLowle", abenbs 20.10
Uhr bis 22 Uhr, Walzer von Joh. Strauß,
„Geschichten aus öem Wienerwald" unö „Lie-
beswalzer" sowie das „Stänöchen" von Rich.
Strauß. Die Sendung wirö vom Deutschlanö-
sender übernommen.

W-eöer in Mus-e-en noch in unser-en Alter-
tumssammlungen finden wir di-e ältesten Z-eu-
g-en unserer Heimat am Neckar: vielm-ehr grü-
tz-en sie uns täg-lich, wo wir auch gehen un-d
st-ehen, mit ihren Lewaldeten Kuppen unö er-
frischenöen Höhen: d-cr Königsstuhl unö d-er
Heilige Ber-g. Jhre schön geschwung-enen, in
klassifcher Reinheit und Grazie ausklingenöen
Linien sinö Denkmäl-er frühest-er g-eologischer
Vorgän-ge unö boten sich dem Homo Heidel-
bergensis, d-em scltsamen Bewohner des Oöen-
walöes aus frühst-er Vorzelt, dessen Gebein-e
man bei Mauer jsüölich von Heidelberg) fanö,
genau so schon öar. wi-e wir sie heut-e noch er-
blicken. Nur mag öa noch üppiger, fast tropi-
scher Urwalö gewuchert hab-en, wo heute g-e-
pflegte G-ehwege durch schöne Wälö-er führen.
Auch öem w-eiömannsfrohen Siegsrieö win-kten
beide Wächter am Eingang d-es Neckar zum

wildreich-en Oö-enwalö ebenso ver-führerisch
zu, wie schon Jahrhunderte früher den länö-er-
hungrigen Römern, öie sich hier blutig-e Köpfe
holten.
Den A-lemann-en wi-e schon vor ihnen öen
Kelt-en waren berde Höhen heilig. Der König-
stuhl soll einer alt-en Sag-e nach s-ein-en Namen
von bem uralt-en König -ö-er Deutsch-en, Ester-
mann, erhalten hab-en, währ-enö der Heili-ge
B-erg sch-on viele Namen über sich erg-ch-en
lass-en niußte. Di-e Römer nannten ihn „Mons
Piri" jBirnbaumberg), wie sehr viele Gelehrt-e
annehm-en, Wi-e die Alemannen ihr Wotans-
heiligtum nannten, ist uns leiöer unbekannt
gebli-cben. Die Franken, öie di« Alemannen
unö Burgunderreste hi-er verdrän-gten, nannten
ihn U-birineAberg. Daraus machten öie Mönche
öes Klosters Lorsch, die auf seinen beiöen Gip-
feln z-wei Klöst-er bauten, A-Lrahamsberg (Mons

