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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (1/2) — 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.44126#0259
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»eiter arbeiten, nachdem Maschinen, Transportpreise, Kali^usf. ungeheuer
Aerhältnis zum Erlös^der Landwirte. Die Landwirtschaft sollte möglichst
T.st'st, -l" Pr:": «e—-"'k
denen die Zwangswirtschaft beibehalten wird. Es ist eine^unmö,
di- i^odM.isch-ftlich — zu '
dald' eine A en de rungkommy' erleben wir den^wirtschastlichen Zusammen-
bruch Wir wünschen, daß sich die badische Regierung Berlin gegenüber
»ehr Freiheit verschafft, denn bei uns sind die Verhältnisse anders Wir
Ordern, dah die Zwangswirtschaft beiseitgeschafft wird und wir verengen
Preise, die die Kosten der Produktion decken. Nur so kann Deutschland
^Abg Dr^Schvfer (Ztr.) berichtet namens der Kommission über
den Antrag Dietrich (Dem.) auf Erhöhung der Höchstpreise für land-
»ittschaftliche Erzeugnisse und über den Antrag Albi etz (Ztr.) aut
Aushebung der Eierzwangsbewirtschaftung. Die Kommission beantragt,
°>« beiden Anträge durch die Regierungserklärung als erledigt zu
. ^Abg" Sanger (Dem.) begründet den Antrag Dietrich auf E^
Höhung der Höchstpreise für landwirtschaftliche Erzeugnisse, namentlich
Getreide, Kartoffeln, Fleisch und Milch, vor Beginn der Fruhiahrs-
Stellung. Der Redner bezeichnet es als ein Unding, daß ein Landwirt
600 Mk. für Getreide erhält, während der Nachbar, der Ruben
klanzt dos Dreifache erhält. Beim Vieh mästen wir dazu übergehen,
Fell dem Landwirt zuzuschreiben. Die Landwirtschaft muh sich ren-
?Abg. Albietz (Ztr.) begründet seinen Antrag auf Aufhebung der
^A^sKschs^a-Nr (D.-Ntl.) begründet seine Anfrage über die
Beigabe des Tabaks von 1919.
. Minister Remmele macht zunächst den Abg. Fischer darauf auf-
Lerksam, datz auch beim Tabak Reichsrechl vor Landesrecht geht Jede
Mfsorderung zum Ungehorsam ist nach dem St.G.B. strafbar,
fetten wurde in einer Versammlung beschlossen, das Postamt zu be-
Arn, die Akten des Kommunalverbandes zu verbrennen uff. Hiergegen
?sti> die Regierung vorgehen, wie dies in einem anderen Falle der <wstrz°
^Nister heute ebenfalls erklärte. Was die Frage der
Zwangsbewirtschastung
Ä allgemeinen betrifft, so hoben wir der Reichsregierung erklärt, datz
sür tzje Tabakpflanzer bei unseren Parzellenbetsteben weitestgehendes
t»gegenkommen verlangen. Die badische Regierung tat in der Tabal-
x. 8e, was sie konnte; sie kann nicht zum Ungehorsam gegen Reichsgesetze
,i"iiten. Außerdem müssen wir damit rechnen, datz bei -abakfreigabe
starke Ausdehnung des Tabakanbaues erfolgt. Die Begründung des
«»Iraqes Mayer steht nicht im Linklang mit dem schriftlich formulierten
Alltag. Die Erfüllung und Rationierung mutz im Gefolge haben die
Setzung der Höchstpreise, sonst fehlen der Regierung die Möglichkeit,
sj'* Produkte zu fasten. Line Regierung die Verantwortung trägt, ob
l/.ttn« republikanische oder eine monarchische ist, mutz Zwangswirtschaft
^ben. Denn da wir nicht genügend Nahrungsmittel haben, müllen
das Vorhandene rationieren. Ohne ordnungsmäßige Verteilung
U>Nen wir nicht aus. Wir stehen vor der Gefahr, datz die städtische
Adsttestchaft infolge der Knappheit Schwierigkeiten macht. Und da soll
die Zwangswirtschaft aufheben. Infolge der Einstellung der Liefe»

Badischer Landtag.
16. öffentliche Sitzung.
xr. Karlsruhe,?!. März.
Präsident Kopf eröffnet die Sitzung um 3.20 Uhr.
Kurze Anfragen.
