cs ist nichts von Zufälligkeiten daran, was ab-
stossen könnte. Und es ist merkwürdig, diese
wahrhaft bescheidenen Künstler, die sich nicht
mit grossen Problemen
abgeben, die nie grösste
Rätsel lösen wollen, die
nie „Ewiges" geben wol-
len, haben dann etwas ge-
schaffen, das alle Zeiten
überdauert.
Die Japaner geben nie
das Ganze einer Erschei-
nung. Man sieht das am
besten in der Malerei.
Ihr Prinzip ist das der
Flüchtigkeit. Das, was
ihnen eine Stunde der
Wallung gegeben, su-
chen sie nie voll auszu-
schöpfen. Sie schweben
über der Erscheinungen
Schwere. Es hat den An-
schein, als würde alles,
was in ihre Hände
kommt, leichter, lachen-
der. Sie befreien das Ein-
zelne von seiner zufälligen
Schwere. Das Objekt,
das ihnen vorliegt, wir-
beln sie so lange in ihrer
Betrachtung hin und her,
bis sie sozusagen die
Körperlichkeit heraus de-
stilliert haben. Sie geben
daher den Extrakt, das
eigentlichste Wesen einer
Erscheinung. Man sieht
das am besten an ihren
berühmten Darstellungen
der Pflanzen. Da setzen
sie nie peinlich Strich ne-
ben Strich — es ist der
Duft, der Hauch der
Pflanze, der sie gefangen
nimmt, — den suchen
sie zu bannen. Und so
wird es ein Gedicht über ihre Schönheit. So
leicht, so von aller Körperlichkeit befreit und so
wahr, dass unsere Seele zittert. Es ist nur ein
Bild des Augenblicks, aber voll von der ganzen
Liebenswürdigkeit und Schönheit des künstleri-
schen Geistes, voll von Sehnsucht und inniger
Kraft. Es ist mehr, es ist wahrhaftig mehr, als was
die Wirklichkeit ihnen
bietet — ein Klang, als
hörten wir ferne Melo-
dien, und ehe wir ihren
Zauber recht begriffen,
schweigen die Töne —
nur andeutend — nur hin-
wehend. Nirgend sonst
erscheint uns die Welt so
schön, so erlöst.
Oder ich denke an die
zahllosen Landschaften,
über deren Mannigfaltig-
keit in der Auffassung
wir staunen müssen, zu-
mal die Motive nicht
häufig wechseln. Wir er-
sehen daraus, wie sehr
der Japaner Wert legt
auf das „Wie" und dass
Seele, Empfindung bei
ihm alles ist. Jene Land-
schaften, wie sie Hiros-
hige malte. In einem
kleinen Blatt die Unend-
lichkeit. Wer wollte be-
schreiben, welch unsag-
barer Zauber in ihnen
liegt. Wie ist alles Klein-
liche entfernt. Von einem
Hügel sieht man hinab;
unten liegen am Ufer
einige kleine Häuser, halb
versteckt am Walde. Und
eine einzige zarte Linie
fliesst aus dem Pinsel und
bildet das verlassene Ufer,
das den See einrahmt,
der sich weit ausdehnt,
auf ihm schweben einige
schwach angedeutete
Punkte, Striche — die
Segel der Schiffe.
Oder „die Brücke von Jedo". Wieder diese
verlassenen Ufer, wie sie nur Hiroshige, dieser
Meister in der Wiedergabe der Stimmung, geben
kann. Und über den breiten Fluss spannt sich
ENTWURF FÜR
WEBEREI.
„BLUM EN - ERWACHEN".
stossen könnte. Und es ist merkwürdig, diese
wahrhaft bescheidenen Künstler, die sich nicht
mit grossen Problemen
abgeben, die nie grösste
Rätsel lösen wollen, die
nie „Ewiges" geben wol-
len, haben dann etwas ge-
schaffen, das alle Zeiten
überdauert.
Die Japaner geben nie
das Ganze einer Erschei-
nung. Man sieht das am
besten in der Malerei.
Ihr Prinzip ist das der
Flüchtigkeit. Das, was
ihnen eine Stunde der
Wallung gegeben, su-
chen sie nie voll auszu-
schöpfen. Sie schweben
über der Erscheinungen
Schwere. Es hat den An-
schein, als würde alles,
was in ihre Hände
kommt, leichter, lachen-
der. Sie befreien das Ein-
zelne von seiner zufälligen
Schwere. Das Objekt,
das ihnen vorliegt, wir-
beln sie so lange in ihrer
Betrachtung hin und her,
bis sie sozusagen die
Körperlichkeit heraus de-
stilliert haben. Sie geben
daher den Extrakt, das
eigentlichste Wesen einer
Erscheinung. Man sieht
das am besten an ihren
berühmten Darstellungen
der Pflanzen. Da setzen
sie nie peinlich Strich ne-
ben Strich — es ist der
Duft, der Hauch der
Pflanze, der sie gefangen
nimmt, — den suchen
sie zu bannen. Und so
wird es ein Gedicht über ihre Schönheit. So
leicht, so von aller Körperlichkeit befreit und so
wahr, dass unsere Seele zittert. Es ist nur ein
Bild des Augenblicks, aber voll von der ganzen
Liebenswürdigkeit und Schönheit des künstleri-
schen Geistes, voll von Sehnsucht und inniger
Kraft. Es ist mehr, es ist wahrhaftig mehr, als was
die Wirklichkeit ihnen
bietet — ein Klang, als
hörten wir ferne Melo-
dien, und ehe wir ihren
Zauber recht begriffen,
schweigen die Töne —
nur andeutend — nur hin-
wehend. Nirgend sonst
erscheint uns die Welt so
schön, so erlöst.
Oder ich denke an die
zahllosen Landschaften,
über deren Mannigfaltig-
keit in der Auffassung
wir staunen müssen, zu-
mal die Motive nicht
häufig wechseln. Wir er-
sehen daraus, wie sehr
der Japaner Wert legt
auf das „Wie" und dass
Seele, Empfindung bei
ihm alles ist. Jene Land-
schaften, wie sie Hiros-
hige malte. In einem
kleinen Blatt die Unend-
lichkeit. Wer wollte be-
schreiben, welch unsag-
barer Zauber in ihnen
liegt. Wie ist alles Klein-
liche entfernt. Von einem
Hügel sieht man hinab;
unten liegen am Ufer
einige kleine Häuser, halb
versteckt am Walde. Und
eine einzige zarte Linie
fliesst aus dem Pinsel und
bildet das verlassene Ufer,
das den See einrahmt,
der sich weit ausdehnt,
auf ihm schweben einige
schwach angedeutete
Punkte, Striche — die
Segel der Schiffe.
Oder „die Brücke von Jedo". Wieder diese
verlassenen Ufer, wie sie nur Hiroshige, dieser
Meister in der Wiedergabe der Stimmung, geben
kann. Und über den breiten Fluss spannt sich
ENTWURF FÜR
WEBEREI.
„BLUM EN - ERWACHEN".