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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Mai - August)

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Nr. 171 - Nr. 180 (26. Juli - 6. August)
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https://doi.org/10.11588/diglit.48727#0358
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Internationale Lage.
England und Frankreich.
London, 25. Juli. Im Zusammenhang mit
gewissen französischen Presseberichten erfährt Reu-
ter, daß die Haltung der britischen Regte,
rung gegenüber der Frage der Franzüst-
sehen Sicherheit stets durchaus wohlwollend
gewesen sei und daß noch heute die Meinung herr-
sche, daß die britische Regierung geneigt sei, die
Frage mit der französischen Regierung zu erörtern
und sehr weit zu geh en, um die französischen
Wünsche zu befriedigen.
Paris, 25. Juli. Der .„Temps" wiederholt
heute abend die bereits vor eifrigen Tagen an die
deutsche Regierung gerichtete Aufforderung, unbe-
kümmert um di« augenblicklichen Verhandlungen
zwischen den Alliierten und das Schicksal ihrer Vor-
schläge vom 7. Juni sich gemäß 8 S des Anhangs II
des Friedensvertrages an die Rparationskommisston
zu wenden.
Ein deutscher Protest.
Berlin, 25. Juli. Die Reichsregierung
har gegen die neue Verordnung der Rheinlandkom-
mtssiou, die jeden mit Strafe bedroht, der den
rechtsverbindlichen Charakter der von der
Kommission oder ihren Organen getroffenen Anord-
nungen in irgendeiner Form be st reitet, Bro-
te st erhöben.

Vom besetzten Gebiet.
Die Jagd nach den Kaffenschränken.
M ainz, 24. Juli. Die Franzosen haben gestern
nacht und im Laufe des heutigen Vormittags aus
der Rcichsbank, die sic bereits feit längerer Zeit be-
seht Halten, das vorhandene Geld geraubt. Wie
man hört, wurden die Tresors unter Leitung eines
Pariser Spezialisten mittels Sauerstoffapparaten
und Pickeln ausgcbrochen. Das Geld, dessen Höhe
sich aus 25 bis 50 Milliarden belaufen dürfte, wurde
mittels Laflautomobilcu weggesührk.
Eir^Gerneinderat nach französischem
Wunsch.
Elberfeld, 25. Juli. (Et«. Ber.) Eigen-
artige Zustände entwickeln sich in dem Städtchen
Gerolstein jm Trierer Bezirk. Durch Ausweisungen,
insbesondere von Eisenbahnern, ist die ansässige Be-
völkerung nahezu auf dre Hälfte vermindert worden.
Andererseits sind französische Eisenbahner so zahl-
reich untcrgebracht, daß sie nunmehr nahezu die
Hälfte der Bevölkerung ausmachen. Die Folge davon
ist, daß die Geschäftswelt immer mehr dazu neigt,
nur noch gegen Franken zu verkaufen.
Durch die Ausweisungen war auch der Ge-
rn ein de rat stark zusammcngcschmolzcn. Auf
Anordnung des Krcisdelegierten mussten für die
Vertriebenen Neuwahlen vorgenommen werden.
Die Folge ist, daß die Mehrzahl dieses zwangs-
weise gewählten Gcmeinderats sich aus Leuten zu-
samniensetzt, die dem französischen Kreisdelegierten
ergeben sind. Dieser nimmt auch an allen
Sitzungen dieses fragwürdigen Gemcinderates teil.
In Essen wurde das Telegrapheuamt und das
Hauptzollamt erneut von den Franzosen besetzt.
Von den Stationen Aplerbeck, Brakel und Scharn-
horst wurden zahlreiche, bcschlagnahtc Eisenbahn-
wagen abgefahren.
Wie liegen die Dinge?
Dortmund. 25. Juli. .Wir erfahren von zu-
ständiger Stelle: Die drei früheren Preußischen
L ch u tz p o l t z e i b e a m t e n, die zu ihrer Ver-
nehmung als Zeugen in deut wegen Erschießen des
belgischen Leutnants Grass gegen andere Schutz-
polizeibeamte vor dem belgischen Militärgericht
tchwcbenden Verfahren nach Aachen überführt
waren, haben ihre Aussage vor der belgischen Be-
hörde gemacht. Sic sind darauf in das unbesetzte
Gebiet z n r ü ck g e b ra ch t worden.
Bekanntlich hat die Rechtspresse dm Schritt des
Preußischen Innenministers, der nur zur Rettung
der zum Tode verurteilten Schupoleute diente, zu
einer unerhörten Hetze gegen den Minister Seve-
rins benutzt und behauptet, die Beamten wären dem