Auf eine kurze Anfrage des Abg. Königsberger (Soz.) über
Einsicht in die Dien statten ohne Benachteiligung teilt Unter-
richtsminister Hummel mit, datz das Ministerium hierzu bedingungslos
bereit ist. — Aus Anfrage des Abg. Großhans (Soz.) betr. Aus-
führung des Reichsjiedelungsgesetzes bzw. Umgehung
durch zuvorige Veräußerung teilt Minister Rückert mit, datz diese
Verkäufe oer Genehmigung des Ministeriums bedürfen. — Auf eine kurze
Anfrage Helsfrich (Ztr.) betr. Kriegsversicherung teilt Minister
Remmele mit, daß die Bezirksämter angewiesen sind, hierüber die
Bevölkerung zu unterrichten. — Auf eine kurze Anfrage des Abg. Rösch
(Soz.) wegen Ausweisung des Unabhängigen Neumann teilt Minister
Remmele mit, daß Rücksichten auf die Ernährungsverhältniffe maß-
gebend waren, wie auch der Aufenthalt anderer beschäftigungsloser Per-
sonen gleichwie bei Neumann beschränkt werden mußte. — Auf eine kurze
Anfrage des Abg. Hamann (Soz.) betr. den Ernährungsverhältnissen
in den Strafanstalten teilt Iustizminister Trunk mit, daß die
Verhältnisse von der Regierung beobachtet werden. Die Ernährung der
Gefangenen steht nicht hinter der durchschnittlichen der übrigen Bevölke-
rung zurück.
7. Nachtrag und Interpellationen.
Abg. Dietrich (Dem.) begründet seine Interpellation über die
Wiedereinführung der Akkordarbeit, da der heutige
Mensch zur Arheit des Antriebes bedarf und dieser Antrieb ist der Eigen-
nutz. Nach Wiedereinführung der Akkordarbeit ist in den betreffenden
Betrieben die Arbeitsleistung gestiegen. Ohne Bedenken könnte die
Akkordarbeit wieder in den staatlichen Werkstätten eingeführt werden,
wobei der Stücklohn vernünftig eingeteilt werden müßte im Gegensätze
zu früher. Die mangelhaften technischen Einrichtungen der Werkstätten
find nur zum Teil an den geringen Leistungen schuld.
Finanzminister Dr. Wirth weist darauf hin, daß die Anfrage nicht
5 Minuten vor 12 Uhr, sondern um 12 Ahr eingebracht wurde, da wir
vor der Verreichlichung stehen. Die beiden Lisenbahnerorgani-
fationen lehnten den Akkord ab. Man muß erst die Erfahrungen in
Preußen abwarten. Line Prüfung der Frage ist vor der Verreichlichung
nicht mehr möglich. Außerdem ist auch unser schlechtes Wagen- und
Maschinenmaterial zu berücksichtigen.
Abg. Straub (Ztr.) begründet die Interpellation über schwere
Fälle von Korruption unter staatlichen Beamten und Arbeitern.
Der Redner weist auf verschiedene Vorgänge auf dem Mannheimer
Rangierbahnhof hin. Dann ist ein Vorgang in Villingen zu melden,
dann Fälle aus dem Bereich der Grenzbeamten. Weiter ist zu erwähnen
ein Fall aus der Justizverwaltung. Was gedenkt die Regierung gegen
diese Auswüchse zu tun?
Finanzminister Dr. Wirth weist darauf hin, daß die Regierung
nach dem Rechten sieht und alles tut, um die Korruption zu bekämpfen.
