VER SACRUM,
-
Gustav Klimt.
„Gruppenbildnis''
Fragment a891).
gestalten, der frische Rasen, die einzel-
nen zerspaltenen Sonnenstrahlen von
oben, die nur das Gesicht und einzelne
kleineTheile hell erleuchteten, der Eber
oder die Räuber in der Ferne, wie von
Gewitterschatten eingehüllt, alles dies
zusammen müsste ein vortreffliches Ge-
mälde der Schwermuth und Schönheit
ausbilden."
Man sieht aus den letzten Worten
deutlich, dass nicht der Gegenstand an
sich wirken sollte, sondern bestimmt
war, den ganz allgemeinen Sinn der
Landschaft dem Beschauer desto inni-
ger zu vermitteln. Aber auch so sind die
Bilder noch zu gegenständlich, zu be-
grenzt. Wie die Wirklichkeit eine
Schranke ist für unser Sehnen und
Streben, so sind alle Figuren, in denen
die treibende Natur sich beschränkt
und bestimmt, ein Hindernis für das
unendliche Fühlen, das der Maler im
Bild fassen möchte.
„Es wurde Abend, ein schöner
Himmel erglänzte mit seinen wunder-
baren, buntgefärbten Wolkenbildern
über ihm. Sieh, fuhr Rudolf fort, wenn
ihr Maler mir dergleichen darstellen
könntet, so wollte ich euch eure be-
weglichen Historien, eure leidenschaft-
lichen und verwirrtenDarstellungen mit
allen unzähligen Figuren erlassen.
Meine Seele sollte sich an diesen grellen Farben ohne Zu-
sammenhang, an diesen mit Gold ausgelegten Luftbildern ergötzen
und genügen, ich würde da Handlung, Leidenschaft, Composition
und alles gern vermissen, wenn ihr mir, wie die gütige Natur heute
thut, so mitrosenrothem Schlüssel die Heimat aufschliessen könntet,
wo die Ahnungen der Kindheit wohnen, das glänzende Land, wo
in dem grünen, azurnen Meer die goldensten Träume schwimmen,
wo Lichtgestalten zwischen feurigen Blumen gehen und uns die
Hände reichen, die wir an unser Herz drücken möchten. O mein
Freund, wenn ihr doch diese wunderliche Musik, die der Himmel
heute dichtet, in eure Malerei hineinlocken könntet! Aber euch
fehlen Farben, und Bedeutung im gewöhnlichen Sinn ist leider eine
Bedingung eurer Kunst."
Auch die Malerei also sollte ihr Gebiet erweitern, in die be-
nachbarten Künste, Musik und Poesie, überfliessen. Auch hier
sollte alles überflüssige, alles was nur Mittel war, beseitigt werden,
damit, wie eine Poesie der Poesie, eine Malerei der Malerei ent-
stehe. Nicht alle die Auffälligkeiten der Natur sollten ferner mehr
in die Kunst aufgenommen werden. Hat doch die Natur, um sich
auszudrücken, die unendliche Zeit und den grenzenlosen Raum, die
Kunst nur ein Stückchen Leinwand oder ein paar Verszeilen -
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tP'B
Gust. Klimt.
Studie.
10
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Gustav Klimt.
„Gruppenbildnis''
Fragment a891).
gestalten, der frische Rasen, die einzel-
nen zerspaltenen Sonnenstrahlen von
oben, die nur das Gesicht und einzelne
kleineTheile hell erleuchteten, der Eber
oder die Räuber in der Ferne, wie von
Gewitterschatten eingehüllt, alles dies
zusammen müsste ein vortreffliches Ge-
mälde der Schwermuth und Schönheit
ausbilden."
Man sieht aus den letzten Worten
deutlich, dass nicht der Gegenstand an
sich wirken sollte, sondern bestimmt
war, den ganz allgemeinen Sinn der
Landschaft dem Beschauer desto inni-
ger zu vermitteln. Aber auch so sind die
Bilder noch zu gegenständlich, zu be-
grenzt. Wie die Wirklichkeit eine
Schranke ist für unser Sehnen und
Streben, so sind alle Figuren, in denen
die treibende Natur sich beschränkt
und bestimmt, ein Hindernis für das
unendliche Fühlen, das der Maler im
Bild fassen möchte.
„Es wurde Abend, ein schöner
Himmel erglänzte mit seinen wunder-
baren, buntgefärbten Wolkenbildern
über ihm. Sieh, fuhr Rudolf fort, wenn
ihr Maler mir dergleichen darstellen
könntet, so wollte ich euch eure be-
weglichen Historien, eure leidenschaft-
lichen und verwirrtenDarstellungen mit
allen unzähligen Figuren erlassen.
Meine Seele sollte sich an diesen grellen Farben ohne Zu-
sammenhang, an diesen mit Gold ausgelegten Luftbildern ergötzen
und genügen, ich würde da Handlung, Leidenschaft, Composition
und alles gern vermissen, wenn ihr mir, wie die gütige Natur heute
thut, so mitrosenrothem Schlüssel die Heimat aufschliessen könntet,
wo die Ahnungen der Kindheit wohnen, das glänzende Land, wo
in dem grünen, azurnen Meer die goldensten Träume schwimmen,
wo Lichtgestalten zwischen feurigen Blumen gehen und uns die
Hände reichen, die wir an unser Herz drücken möchten. O mein
Freund, wenn ihr doch diese wunderliche Musik, die der Himmel
heute dichtet, in eure Malerei hineinlocken könntet! Aber euch
fehlen Farben, und Bedeutung im gewöhnlichen Sinn ist leider eine
Bedingung eurer Kunst."
Auch die Malerei also sollte ihr Gebiet erweitern, in die be-
nachbarten Künste, Musik und Poesie, überfliessen. Auch hier
sollte alles überflüssige, alles was nur Mittel war, beseitigt werden,
damit, wie eine Poesie der Poesie, eine Malerei der Malerei ent-
stehe. Nicht alle die Auffälligkeiten der Natur sollten ferner mehr
in die Kunst aufgenommen werden. Hat doch die Natur, um sich
auszudrücken, die unendliche Zeit und den grenzenlosen Raum, die
Kunst nur ein Stückchen Leinwand oder ein paar Verszeilen -
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Gust. Klimt.
Studie.
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