Die Kugel am Fuß.
Roman von Reinhold Ortmann.
(27. Fortsetzung.)
Nun tiefen ihr doch wieder die Hellen Tränen
über Vie Wangen. Sanft streichelte Gaby die aus
der Decke liegende magere Hand.
„Ihr Mann« ist in guter Obhut, liebe Fran Mayr-
hofer! Sie brauchen sich seinetwegen nicht mit Sor-
gen zu martern."
„Ja, der Arzt hat mir erzählt, daß die Tochter
des Herrn Kommerzienrats Ihn am Wege gesunden
und in" ihrem Wagen nach Rhynow gebracht bat.
Der Himmel segne sie dafür. Und er segne auch Sie
für Ihre freundliche Teilnahme. Aber außer Hu-
bert und nNr weiß ihn ja keiner zu behandeln. Man
wird ihn für einen Narren halten. Und er ist es
doch nicht. Er ist nur sehr unglücklich. Niemand
ahnt wie hart ihm das Leben mitgaspielt hat. Und
er war doch allezeit der beste, treueste Mensch."
„Sie wissen nicht, wann Ihr Sohn znrückkchren
Wird?"
Ich hoffe, daß er nicht mehr lange fortbleibt.
Aber er hat uns nichts über den Zeitpunkt seiner
Wiederkunft gesagt. Nun, da ich gehört, daß man
ihn hier aus der Arbeit entlassen hat. bin ich mir
auch klar darüber, weshalb er gereist ist. Er will
sich anderswo eine Stelle suchen. Und das ist ge-
wiß sehr schwer. Ehe er uns nicht eine gute Nach-
richt bringen kann, kehrt er sicherlich nicht heim."
Nun stand der große Entschluß, nach dem sic
vorhin vergeblich gerungen, mit einommal klar vor
Mabys Seele.
„Bis er wieder da ist und selbst die erforder-
lichen Anordnungen treffen rann, dürfen Sie jeden-
falls nicht fo Wein -und verlassen hier liegen, liebste
Frau Mayrhofer! Wenn Sie nichts dageigen haben,
kompne ich in einigen Stunden wieder, nm bis zur
Ankunft Ihres Sohnes bei Ihnen zu bleiben."
Frau Mariens erste Empfindung war die eines
Stoßen Erschreckens.
-.Nein, nein, das geht nicht — das darf ich nicht

be.glscheu Kriegsgericht zur Aburteilung ausseltefert
worden. .

Münster, 25. Juli. (Eig. Bericht.) Am 21.
Juli nachmittags versuchten etwa SO jung« Leute
aus Bochum, bet Aplerbeck über Hie Grenze ins un-
besetzte Gebier zu gelangen. Hierbei wurde der 2S
Jahre alte Wochnick und der 22 Jahr« alte Ebert
von französischen Poste» angeschossen und anschei-
nend schwer verletzt; vier wettere Personen
werden vermißt. Dem Rest gelang es, über die
Grenze zu kommen.