Dazu gehört auch eine entsprechende Bezahlung, wie wir sie durch den
verabschiedeten 8. Nachtrag festlegten. Von einer allgemeinen Korrup-
tion unter den staatlichen Beamten und Arbeitern kann nicht gesprochen
werden. Auf den Vorwurf der Mannheimer „Volksstimme" über Durch-
stechereien an der Bahn wandten wir uns an die Schristleitung des
Blattes um Matettak — wir erhielten jedoch bis heute noch keine Mit-
teilung über den Sachverhalt. Die Zunahme von Diebstählen an der
Bahn ist leider auch in Baden zu verzeichnen. Lin trauriger Fall hat
sich in dieser Hinsicht im Mannheimer Rangierbahnhof ereignet, worin
76 Beamten und 103 Arbeiter verstrickt waren. Zur Ehre des Personals
steht der Mannheimer Fall vereinzelt da. Ich werde weitere Maß-
nahmen zur Bekämpfung der Korruption und zur Verhinderung von
Diebstählen und von Schiebereien treffen. Ich habe nichts dagegen, daß
die Mannheimer Eisenbahner zu dem Mannheimer Fall Stellung nah-
men aber ich überlaste es dem Urteil des Hauses, wenn in einer Ver-
sammlung zu Friedrichsfeld die Diebstähle bedauert und verurteilt wer-
den, jehoch von weiteren Verhaftungen ohne Prüfung Abstand zu
nehmen gewünscht und Amnestie verlangt wird. Ich muß es ad-
le h n e n , der Justiz hier in den Arm zu fallen; der Augiasstall mutz
ausgekehrt werden. Ich bin nicht in der Lage, dieser Entschließung ent-
gegenzukvmmen. Die Eisenbahner müssen selbst Intereste daran haben,
daß der Spreu vom Weizen getrennt wird. Wenn eine Organisation
wegen einer solchen Sache in den Streik treten will, so Hot sie ihren
Sinn verloren. Nur ein Obmann hat im Mannheimer Fall der Ver-
suchung widerstanden; der Mann wird als Wundermann bezeichnet. Diese
Eiterbeule am Mannheimer Rangierbahnhof muß ausgestochen werden.
Iustizminister Trunk weist auf die neulichen Erklärungen hin, die
er im Falle des Kanzleigehilfen gab, der sich an einen Untersuchungs-
gefangenen um ein Darlehen heranmachte. Der betreffende Kanzle,-
Schilfe nahm sofort seinen Abschied. Im Mannheimer Fall nimmt die
Untersuchung ihren Fortgang. Es l iegen weitgehend G e -
ftändnisse vor, so daß die Aburteilung rasch getroffen werden kann.
Die Richter werden ihre Pflicht tun. Der Einladung des Verbandes
des Deutschen Derkehrspersonals konnte ich nicht entsprechen, da ich über
«in gerichtliches Verfahren nicht öffentlich diskutieren kann.
Abg Mäher (D.-Natl.) begründet seine Interpellation aus Be-
freiung der landwirtschaftlichen Produttton des Jahres 192« von der
Zwangswirtschaft- Mr wollen nicht nur Mindestpreise, sondern Auf-
hebung der zwangsmäßigen Preise für Kartoffel usf.
Abg. Weißhaupt (Ztr.) begründet seien Interpellation über
Auszahlung der Prämien für abgeliesertes Getreide; über Mangel an
Kleesoat und über Stellung der badischen Regierung zum Wirtschafts-
dian für das Lrnlejahr 1920—21. Berlin scheint nach Ansicht des Red-
Ners nicht fertig zu sein, die Wirtschaft so durchzusührcn, daß sie all-
Kits befriedigt. So wie bisher kann man in der Landwirtschaft nicht
weiter arbeiten, nachdem Maschinen, Transportpreise, Kali usf. ungeheuer
««stiegen sind. Die Steigerung der Produkttonskosten stehen in keinem
Verhältnis zum Erlös der Landwirte. Die Landwirtschaft sollte möglichst
Freiheit erhalten und sie will die Preise für die Produtte wissen, auf
denen die Zwangswirtschaft beibehalten wird. Es ist eine unmögliche
Einrichtung, die landwirtschaftlichen Erzeuger zu rationieren. Wenn mcht

rungen aus dem Osten können wir nicht genügend Kartoffeln beiryaffen.
