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eine Art Phantasie des Gehirns, und diese Doppelseitigkeit
seines Interesses, das Traumhafte und das Wissenschaftliche,
entspricht ja seiner ganzen geistigen Anlage. Wer viel weiß,
sieht viel Rätsel. Vielleicht war ihm die Wissenschaft das einzige
klarste Mittel, um seines Inneren, das voll war von Gestalten,
Herr zu werden,- vielleicht glaubte er, nur so dieses Drängen
durch die erlösende Form bändigen zu können. Denn das ist
das Seltsame an seinen Träumen: nie schweifen sie ins Ufer-
lose und ins Wesenlose, sondern immer sind sie verankert im
Boden der Anschauung und der Wirklichkeit. So schwärmend
diese Studie von der „Entführung auf dem Einhorn" auch
aussehen mag — nichts daran ist an sich unmöglich oder
absurd.
Es ist natürlich, daß bei diesen Phantasien, die Dürer mit dem
Griffel niederschrieb und für welche nur die Graphik das allei-
nige Ausdrucksmittel sein konnte, anfangs das formalkünstle-
rische Interesse durchaus im Vordergründe stand. Er wollte
seine neue Aktkunst zeigen und probieren, und innerhalb der da-
maligen nordischen Kunst war sonst kein Raum für solche Dinge.
Der tote Christus und der gemarterte Sebastian waren fast
die einzigen Aktparaden, die es gab, und diese Gegenstände
waren durch die Tradition an bestimmte formale Auffassungen
gebunden. So brauchte Dürer für seine neue Kunst auch gegen-
ständlich Neuland, und so kristallisierten sich an die Gestalten,
die er im Kopfe trug, fast wie von selber und manchmal äußer-
lich genug die neuen Stoffe an. Bei dem Kupferstich der
„Eifersucht", auch „Herkules" genannt, kann man bei jeder
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