Die Lage im Ausland.
Amerika und Sorvjetrutzland.
N ew Y o rk, 25. Juli. Staatssekretär Hughes
legt in einem Briefe an den Vorsitzenden der ame-
rikanischen Arbeiter-Föderation, Samuel Gom-
pcrs, die Gründe dar, weswegen die Regierung
der Vereinigten Staaten Sowjetrußland unter seiner
gegenwärtigen Führung nicht anzuerkennen ver-
möge. Hughes gibt als Hauptgrund der
Nichtanerkennung Rußlands die fort-
gesetzten Bemühungen der Moskauer Regierung au,
die bestehenden Regierungen im Auslande zu stür-
zen. Als zweiter Grund wird angeführt, daß die
Sowjetregierung bisher leine Beweise einer Aende-
rung ihrer ursprünglichen Theorien hinsichtlich der
internationalen Beziehungen, der Garantien sowie
des Schutzes der persönlichen Freiheit und des Be-
sitzes fremder Staatsanghöriger gegeben habe.
Die englischen Parlamentsferien.
London, 25. Juli. Stanley Baldwin hat im
Unterhaus mitgeteilt, er hoffe, daß das Parlament
am 2. August in die Ferien gehen könne.

Der badische Landtag im
Jahre 1922-23.
Von A Wcitzman n.
!.
Es ist gar nicht zu bestreiten, daß der rechtswid-
rige Einbrch der Franzosen auch in badisches Gebiet
mit seinen schlimmen wirtschaftlichen Begleiterschei-
nungen das allg.meine Interesse für die fast neun-
monatlichen Verhandlungen des heimischen Parla-
mentes etwas herabgedriickt hat. An sich kämpft ja
in ganz Deutschland der seit der politischen Umwäl-
zung des Jahres 19)8 völlig umgestellte Parlamen-
tarismus einen schweren Kamps um seine Anerken-
nung im Staatsleben und um die Verankerung sei-
nem Notwendigkeit in den breiten Schichten des Vol-
kes, und die Zahl jener ist gar nicht klein, die ihm
das Lebenslicht ausblasen möchten. Und es ist auch
kein Zufall, daß diese politischen Tollköpse, insbeson-
dere von rechts, sehnsüchtig nach einem deutschen
Mussolini eifrige Ausschau halten, der die Parla-
mente ihres Machtcharatlers entKeiden und sie und
ihre zielbewntzt arbeitenden Anhänger in ihre frühe-
ren Positionen im Staate und in der Gesellschaft
wieder einsetzen soll.
Anderseits sehen Abertausende unserer Volksge-
nossen, daß ihnen, die Parlamente in ihrer wirtschaft-
lichen Bedrängnis und in der materiellen Not, die
täglich größer wird, nicht die erwarteie Hilfe bringen
und infolge ihrer parteipolitischen Zusammensetzung
auch nicht bringen können, und deshalb schimpft man,
auf den deutschen Reichstag und in Baden auf das
„Landtägle"; man will es nicht gelten lassen, daß
das politische sind wirtschaftliche Elend noch größer
wäre, wenn die beiden gesetzgeberischen Körperschaf-
ten nicht ständig Versuche machten, es zu mildern
und einzudämmen. Mit diesen an sich sehr bedauer-
l'chen, aber in der nächsten Zeit nicht zu ändernden
Laisachen muß man rechnen, wenn man heute das
politische Resümee über die monatelang andauernden
Parlamentssessionen zieht.
Für die Sozialdemokratie ist richtung-
gebend auch im badischen Landtag das ehrliche und
eifrige Bestreben- auf allen Gebieten des politischen,
wirtschaftlichen und kulturellen Lebens für ihre Auf-
traggeber und damit auch für das Wohl des gesam-
ten Volkes tätig zu sein Darnach hat sie in der
aögelausenen Gesetzgebungsperiode, die vom 6. No-
vember 1922 bis 20. Juli 1923 dauerte, gehandelt.