Bis Ende Januar haben z. B. die Kommunalverbände von Baden-Land
5,6 Prozent, Rastatt-Land nur 10,3 Prozent des Soll an Brotgetreide
aogeliefert, einzelne Bezirke wie in der Bodenseegegend und auch Be-
zirke im Hinterland haben allerdings glänzend abgeliefert. Bretten,
woselbst jene Versammlung stattfand, muß jetzt schon Zulieferungen er-
halten (Zwischenruf: Reichswehr hinschicken). An der Prämienwirtfchaft
hat niemand Freude. Aber wie soll man in der Zukunft über die Schwie-
riakeiten hinwegkvmmen. Die Städter zeigen in wachsendem Maße Ver-
ständnis für die Lage und sie begreifen die höheren Preise für die Land-
wirtschaft. Der Zentner Kartoffel wird auf 25 Mk. kommen. Wer die
Entwicklung der Wirtschaftslage im Auslande verfolgt, muß mit einer
raschen Entwicklung der Dinge rechnen. Wir müssen Hamit rechnen, daß
im Herbst weitere stärkere Preissteigerungen kommen, daß z. B. der Laib
Brot — heute 1.65—1.85 — auf 3 Mk. kommen wird. Bei Weltmarkts-
preisen müssen wir mit zehnfacher Preisgeigerung rechnen. Wir müssen
uns vor allem klar machen, die Entwicklung kam, daß vor iz-L Jahren
alle Welt nach Aufhebung der Zwangswirtschaft trieb. Dadurch kam es,
dab anbei, Industrie diejenigen Waren importierten, an denen am
meisten Profit gemacht wurde, also meistens Dinge die wir nicht not-
wendig hatten, Fertigwaren, deren Einfuhr hätte verboten werden sollen,
sind in Maste eingeführt worden. Wenn man schon es für notwendig
hielt, zu exportieren, dann hätte man für den Gegenwett Rohstoffe und
Lebensmittel einführen sollen. Dies alles geschah gegen den Willen der
Reichsregierung auf das Drängen von Handel und Industrie. Welt-
marktpreise können wir nicht anshalten. Zu wünschen wäre, daß auch in
Preußen der Kampf gegen den Schleichhandel mit gleichem Erfolg wie
in Baden geführt wird. Hisse im Kampf gegen den Schleichhandel und
im Verkehr mit dem Ausland müssen uns die Außenhandels-
stellen und die zu bildenden T r eu h a nd e l s st e l l e n sein. Die
süddeutschen Staaten halten infolge ihrer Eigenart die Aufrechterhaltung
der Zwangswirtschaft auf weitere Gebiete als im Norden für nötig; dies
gilt für die Eierbewirtschastung, bei denen man in Preußen mit der Frei-
gabe schlechte Erfahrungen machte. Linen Unterschied zwischen dem, der
stiehlt, und dem, der auffordett, die Gesetze zu mißachten, kann ich nicht
finden. Dies sagen sich auch die Eisenbahner, deren Verhalten vorhin
verurteilt wurde. Der Mangel an Kleesaat ist der Regierung bekannt
und sic hat bei der Reichsregierung um Einfuhr von Kleesamen von
Oesterreich nachgesucht. Zusammenfasteich ist zu sagen, daß die Regie-
rung bei der Reichsregierung eintritt für die Beibehaltung der Zwangs-
wirtschaft für Brotgetreide und Hafer, Kartoffel, Fett, Milch und damit
zusammenhängend Fleisch . Geben wir die Fleischversorgung frei, so wer-
den die Landwirte ihr Milchvieh abstoßen und die Milchverforgung hört
selbst für die Kranken und alten Leute auf. Eine Verantwortung für die
Freigabe dieser Artikel lehne ich ab. Sollen diese Artikel freigegeben
werden, so mögen jene Gruppen die Regierung übernehmen, die die Frei-
gabe wünschen. Angesichts der sich ergebenden Sachlage hätten wir bis
jetzt ohne Zwangswirtschaft nicht auskommen können. Diese rein wirt-
schaftlichen Fragen dürfen deshalb nicht ins politische übertragen werden.
Wir sind doch feit der Umwälzung mächtigbergauf marschiert und
haben unter Ueberwindung des Chaos der Bevölkerung die Einsicht
unserer Notlage beigebracht. Wir leiden eben unter den Folgen des
verlorenen Krieges, des Zusammenbruches. Die Arbeitslust der
Städte darf man nicht wieder neu unterbinden, indem man die Lebens-
mittelzufuhr hemmt. Reichsregierung und Landesregierung werden die
Zwangswirtschaft beseitigen, sobald es geht; aber erst dann, wenn
auch dem armen Mann und der armen Frau das Stück Brot gesichert ist.
Dies ist jedoch in nächster Zeit nicht der Fall.
Abg. Mager (D.-Ntl.) stellt in persönlicher Bemerkung fest, baß
er die Erfassung und Rationierung nur in seiner Rede nicht behandelte.
Nächste Sitzung: Mittwoch vormittags 9 Uhr. Tagesordnung: Po-
litische Debatte zum Nachtragsetal.
Schluß der Sitzung: 7 Uhr.

Soziale Rundschau.
