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Waetzoldt, Wilhelm; Dürer, Albrecht; Dürer, Albrecht [Ill.]
Dürer und seine Zeit — London: Phaidon-Ausgabe, George Allen & Unwin LTD., 1938

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https://doi.org/10.11588/diglit.69737#0211
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ACHTER ABSCHNITT

LANDSCHAFT
Durch das Tor der Landschaft betritt jedermann freudig Dürers
Reich. Kein Dickicht einer stacheligen Technik versperrt ihm den Zu-
gang. Da gibt es keine Undurchsichtigkeiten des Inhaltes, unmittelbar
erschließen sich alle Schönheiten, alles ist diesseitig und spricht uns
vertraut an: das Dorf im Tale und die Burg auf dem Berge, der glei-
tende Fluß und der spiegelnde Weiher. Wir spüren den Segen des
Wanderns und das Glück des Reisens und nehmen ohne Zögern aus
der Hand Dürers entgegen die Aquarelle und Zeichnungen, voll des
landschaftlichen Reichtums aus Heimat und Fremde. Ja — Dürers
Landschaftskunst erscheint uns so lebendig und gegenwärtig, daß wir
versucht sind, in ihr das eigentlich Moderne, in die Zukunft Weisende
und die Vergangenheit weit hinter sich Lassende im Gesamtwerk
Dürers zu entdecken. Mit Recht und mit Unrecht zugleich.
Mit gutem Recht insofern, als es unter Dürers Landschaften eine
Gruppe, die hochberühmte der Aquarelle gibt. Sie wirken zeitlos, sie
sind in Dürers Werk und im Schaffen seiner Zeit ohne Vorgang —
sie sind aber auch, und das ist nicht weniger wichtig, ohne Folge ge-
blieben, sowohl in Dürers Arbeit wie in der Kunstgeschichte des
16. Jahrhunderts. Das sind die herrlichen Blätter, bei denen die Be-
schreiber die Namen großer moderner Landschafter beschwören, auf
Cezanne, auf Derain und Thoma hinweisen und sich zu geschichtlichen
Fehlurteilen verleiten lassen, wie dem, daß Dürer zu den Entdeckern
der impressionistischen Landschaft gehöre. Einer solchen falschen Ein-
schätzung würde Dürer selber entgegenhalten, daß er gar nicht daran
gedacht habe, seine Landschaftsstudien in eine Reihe etwa mit den
Holzschnitten des Marienlebens oder mit den Kupferstichen mytho-
logischen Inhaltes zu stellen, daß es für ihn, wie für alle seine euro-
päischen Zeitgenossen, eine Landschaft als selbständige künstlerische Gat-
tung gar nicht gegeben habe. Und — so würde Dürer wohl weiter gesagt
haben — diese Aquarelle, sie bilden eben doch nur eine, die unsem

Zeitlose
Kunst

Waetzoldt

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