Ohne zeve uemryevung va,rs sie von sich lagen, daß
sie saft jedem der erledigten 5 8 Gesetze ihren Par-
lamentarischen Stempel auszudriiclen suchte, soweit
sie dazu als Minderheitspartei — von 86 Landiags-
mandatrn besitzt st« leider nur 20 — imstande war.
Denn darin liegt eben das Wesen der Parlamentart.
schen Tätigkeit, daß man in jedes Gesetz, je nach
seiner Bedeutung und seinen Aufgaben, feine
Idee«, seine politische, wirtschaftliche und sonstig«
Anschauung htneinzulegen sucht. Das gelingt ein-
mal mehr, einmal weniger, je nachdem sich die geg-
nerischen Parteien zu den einzelnen Gesetzesvorlagen
stellen. Jm allgemeinen hat die breite Oeftentltchkeit
keine Ahnung, wie manchmal stundenlang um die
Fassung und den Wortlaut eines Paragraphen
gegenseitig zwischen den Parteien gerungen wird.
Da seinen Standpunkt, natürlich auch mit Erfolg,
ftar und eindeutig Auge in Auge dem politischen
Gegner gegenüber, und wenn es sein muß, sehr rück-
sichtslos zu vertreten, ist schwieriger, als in volkS-
und Parteivcrsammlungen mit Stentorstimme unsere
Forderungen und Wünsche in ein« zustimmungS-
sreudige Zuhöverschar hineinzurufen. Denn schließ-
lich sind die anderen auch aus di« Wahrung ihrer
Interessen und Ansichten bedacht, und letzten Endes
entscheiden nicht immer die Gründe, sondern die
Stärkezahlen der einzelnen Fraktio-
nen. „Stimmen wir ab," sagt gar oft im Haus-
baltsausschuß der schlaue Taktiker Dr. Schofer,
der Führer des badischen Zentrums, wenn man sich
über eine Vorlage und ihren Wortlaut nicht einigen
kann. Ec weiß sehr Wohl, daß seine Fraktion acht
Stimmen, die übrigen Parteien zusammen nur 13
(die Sozialdemokrat'.« 5) in die Wagschale werfen
können. Das sollte wahlfaulen Staatsbürgern bei
öffentlichen Wahlen zu denken geben.
Welche Gesetze hat nun der badische Land-
tag in dem jetzt beendeten Parlamentsjahr 1922/23
geschaffen. Es ist zunächst darauf zu verweisen, daß
er diesmal einen Siaatsvoranfchlag nicht zu be-
raten hatte, weil er dies im vorigen Jahr getan hat
und wir bekanntlich auch in Baden die zweijährige
Budgetperiode haben. Er konnte sich also mil Aus-
nahme eines kleinen Nachtrages, der lediglich sogen,
sachliche Ausgaben enthielt, ausschließlich der Be
ratung der von dm Regierung dem Landtag vorge-
legten Gesetzesvorlagen widmen. Zugleich hat er
natürlich auch die eimgereichteu Inte r p e l l a tto -
n e n, die' im Plenum manche heftige Debatte ver-
ursachten, zu verabschieden gehabt.'-^Es sind darnach
folgende wichtigeren Gesetze beraten und beschlossen
worden:
die badische Kreisordnung,
das Polizeigesetz und das Polizei-
versorgungsgesetz,
das F ür s o rg e g e setz für Gemeinde- und
Körverschaftsbeamie,
das Besoldungsgesetz in mehrfacher
Aenderung,
das Landeskirchen st euergesetz,

Mich jm Hanfe 0cr nächsten Wochen noch zurstcksttt
kommen. Aber soviel darf Magi werden, daß v '
allen diesen Gesetzen die soztalLemorrattjche Fraliwä
große und ost auch recht erfolgreiche Arbeit geleistet
hät.
Bedauerlich ist, daß nicht mehr erledigt w'.rdr»
konnte das sogen. Bürgerrechtsgesetz, das in der Aw
gelegenheit des BürgermrtzenS etwas Klärung sch»^
sen wollte, und die Denkschrift über die Leyreraüö'
bildung, die zu gesetzgebsrtschm Auswirkung ebew
falle nicht gelangte, weil auch das ikictch die endgw-
tige Beschlußfassung bis auf-weitereS verschoben