* Die bevorstehende Stillegung des Zementwerks Leimen ver-
anlaßte die s o z i a l d e m. Vertreter von Heidelberg im
Landtag in der gestrigen Landtagssitznng folgende „Kurze An-
frage" an die Regierung zu richten: „Ist der Regierung be-
kannt, datz 400 Arbeitern im Zementwerk Leimen zum 9. März
gekündigt worden ist, da an diesem Tage wegen Kohlen-
mangel das ganze Werk stillgekegt werden soll? Was gedenkt
die Regierung zu tun, um wenn irgend möglich, die Stillegung die-
ses für die Bautätigkeit so wichtigen Betriebes zu verhindern und
die in Frage kommenden Gemeinden vor einer unerträglichen Be-
lastung mit Arbeitslosenunterstützung zu bewahren?"

Kommunales.
— Zur Bürgeremisterwahl in Wiesloch haben sich 33 Bewerber ge-
meldet.
— Gemrinderatssitzung in Sinsheim. Zwei Anträge um Bürger-
recht wurden genehmigt. — Zwei Gesuche um Unterstützungen wurden
zurückgestellt, da Vorverhandlungen noch zu machen sind. — Dem Fried-
hofpersonal wird mit Rücksicht auf die Teuerung eine Zulage von
30 Prozent vom 15. Februar ab bewilligt. — Der Milchhändlerin Grab
in Rohrbach wird für Abholen, Verbringen und Ausschank der Milch
der Betrag von 10 Pf. pro Liter bewilligt. — Der Gemeinderat beschließt
die Schäferei wieder einzuführen und dieselbe auf 6 Jahre zu verpachten.
Lin entsprechender Antrag ans Bezirksamt wird gestellt.
Bei der Bürgermeisterwahl in Krautheim wurde nach dem „Tauber-
und Frankenbvte" im vierten (!) Wahlgang Herr Jos. Retzbach mit
207 Stimmen gewählt. Der Vorstand des Bauernbundes, Landwirt
Kilian, erhielt 50 und Herr Akzisor Schmitt 40 Stimmen.
Bei der Bürgermeisterwahl in Erseld wurde Herr Bernhard
Hartmann zum Bürgermeister gewählt.

Aus Stadt und Land.
Protest gegen die Verbreiterung des Reuenheimer Neckarspielplatzes auf
Kosten der Uferanlage.
Die Gegner der Großkampfbahn mehren sich. Schon erheben fast
sämtliche Einwohner der Uferstraße einmütigen Protest gegen die Ausfüh-
rung. Wir lasten heute die Gegner zu Wort kommen, denn ohne Zwei-
fel ist die Ausführung des Projettes für das gesamte Stadtbald von ein-
schneidender Bedeutung. Ohne weiteres ist auch einzufehen, daß sich ge-
rade die Bewohner der Uferstraße ganz energisch zur Wehr setzen. Viel-
leicht ergreift Herr Scher nochmals das Wort, um auch den Anwohnern
der Uferstraße ihre Bedenken zu zerstreuen. Die Red.
Mit Erstaunen und Empörung haben die Bewohner Neuenheims
ersahren, daß die Verbreiterung der Spielplätze des Neckarvorlandes auf
Kosten der Uferanlage geplant wird. Ganz abgesehen von der keineswegs
zu unterschätzenden Hochwassergefahr, kann unmöglich der Gewinn für den
ohnehin geräumigen Spielplatz so beträchtlich sein, daß er es rechtfettige,
zahlreichen erholungsbedürftigen Einwohnern freundliche Stunden der
Erquickung an heißen Sommertagen zu rauben. Gerade vom Standpunkt
der Volksgesundheit aus dürste eine derartige einseitige Bevorzugung des
Spottes auf Kosten der Allgemeinheit durchaus nicht wünschenswett sein.
