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Die Sammlung des Herrn RUDOLF REICHERT sen. (geb. 1831, gest. 1921)
wurde der Hauptsache nach in den letzten beiden Jahrzehnten des abgelaufenen Jahr-
hunderts angelegt. Die Erwerbungen fanden fast durchwegs auf dem Wiener Platze,
bei Wiener Kunsthändlern, auf Wiener Auktionen und Ausstellungen statt. Die in
der Galerie vertretenen Künstler sind alle Zeitgenossen des Sammlers. Mit einer einzigen
Ausnahme, des dekorativen Soprapporto Eduard Veiths, gehören sämtliche Gemälde
der naturalistischen Richtung an. Es sind Sittenbilder, Landschaften und Tierstü&e.
Daß die Wiener Maler in der Sammlung den breitesten Raum einnehmen, versteht
sich schon nach dem Gesagten von selbst. Immerhin gehört aber ungefähr ein Viertel
der Künstler, von denen die Sammlung Werke enthält, dem nichtdeutschen Ausland an.
Bereits auf Grund dieser Feststellungen kann man sich ein gewisses Bild des
Sammlers selbst machen, was ja immer geschehen sollte, wenn das Ergebnis lang-
jähriger, liebevoller Tätigkeit eines Kunstfreundes, eine schöne, reichhaltige, kostbare
Sammlung, nach dem Tode ihres Begründers in alle Winde zerstreut wird. Die
einzelnen Bilder sind dann wohl noch weiter vorhanden, die Sammlung als Ganzes
aber hört auf zu bestehen, von ihr bewahrt nur mehr der Katalog ein schwaches,
dürftiges Abbild auf. Die Sammlung als Ganzes aber ist uns nicht bloß darum
wertvoll, weil sie uns darüber belehrt, wie sich die Kunst einer bestimmten Zeit in
einem anteilnehmenden, aufnahmsfähigen Kopf widerspiegelt, sondern auch darum,
weil, im Hinblick auf die Gesamtheit betrachtet, ein jedes einzelne Stück der Sammlung
besondere Bedeutung gewinnt.
Rudolf Reichert war ein wohlhabender Bürger, dem und zwar in steigendem Maße
seine Mittel den schönen Überfluß eines gewählten, gediegenen Bilderschmuckes für
seine geräumige Wohnung erlaubten. War ihm im Jahre 1882, da ihm und seinem
Bruder die ganze Sammlung Bühlmeyer zum Kauf angeboten wurde, der dafür
geforderte Betrag von 80.000 fl. noch zu viel, so zahlte er später Preise, die auch für
die damaligen Zeiten als sehr hoch gelten müssen, z. B. als er 1904 im Wettbewerb mit
der staatlichen Kunstverwaltung Sieger blieb und für 30.000 K Pettenhofens berühmten
»Verwundetentransport<x erwarb. Zäh und hartnä&ig, wenn es galt, sich eines von ihm
begehrten Kunstschatzes zu versichern, wachte er über die einmal in sein Eigentum
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Die Sammlung des Herrn RUDOLF REICHERT sen. (geb. 1831, gest. 1921)
wurde der Hauptsache nach in den letzten beiden Jahrzehnten des abgelaufenen Jahr-
hunderts angelegt. Die Erwerbungen fanden fast durchwegs auf dem Wiener Platze,
bei Wiener Kunsthändlern, auf Wiener Auktionen und Ausstellungen statt. Die in
der Galerie vertretenen Künstler sind alle Zeitgenossen des Sammlers. Mit einer einzigen
Ausnahme, des dekorativen Soprapporto Eduard Veiths, gehören sämtliche Gemälde
der naturalistischen Richtung an. Es sind Sittenbilder, Landschaften und Tierstü&e.
Daß die Wiener Maler in der Sammlung den breitesten Raum einnehmen, versteht
sich schon nach dem Gesagten von selbst. Immerhin gehört aber ungefähr ein Viertel
der Künstler, von denen die Sammlung Werke enthält, dem nichtdeutschen Ausland an.
Bereits auf Grund dieser Feststellungen kann man sich ein gewisses Bild des
Sammlers selbst machen, was ja immer geschehen sollte, wenn das Ergebnis lang-
jähriger, liebevoller Tätigkeit eines Kunstfreundes, eine schöne, reichhaltige, kostbare
Sammlung, nach dem Tode ihres Begründers in alle Winde zerstreut wird. Die
einzelnen Bilder sind dann wohl noch weiter vorhanden, die Sammlung als Ganzes
aber hört auf zu bestehen, von ihr bewahrt nur mehr der Katalog ein schwaches,
dürftiges Abbild auf. Die Sammlung als Ganzes aber ist uns nicht bloß darum
wertvoll, weil sie uns darüber belehrt, wie sich die Kunst einer bestimmten Zeit in
einem anteilnehmenden, aufnahmsfähigen Kopf widerspiegelt, sondern auch darum,
weil, im Hinblick auf die Gesamtheit betrachtet, ein jedes einzelne Stück der Sammlung
besondere Bedeutung gewinnt.
Rudolf Reichert war ein wohlhabender Bürger, dem und zwar in steigendem Maße
seine Mittel den schönen Überfluß eines gewählten, gediegenen Bilderschmuckes für
seine geräumige Wohnung erlaubten. War ihm im Jahre 1882, da ihm und seinem
Bruder die ganze Sammlung Bühlmeyer zum Kauf angeboten wurde, der dafür
geforderte Betrag von 80.000 fl. noch zu viel, so zahlte er später Preise, die auch für
die damaligen Zeiten als sehr hoch gelten müssen, z. B. als er 1904 im Wettbewerb mit
der staatlichen Kunstverwaltung Sieger blieb und für 30.000 K Pettenhofens berühmten
»Verwundetentransport<x erwarb. Zäh und hartnä&ig, wenn es galt, sich eines von ihm
begehrten Kunstschatzes zu versichern, wachte er über die einmal in sein Eigentum
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