Republik Baden.
Eine politische Grabschändung«
Wir lesen in der „Freiburger WolkS'
wacht" unter obiger Ueverschrift das folgende:
„Auf dem alten Wiehre-Friedhof wurd*
zu nächtlicher Zeit eine Gemeinheit fondergleiche»
verübt, intdom Frevlerhändc die Grabstätte ve-
48er Freiheitshelden Max Dortu ve?
wüsteten, die Blumen (sogen. Gottesaugen) a»^
rissen und die Inschrift: „Hier ruht Max Dort»
aus Potsdam, 23 Jahre alt, erschossen am 31. L»"
1849; mit ihm vereint seine Eltern, deren einzig
Freude und Hoffnung er war!" mit Schmutz Übel'
schmierten. Diese rohe Tat ist selbst nicht zu e»^
schuldigen, wenn man annimmt, daß sie von uR
reisen, sinnlos betrunknen Burschen ansseM"
Winde, die sich ber Tragweite ihrer Handluugswetft
nicht bewußt waren Wir haben es also Zweifel'
los mit einem Akt Politischer Roheit «w
grenzenlosen Fanatismus zu tun. Ju welchem- L»"
ger die schurkischen Täter, die nicht einmol v§k
den Gräbern ihrer politischen Gegner Halt mache»'
zu suchen sind, dürfte deshalb für jeden klar icw
der die Zeichen der Zeit versteht--ur.d den politM
verwildernden Einfluß nationalbolfchcwiflislH^
Movdbubeu richtig einznschätzen weiß.
MaxDortu starb im besten Sinne des Wortes
wie ein Held für diedeutsche Freiheit
Seine aus Potsdam herbeigeeilten Eltern baten d«»
Prinzen von Preußen, späteren Kaiser
Helm I., kniefällig um Gnade für ihr einzige-
Kind; sie wurde zugefagt uuler der Bedingung,
der Verurteilte selbst darum bitte. Max Dort» w c
gerte sich standhaft, dies zu tun. Sein Todc^
urteil wurde nun bestätigt. Als ihm dieses »w
dem kleinen Wiehre-Fricdlwf vor der Exekutiv»
vorgelesen wurde, stellte er sich, die linke Hand »»'
dem Herzen, mit antikem Mut vor den Mundungk»
der fcmdliechn Gewehre auf und rief: „Ich stcw-
für die Freiheit: schießt gut, meine Brüder!"
starb Max Dortu, ein « chter deutscher Held! Vw
nimmt sich demgegenüber so mancher großma»'
lige Hakenkreuzler aus, der wie Schm'
leder ausreißt, wenn es gilt, zu seinen Verbrecher»
schen reaktionären und vaterlandsschädlicheu Täte»

DE Aenderung des Spnrkassengcsetzes,

zu stehen? Einfach erbärmlich!

ebenso
die Aenderung des Grund- und Ge-
werbe st e u c r g c s e tz e s,
das S t e u c r v e r 1 c i i u n g s g c s e tz,
die Beteiligung an den Kaligewerk schaf-
1 e n,
das Aussührungsgesctz zu den Familicn-
und Si amm g ii teru,
den Aufwand für die Volksschule n,
. das F o r st st r a f v e r f a hr e n und Forst-
strafrecht,
das Einsühruugsgesetz zu den Reichs-
justiz g e s c tz e n,
die Förderung des Wohnungsbaues uud
W o y n a b g a b e,-
Boden- u. Kulturvervesserungen,
Landeselektrizitätsversorgung u.
Neckarkanalisicrung usw.
Es ist nicht Ausgabe dieses kurzen Rückblicks,
nochmals auf jedes einzelne Gesetz, seinen Inhalt
und die hierbei Von der Sozialdemokratie geleistete
Arbeit einzugehen, ihre Benennung läßt schon er-
kennen«, um welche Fragen und Aufgaben eS sich
handelte. Zudem sind die entsprechenden Aufklä-
rungen schon durch die laufenden Berichte aus den
Kommissionen und dcn öffentlichen Sitzungen des
Landtages In der Parteipresse gegeben worden, und
wir behalten uns auch vor, aus das eine oder andere