Wie viele arme Kriegsbeschädigte und Kranke, denen das Steigen un-
möglich ist, finden ihre liebste Zuflucht in der schönen Uferpromenade, der
einzigen ebenen Anlage, die vom Getöse und Staub des Straßenverkehrs
verschont geblieben ist? Was werden die armen Mütter sagen, die ihre
Kleinen so gern zu den stillen, gefahrlosen Sandspielplätzen der Anlage
schickten? Und bedenkt man gar, daß Heidelberg begründete Aussicht hat,
in Bälde ein Kurort von hohem Rang zu sein, so erscheint das Unter-
fangen, dem jungen Kurort seinen willkommensten Schmuck mutwillig zu
zerstören, um dafür vermehrten Lärm und Staub einzutauschen, schier
unbegreiflich. Darum Schuh dem schattenspendenden, mit weisem Bedacht
gepflanzten Bäumen, vor denen selbst die wilden Fluten des Neckars ehr-
fürchtig zurückwichen! —
Weiter ist auch die rechtliche und finanzielle Seite der Frage zu be-
denken. Die 88 906, 907, 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, sowie 8 40
Absatz 1 der städt. Bauordnung geben den Eigentümern der Grundstücke
in der Uferstraße, die ihren Besitz in der Voraussicht ruhigen Wohnens
erworben haben, «ine Handhabe, um das Spielplatzprojett auch vom recht-
lichen Standpunkt aus zu bekämpfen. Denn allerdings ist mit Sicher-
heit vorauszusehen, daß dadurch eine wesentliche Beeinträchtigung der
Grundstücke erfolgen wird. Ist doch schon jetzt der anhaltende Lärm
nahezu unerträglich, besonders an Sonntagen. Die Eigentümer behalten
sich Häher vor, die Stadt für jede Wertminderung ihres Besitzes haftbar
zu machen. — Auch die Belastung des Stadtsäckels durch die auf ein«
halbe Million Mark veranschlagten Baukosten erscheint in der gegen-
wärtigen Zeit der Verschuldung bedenklich genug.
Zum Schluß soll darauf hingewiesen werden, daß di« Ausführung
des Projettes auch die Baupläne, die eine Verlängerung der Uferstraße
bis zum Zentral-Friedhof vorsahen, durchkreuzen würde. Und wie wer-
den dann in fünf Jahren die Besucher des Friedhofes gestraft, die durch
das schattenlos« Neuenheimer Feld wandern müssen!

Wr Einsender dieses Protestes verwahren sich gegen den Vorwurf,
etwa Gegner des Sportes zu sein. Sie schätzen den Sport als ein wich-
tiges Mittel zur Ertüchtigung unserer Jugend, aber den Spott am rich-
tigen Orte, draußen vor den Toren der Stadt, und in maßvollen Gren-
zen. Sie berufen sich auf Herrn Stabsarzt Dr. Huber als Sachverstän-
digen dafür, daß die jetzt beliebte Art, Sport zu treiben, den erstrebte»
Zweck oft verfehlt, zumal unsere traurigen Ernährungsverhältniste mit dem
Aufwand an Körperkraft nicht in Einklang stehen. Wir haben auch keine
Bürgschaft dafür, daß nicht von selbst in absehbarer Zeit ein Rückschlag
gegen jetzige Ueberspannung der Sportsbewegung einsetzen wird.
Gezeichnet von den Einwohnern der Uferstraße:
Es folgen 68 Unterschriften von Bewohnern der Uferstraße, womit
wohl sich der größte Teil dem Protest angeschloffen hat.

Genossen und Genossinnen! Heute abend 7 Uhr Parteimit-
gliederversammlung im Artushos. Gen. Dr. Kraus wird
den Bericht über die badische Landesschulkonserenz geben. Vollzähliges
und pünktliches Erscheinen ist in Anbettacht der Wichtigkeit der Tages-
; vrdnung erforderlich.
Kapitalismus und Sozialisierung. Die Ortsgruppe
! Heidelberg des Reichsbundes deutscher Technik veranstaltet am
Donnerstag, den 4. März, abends 7 Uhr im großen Saale der
„Harmonie" einen Vortragsabend, zu dem Jedermann eingeladen
ist. Herr Dipl. Jng. Dr. Mayer, Dozent der Handelshochschule
in Mannbeim, spricht über „Kapitalismus und Sozialisierung".
Einen ähnlichen Vortrag hat Herr Dr. Mayer bereits anläßlich der
Wolksbochschulkurse hier gehalten, dem eine außerordentlich interessante
Diskussion folgte. Der jetzige Vortrag erfährt insofern eine Er-
weiterung, als inzwischen das Betriebsrätegesetz in Kraft getreten
ist. Es ist hier Jedermann Gelegenheit gegeben, sich über diese
brennenden Tagesfragen, welche frei von allen politischen Tendenzen
behandelt werden, Kenntnis zu verschaffen.