greitag, drn 8. Mai 1S8I

Abrahae), fpäter Allerheiligenberg. Nachdem
betbe Klöster seit etwa 1500 von öen Mönchen
vevlaffen wurden unö verfielen, bemächtigte
stch eine seltsame Scheu vor d-en v-erlassenen
Höhen der Umwohnenöen. Jahrhunö-erte lang
erzäh-lte stch das Volk, öaß die Heidelberger
Hexen in öer Walpurgisnacht auf ihren Besen
über öen Gipf-el d-es verödeten Klost-erb-erges
reit-en, unö starrten angstersüllt in öen wilöen
Nächt-en öort hinauf, wo es nicht g-eheuer war.
Das war es ab-er auch wirklich nicht, selbst
für n'üchternste Realisten, di-e höhnisch über
Hex-enspuk als alte Ammenmärch-en lächelten,'
denn dort o-ben nisteten sich, besond-ers seit öem
80 jährigen Kriege, Weg-elager-er «in, bisweil-en
ganze Räuberbanöen, di-e zur Lanöplage wur-
d-en. Aus einsamen Schlupfwinkeln des Oöen-
(k'etit pvlnt) vorZemalt, vorti'388lert
VUunvI vllll' »llvll uncl mit 3U8868tict<ten iViotiven, iu
walöes uud Spessart, brach-en sie imm-er wie-
der unerwartet heroor und überfi-elen die
Ncisendcn, die auf der B-ergstraße vorbeiwoll-
ten.
Die Liselotte von d-er Pfalz erinnerte stch
noch in älteven Jahren mit Schauöern der
gelleuden Hilscrufe, die gelegentlich zu ihrem
offenen Fenster ihres Mü-dchenzimmers im
Fri-edrichAbau des Schlosses drangen.
W-er Bücher unö Vild-er früherer Jährhun-
d-erte zu unserer Heimatgeschichte öurchbl-ättert,
finöet imm-er wied-er Spuren d-er eigenartigen
Sch-eu, mit der uns-ere Vorfahren seit öe-m
80 jährigen Krieg-e öie Höhen des Heiligcn
B-erges und des Königstuhles gemieöen haben.
Fhnen fiel es gar nicht eiu, öiese Höhen als
Evholungsplätzchen an Fei-ertag-en aufzusuchen.
Kein Dichter oö-er Schriftsteller erwähnt den
Weitblick von dort oben in di« Rheinebene
h-inü-ber od-er über die walöigen Höhen dcs
Oöenwalöes als eines unvergeßlich-cn Erleb-
niss-es, kein Maler ließ stch einfall-en, im hellen
Sonnenlicht beid-er Gipfcl i-hre h-errliche Lan-
schaft zu mal-cn. K-ein Spaziergäng-er war bort
oben zu finöen.
Wir wollen längst vermoöerte Geschlechter
beshalb nicht falsch b-eurteilen: sie hatten zu
oft Grund g-enug gehabt, von diesen Höh-cü
nur Schlechtes zu befürchten. Wenn j« feiud-
liche Truppen d-er S-tadt nahten, öann natür»
lich nicht von öer RHeinebene her, sonöern
überraschend von ob-en dräuen-d: vom König-
stuhl aus konnten ste mit wohlgezielten Kano-
nenschüffen das Schlotz öer KuvpfKlzer bestret-
chen, öie Statnen des Fri-edrichsbau-eS beschä»
dtgen unö Brandkugeln auf die Dächer feuern.
Bon dtesen unangenehnien KntffeN krlegS-'
tüchttger Heevführer, das Schlotz an setner
schwächsten Seit« zu beörohen, «rzahlen «nS
noch -t« ursprünglichen KöntgS- «nd Pfalz-


grafen-Statu-en der Hofseite deS FrteörtchS»
baues, d-en-en Kugeln übel mitgespielt haben.
Da ist ein-e Hanö hinweggeriss-en, dort «in Betu
oö-er Kopf. Der wütewde Tilly ließ schon bet
s-einer Belag-crung Heiö-elbergs 1623 vom Kö-
nigstuhl und Heiligen Berg in Schlotz unö
Staöt hinabschießen, wie so viele nach iHm,
Franzosen, Schw-eden unö andere. Wir begrei-
fen also, weshalb die Heiö-elberger j-ener furcht-
baren Jahrhunö-erte nicht mit lustiger Mtene
stng-en mochten: „Was kommt öort von der
Höh", wie es spät-er die Studenten so oft ta-
tcn.
Erst öi-e Romantik öffnej-e unseren Vorfah-
ven d-en Blick für di-e Schönheiten auf der
Höhe, Achim von Arnim und Clemens Bren-
tano wand-erten mtt ö-er Laut-e um den HalS
dort oben entzückt umher. Maler begannen
öi« herrlichen Rundblicke zu malen, ganze Ge-
sellschaft-en zogen an Sonntagen hinauf in
die wunöervole Walöeinsamkeit unö machten
öort oben Picknick.
Als öann gar zur Jahresfeier des Sieges
der Völkerschlacht bei Leipzi-g Fr-euöenseuer
1816 auf d-em Königstuhl ausflammten, schien
öamit all-er Spuk früh-erer, schlimmer Jahr-
hunöerte für immer gebannt.
Der Königstuhl bekam seinen AussichtZ-
turm, ein Wirtshaus, gar noch eine Stern-
warte, schließlich wurde der Heilige Berg, der
seinen St-efansturm mit ber Wetterfahne
hatte, di-e Feierstäte unserer nationalsozialisti-
schen Feiern zum 1. Mai, -der Reichs-festspielo
unö Volksseiern. Damit ist nun sür immer
öer Vann gebrochen, ö-en frü-here Jahvhun-
berte auf ö-as „Heiöenloch" unö öie zerfallenen
Klosterruinen gelegt hatten. F. B.
 
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