annchmen. Sie sind eine vornehme jnnge Dame
und taugen nicht hierher."
„Ich bin gar nicht vornehm und komme auch aus
kleinen Verhältnissen. Sie werden vielleicht zuerst
ein bißchen Nachsicht mit mir haben Essen; aber
ich bin doch Wohl nicht so ungeschickt, wie Sie glau-
ben."
„Ach, es ist ja nicht deshalb. Sie sind für so
etwas viel zu fein. Und der Herr Kommerzienrat
— was würde er 'dazu sagen?"
„Lassen Sie das meine Sorge sein. Ich komme
auf jeden Fall. Erweise ich mich als unbrauchbar,
so können Sie Mich ja jederzeit wieder hinaus-
werfen."
Ihre Weiche Hand strich liebkosend über das
blasse Gesicht der Dulderin. Dann machte sie sich
eilig davon.
Röchling spielte den angenehm Ueberraschten, als
Gaby sein fürstlich eingerichtetes Arbeitszimmer
im Direktionsgebäude der Fabrik betrat.
„Schau —welch ein hoher Besuch! Was Ver-
schafft mir das seltene Vergnügen?"
' Mit ernstem Gesicht ließ sie sich in den Sessel ne-
ben dem Schreibtisch nieder.
„Ich komme eben von der Fran Mayrhofer,
Papa."
„Frau Mayrhofer — wer ist das? Ja so — ich
erinnere mich. Dr. Seidel hat mir beute früh auch
schon mit den Leuten in den Ohren gelegen. Aber
was kümmern sie dich?"
„Es handelt sich doch nm den Mann, den wir
gestern albend krank im Chausseograven sanden. Da
ist es Wohl natürlich, daß Ich mich für ihn inter-
essiere."
„Der Doktor hat ihn nach Ressenthjn ins Kreis-
kranlkenhaus bringe lassen. Du kannst also seinet-
wegen völlig beruhigt sein."
„Nicht Dr. Seidel hat khu dahin dringen lassen;
es geschah vielmehr aus dsinen ausdrücklichen Be-
fehl. Das war eine Grausamkeit, Papa!"
Der Kommerzienrat zog die Augenbrauen ein'
Wenig in in die Höhe.

„Wie sagst du, Kind? Ich habe wohl nicht ganz
richtig verstanden."
„Verzeih, wenn es unehrerbietig klingt. Aber
es ist doch die Wahrheit. Da der Arzt Willens
war, ihn hier zu behalten, wo er immerhin in der
Nähe seiner Angehörigen geblieben wäre, weshalb
hast du es nicht zugegeben?"
„Weil ich mein« Bestimmungen nicht zu treffen
pflege,, nm ihnen bei erster Gelegenheit selbst eitt-
gegeivzuhandelii. Und weil ich mit dieser Mayr-
hoser-Sippe nichts mehr zu schaffen haben will."
„Auch nicht, wenn es sich darum bandelt, eine
Pflicht der Nächstenliebe zn erfüllen?"
Röchling sah sie verwundert an: dann erstickte er
seinen aussteigenden Unmut mit einem jovialen
Lachen.
„Eine richtige Moralpauke also? Tn bist ein
prachtvolles Mädel, Gaby! Daß dirs an Courage
fehlte, kann dir wahrhaftig keiner nachsagen."
„Ob du mich tobst oder tadelst, Papa — ich bin
sehr traurig darüber, daß du es getan Haft. Wenn
du eben wie ich, an dem Schmerzenslager der armen
kranken Fran gesessen hättest —"
„Na, weine mir nicht, Kindchen! Ich mache dir
ja keinen Vorwnrf. An nnd für sich habe tcb gar
nichts dagegen, daß du hier und da in der Kolonie
ein kleines Gastspiel als Fee der Barmherzigkeit
unternimmst. Und davon, daß du dich diesmal in
deinem Uebereiser vergaloppiert hast, wollen wir
nicht viel Aufhebens machen. Der Staatsanwalt
braucht es ja nicht zu erfahren."
„Meinetwegen mag er es getrost wissen. Es
wäre mir sogar lieb, wenn er es erführe. Er hat
ja allein mit seiner plumpen und hochmütigen Takt-
losigkeit das ganze Unglück verschuldet."
Diesmal sah das Sttrnrunzeln des Kommerzien-
rates schon erheblich ernsthafter ans.
! „Was für ein kindisches Gerede ist das! Sei so
gut, etwas respektvoller von meinem Neffen zu re-
den. Wenn hier von einer Taktlosigkeit gesprochen
'werden kann, liegt sie einzig bei Pir. Aber ich
' pehme zu deinen Gunsten noch immer an. daß du