Von der Stadthalle. Nach fünfjähriger Verwendung als
Lazarett ist die Stadthalle nun ihrem eigentlichen Zwecke wieder-
gegeben. Als erste größere Veranstaltung findet in ihren sämtlichen
Räumen Samstag, den 13. März das Wohltätigkeitsfest der Orts-
gruppe Heidelberg der „Bühnengenossenschaft" zu Gunsten ihrer
Pensions-Anstalt und des Hilfsfonds des Stadltheaters Heidelberg
statt. Näheres über diese Veranstaltung wird an dieser Stelle noch
bekanntgegeben werden.
Telefongespräche bei Nacht. Von jetzt ab hält die Fern-
sprech-Bernnttelungsstelle Baden-Baden ununterbrochenen Fernsprech-
drenst — Tag und Nacht — ab. — Jry Verkehr mit deutschen Orten
mit Nachtdienst können allnächtlich zu einer im voraus vereinbarten
Zett zwischen denselben Teilnehmern sogenannte Monatsgespräche
- geführt werden. Die Gebühr der Monatsgespräche beträgt Re
Hälfte der Gebühr für nichtdringende Tagesgespräche von gleicher
Dauer. Die näheren 4 edingungen können beim Telegraphenamt
erfragt werden.
Nesteltuch ausverkaust. Ein hiesiger Kaufmann in der Hauptstraße
hangt« gestern vormittag «inen Schild heraus: Nesteltuch ausverkaust
bevor die Bezugscheine ausgegeben waren. Verschiedene Frauen mußten
unverrichteter Sache wieder heimwättsziehen. Gestern abend wurde
eine Revision durch das Bekleidungsamt abgehalten, wobei es sich her-
ausstellte, daß bei dem Kaufmann noch 42 Meter Nesseltuch vorhanden
waren. Ein solches Gebühren ist unverständlich. Ueberhaupt ist die Aus-
gabe der Bezugscheine skandalös. In großen Massen stehen die Leute am
Prinz Karl und drängen sich zur Ausgabe. Verschiedene mästen wieder
Heimkehrer,, ohne einen Bezugschein zu erhalten. Es wäre an der Zeit,
wenn man hier mehr Organismus in das Bezugscheinverfahren brächte.
Diebesgesindel bei der Arbeit. Aus einer Zigarrenfabrik in Michel-
feld wurde ein Zentner Sumatra-Deckblatt rm Werte von 9200 Mk ge-
stohlen. — Aus einem Anwesen inEichtersheim wurden 2 Zentner
Tabak im Werte von 9000 Mk. gestohlen, vor dem Hauptpostgebäude
wurde einem Bäckerlehrling sein Fahrrad im Werte von 500 Mk. ent-
wendet aus einem Fremdenzimmer des Hotel Bayrischer Hof wurde
Bettwäsche und eine Lhaiselonguedecke im Werte von 3100 Mk. gestohlen
Der vermutliche Täter ist ein Reisender, der im Zimmer nebenan logierte.
— Aus einem Gartengrundstück im Gewann Oberstes in Neuenheim
wurden durch Erbrechen des Hühnerstalls 7 Hühner, 1 Hahn, 2 Wagen»
räder und eine Militärhose im Werte von 600 Mk. gestohlen.
Verhaftet wurde eine Modellsteherin wegen Ämherziehens.
O. Ziegsthausen, 2. März. (Mitgliederversammlung.)
Die am Samstag abend im Lokal zum „Neckartal" stattgehabte Mitglie-
derversammlung der sozialdem. Partei befaßte sich zunächst mit der be-
vorstehenden Bürgermeisterwahl. Gen. Baust berichtete über den Be-
schluß der Fraktion zu dieser Farge, der von der Versammlung einstim-
mig gutgeheißen wurde. Zu diesem Punkt nahmen noch verschiedene
Genosten das Wort um hauptsächlich di« Taktik zu streifen, die die Park-
te, bei Nichtemgehen des gemachten Vorschlages einzuschlagen hat. Nach
diesem Punkt kamen noch verschiedene Wünsche zur Sprache. Genosse
Scheurer rügte insbesondere den großen Mißstand, daß die Arbeiter
morgens bei der Fahrt ins Geschäft keinen Platz in der 4. Wagenlaste
finden, während die Wagen mit 2. und 3. Klaffe meistens leer missah-
ren. Hier sollte einmal Wandel geschaffen werden, daß bei Üebersüllung
der 4. Klaffe die Schaffner angewiesen werden, die Leute in die übrigen
Klaffen einzulaffen. Die Zustände, wie sie heute sind, spotten jeder Be-
schreibung. Hoffentlich genügen diese Zeilen um die Bahnverwaltung
eines besseren zu belehren, sonst kann es einmal zu einer großen Schwei-
nerei kommen. Gen. Geibel machte dann noch Mitteilung, daß bei
«ventl. genügender Beteiligung sich 2 Mitglieder der soz. Studentengruppe
bereit erklärten am hiesigen Otte Küste abzuhalten. Der Vorsitzende be-
grüßte diese Anregung; durch «in Zirkular soll bst den Genoffen Rund-
frage wegen der Beteiligung gehalten werden. Gen. Rode sprach zum
Schluß über die Konferenz, die am Samstag wegen der Neckarkanali-
sativn in Ladenburg abgehalten wurde. Mit einer Aufforderung fleißig
für die „Volkszeitung" zu werben, konnte der Vorsitzende die angereL
verlaufene Versammlung schließen.
