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Waetzoldt, Wilhelm; Dürer, Albrecht; Dürer, Albrecht [Ill.]
Dürer und seine Zeit — London: Phaidon-Ausgabe, George Allen & Unwin LTD., 1938

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https://doi.org/10.11588/diglit.69737#0350
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Bebauungs-
plan einer
Idealstadt
Abb. S. 321

222 VIERZEHNTER ABSCHNITT
Rechnung getragen durch Ausfall- und Durchbruchgelände vor dem
Hauptgraben.
Das bei weitem Originellste und Interessanteste in Dürers Buch ist
aber der Stadtbebauungsplan. Die Ostecke (A) des Dürerischen Grund-
risses ist die geistliche Ecke: hier liegen beieinander Kirche, Sakristei,
Pfarrhaus mit Hof und Gärtchen, wobei auch die „Regelbirnbäume“
nicht vergessen werden: „da wohnet er herrlich“. — Die Südecke (C)
nehmen vier Gießhütten ein: „sie müssen hier der Winde wegen liegen,
da der im Jahre am meisten wehende Nord- und Westwind und auch
der Ostwind den giftigen Rauch (der Metallgießhütten) von dem
Schloß abtreiben und nur der seltene Südwind ihn demselben zuwehen
würde.“ In der Nachbarschaft der Gießhütten sollen sich die Rot-
schmiede, Former, Drechsler und andere Handwerker ansiedeln. Vor
einem der Schloßtore — nach Osten hin — liegt das kommunale Zen-
trum der Stadt: Marktplatz, Rathaus mit Hof und Brunnen — aber
ohne Kramläden im Erdgeschoß! Dürers Vater hatte in einem solchen
Kramladen am Nürnberger Rathause seine Gold- und Silbergeräte ver-
kauft. Die an das Rathaus stoßenden „Stöcke“, d. h. Häuserblocks, sind
„Mietskasernen“ mit Lichthöfen. Der Stadtteil zwischen Süden und
Westen enthält die großen Zeughäuser mit feuerfesten Kellereien und
Kornböden, Holzmagazine, Handwerkerhäuser. In einem Arbeiter-
viertel liegen Männer- und Frauenbad sich gegenüber. Auf das sorg-
fältigste ist die Verteilung der verschiedenen Gewerbe auf bestimmte
Stadtgegenden und Straßen durchdacht, so wohnen z. B. die Wagner
dicht an der Schütte, „damit sie ihre Stangen und Hölzer gegen die
innere Böschung legen können“. Der Gedanke an die Wehrhaftigkeit
einer Residenzstadt in Kriegszeiten beherrscht die ganze Planung. Die
Ecke im Norden (D) nimmt das Kriegsemährungshaus ein. „In diesem
Hause soll Schmalz, Salz, gedörrtes Fleisch und allerlei Speise auf-
bewahrt und unter dem Dache auf Böden Korn, Hafer, Gerste, Weizen,
Hirse, Erbsen, Linsen und dergleichen auf bewahrt werden.“ Wer denkt
bei diesen Worten nicht an Nürnbergs Kornhaus (die sog. Kaiserstallung)
von 1499 auf der Burg und an die Korn- und Fleischhäuser in der Stadt?
In dem Nordost-Stadtteil ist das Ernährungsgewerbe zu Hause: Fleischer,
Bäcker und die Bierbrauer, nahe dem Wall, „damit sie daselbst ihre
Keller und Schankstätten haben“. Die Idealstadt ist also doch eine alt-
bayerisch-gemütliche Stadt! Und wo bleiben die Künstler, wird man
Dürer fragen. „Des Königs Goldschmiede, Maler, Bildhauer, Seiden-
sticker und Steinmetze“ bilden keine abgesonderte Künstlerkolonie,
sondern wohnen mitten unter dem Volk der Kunsthandwerker. Die
Größe dieses städtebaulichen Organismus entspricht — nach Dürers
 
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