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Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Klingenstein, Gustav [Hrsg.]
Dürer: zwei Aufsätze aus den "Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders" und den "Phantasien über die Kunst" — Bielefeld, Leipzig: Verlag von Velhagen & Klasing, 1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.69707#0009
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Wilhelm Heinrich Wackenroder.
Wie Winkelmanns Schrift „Gedanken über die Nachahmung
der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst" (1755)
für die klassische Zeil, so wurden Wackenroders „Herzens-
ergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders" (1796) für die
Kunstanschauung der Romantik eine PrograMmschrift. Nicht als
ob die darin festgelegten Ideen erst durch ihn in die Welt ge-
kommen wären, aber er hat die in der Luft liegenden, noch unge-
stalteten Gedanken in beredte Worte gefaßt und so einer neuen
Kunstgesinnung Bahn gebrochen.
Mit neuer Einstellung zum Kunstwerk, die nicht das Können
und die schöne Form, sondern die Gesinnung und das Wollen des
Künstlers in den Borgergrund stellt, geht er an die Kunst heran.
Unter diesem Gesichtspunkt hat er unter Übertragung Herderscher
Ideen auf die Kunstbetrachtung die ältere deutsche Kunst als
gleichwertig neben die gepriesenen italienischen Meister gestellt,
Dürer neben Raffael. Der Gegensatz der Kunstrichtungen, der
sich in den Schlagworten klassisch-romantisch, italienisch-deutsch
ausdrückt und seit Goethes Tagen bis heute die Gemüter bewegt
und die kampflustigen Geister trennt, spielt für Wackenroders
undogmatische Kunstbetrachtung und Gesinnungswertung keine
Rolleft. Er will nicht nach Vorschriften und Regeln fühlen, son-
dern in jeder Kunst das Göttliche erkennen. So dringt er zu
der bisher nicht gewürdigten Kunst des deutschen Mittelalters vor
und hebt als erster diesen Schatz. Er öffnet den Zeitgenossen die
Augen für die Eigenart und Größe der deutschen Meister des
16. Jahrhunderts und wird so der Entdecker des alten Nürnberg.
Einer angesehenen Berliner Beamtenfamilie entstammend, war
Wilhelm Heinrich Wackenroder (1773—1798) von der Sekunda an
Ludwig Tiecks Schulfreund und hing ihm mit schwärmerischer
Freundschaft an. Die mit Tieck zusammen verlebte Studienzeit in
Erlangen (1793), der weitere gemeinsam genossene Semester und
1) Anm. vergi. Goethes Gedicht „Modernes":
„Wie aber kann st» Hans van EnS
Mit Phidias nur messen?
Ihr müßt, so lehr ich, aisogleich
Einen um den andem vergessen."

1*
 
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