Tauberbischofsheim, 29. Febr. (Kein Raubmord.) Die Nach-
richt, daß der Mannheimer Wirt Andreas Fischer, der bst Distelhausen
aus der Tauber als Leiche geländet wurde, einem Raubmord zum Opfer
gefallen ist, ist falsch. Nach dem Tauberbote wurde sestgestellt, daß
Fischer bei der Dunkelheit von der Straße abgekommen und mit seinem
Rad in die Tauber gestürzt und ertrunken ist.
Sennfeld, 1. März. Am Sonntag den 29. fand im Partei-
lokal „Zum grünen Baum" eine gut besuchte Mitgliederversammlung
statt. Genosse Ganßer referierte über das Thema, die Versorgung
des Kreises Mosbach mit elektrischer Kraft und Licht, sowie über
die Regelung der Gehälter der Kreiswegwärter. Mit einem Rück-
blick auf die allgemeine politische Lage und insbesondere den Prozeß
Helffrich-Erzberger, sowie unter reger Aussprache über verschiedene
örtliche Angelegenheiten, fand die gut verlaufene Versammlung ihr
Ende. Für den Pressefond der Volkszeitung wurden von der Mit-
gliedschaft Sennfeld bis jetzt Mark 600 abgeliefert.

Mannheim, 3. März. Zu groben Ausschreitungen
ist es in einer der letzten Nächte in öffentlichen Häusern der Gute-
mannstraße gekommen, wo fünf bis sechs Männer Sachbeschädigungen
verübten. Als die Bewohner eines der Häuser sich zur Wehr setzten,
gingen die Rohlinge mit gezückten Messern vor. Schließlich gingen
die Angegriffenen mit einer Schußwaffe vor, wobei mehrere der
Angreifer lebensgefährlich verletzt wurden.
Lahr, 1. März. (Ein falscher K o n t r o ll v f fi z i e r.) Als
französischer Kontrolloffizier trat hier seit Wochen ein 23jähriger Elektro-
techniker aus. Durch gefälschte Ausweise und Dokumente wußte er die
Behörden zu täuschen. Gegen entsprechendes Entgelt stellte er an fremde
Personen, namentlich Flüchtlinge, Päff« nach dem Elsaß aus. Die Po-
lizei verhaftete nun den Schwindler. Es wurde sestgestellt, daß es sich
um einen Deserteur handelt, der eine zeitlang im feindlichst: Spionage-
dienst gestanden hat und auch in Berlin schon als französischer Kontroll-
offizier aufgetreten ist.
Welschingen b. Engen, 29. Febr. (Ein Verhängnis.) Der erst
kürzlich aus der französischen Gefangenschaft zurückgekehrte Metzger Her-
mann Kenner half bei einer Hausschlachtung. Hierbei «ntlud sich die
Schutzvorrichtung zu früh und die Kugel drang dem jungen Mann in
den Leib und führte seinen sofortigen To- herbei
Konstanz, 2. März. (Das Spielen mit Handgranaten.)
Drei 15—20jährige Burschen von Wollmatingen spielten auf dem Exer-
zierplatz mit Handgranten, die anscheinend bst einer Uebung des Jäger-
bataillons verlorengegangen waren. Bst der Explosion einer Hand-
granate wurden die drei Burschen schwer verletzt. Bst zweien sind di«
Verletzungen lebensgefährlich.

Vers«nrmlrrngr-Kalender.
Deutscher Metallarbeiterverband, Mitgliedschaft Heidelberg. Sonntag
morgen 9 Uhr im Attushof: Generalversammlung. Voll-
zähliges Erscheinen notwendig.
 
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