Gewerkschaftliches.
VerbandsLag der Badischen
Polizeibeamten.
Am Samstag sand in Pforzheim der Verbandst
tag Badischer Polizeibeamten statt.
Dem Verbandstag ging am Vormittag ein V-^'
tretersitznng voraus, die sich mft dcm Eniwur:
neuen Dienstanweisung und mit Fragen der 0
ganisation. beschäftigte. In dem nachmittags 3 U»
beginnenden Verbandst»« begrüß.« zunächst V-.,
bandsvorsitzender Gräs-Heidelberg die Er»)»
neuen, insbesondere den Oberregierungsrak B »*.
ning als Vertreter des Ministeriums des Ju"-^;
den Landtagsavgeordueten Gras und die Ve
treter der Press.'. Als Versammlungsleiter w»v'
Herr Walter-Heidelberg bestimmt. Das Iici
rat über „Die Stellung ocr Pol
beamten im Volksleben" hielt Verba
Vorsitzender G rä f - Heidelberg, dcr in läao^
Ausführungen darlegie, daß der Beamte der Die»'
des Polles ist. Infolgedessen muß er über den
zelnen Volksschichten stehen und sich größter
Parteilichkeit in Ausübung seines Dienstes
gen. Die Meinung, der Staatsbeamte sei gewiß'
mäßen Arbeitgeber, sei total
nicht wußtest, nttt wem du dich da gemein gen>»^
hast."
„Ich habe mich nut niemand gemein gemactst; '
habe nur meine Schuldigkeit getan. Und ich v»'
dtts wird mir auch weiterhin erlaubt sein."
„Sag einmal, Gaby' bast du dich wirklich Z» „,st
heransbemüht, um über diese erbaulichen Ding«
mir zu reden?" .
„Ich kam, weil ich ein gutes Wort für de»
gen Mayrhofer etnlegen — weil ich dich tff"
bitten woltte, ihn wieder einzustellen."
„Wetter nichts? Das Hal man davon,
man einem eigenwilligen kleinen Mädel alles st
gchcn läßt. Daß du die Ungeheuerlichkeit
sonderbaren Zumutung begreifst, kann ich U
nicht von dir verlangen."
„Ist es so ungeheuerlich, aus gutem Herzen r»
sicht zu üben?" -est,
„In Geschäftssachen gibt es keine GutherU.^
mein Kind! Und dies hier ist eine reine Gctw.„ff
fache. Dieser Hubert Mayrhofer hat sich an '
Arbeitsstätte und vor seinen Arbeitsgtnosse»
lich gegen mich vergangen und —"
„Nicht gegen dich, Papa!" .
„Gegen mich oder gegen Arno, das ist >»
Fall dasselbe. Wenn ich es ungeahndet ließe,
ich bei meinen Leuten sehr VE nur alles
gekommen sein.. Also, wenn ich bitten
Wort mehr davon. Und keinerlei persönliche
rung mit der Familie Mayrhofer!"
Jetzt mußte Gaby freilich all ihren Mut Z
men nehmen; aber" sie wollte nicht feige " „
„Darin kann ich dir leider nicht meür gelw
Ich habe der armen, hilflosen Frau MLyrv ' zy
sprachen, bis zur Rückkehr ihres Sohnes »ei „st
bleiben. Es handelt sich ja wahrscheinlich "
wenige Tage oder Nächte." H«rtö
Der Kommerzienrat schlug mit der flache
auf deu Naud des Schreibtisches.
(Forrketzuug folgt.)
 
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