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C. J. Wawra <Wien> [Editor]
Versteigerung der hinterlassenen Sammlung des Herrn Josef Flesch, Miniaturen österreichischer, deutscher, französischer, englischer und anderer Meister, Dosen, Wachsbossierungen, Gemälde alter und moderner Meister sowie verschiedene Kunstgegenstände: Mai 1930 (Katalog Nr. 309) — Wien, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.5419#0008
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Einfluß der Fügerschule bzw. der von Füger ausgehenden klassizistischen Richtung der Wiener Akademie
spiegeln u. a. die beachtenswerten Kleinbildnisse des Düsseldorfer Guerard, des aus Frankreich stammen-
den Hummel de Bourdon, des Sachsen Vieth, des Potsdamers Lieder und des Tirolers Schärmer
wieder. Von Suchy fallen zwei, naturalistisch erfaßte Bildnisse des Kaisers Ferdinand 1., von Grilhofer,
ein frühes Porträt des Dichters Friedrich Halm, auf. Die Kunst eines Daffinger bezeugt das fein-
malerische und bis ins kleinste Detail mit liebevoller Sorgfalt ausgeführte Porträt eines Fürsten
Loewenstein und nicht minder das dem verschönernden wienerischen Dekor Rechnung tragende Gürtel-
bild einer Gräfin Keglevich. Unter den Schülern und Nachfahren Daffingers machen sich neben dem
sehr geschickt nachempfindenden Peter, dem geschmackvoll idealisierenden Anreiter, dem koloristisch
empfindsamen Saar, die Mitglieder der Malerfamilie Theer bemerkbar. Insbesonders ist es Robert
Theer, welcher durch einige Frauenbildnisse von bodenständiger, wienerischer Anmut und einschmeicheln-
der Farbigkeit, wie etwa durch das Porträt seiner reizenden, jungen Gattin, ein mehr als durch-
schnittliches Interesse zu erwecken vermag. Die etwas herbere künstlerische Note seines Bruders Albert
tritt in zwei ausgezeichnet erfaßten Männerbildnissen zu Tage: in dem seines Schwiegervaters des
Hofmalers und Kupferstechers Sigmund von Perger und in einem Brustbild des früh gealterten und
offenbar durch den Tod seiner Tochter vergrämten Miniaturmalers Daffinger. Auf den Ausklang der
Daffingerschen Kunst weisen die in unserer Sammlung enthaltenen Arbeiten eines Raab, Schwager
und Wailand hin. Unter den österreichischen Kleinmalern des gleichen Sammelkomplexes befindet
sich schließlich auch eine Reihe bedeutender Künstler, welche auf Porzellangrund ihre Bildnisse aus-
führten und deren Lebensschicksal und künstlerische Entwicklung sich vielfach mit den Geschicken
der berühmten Altwiener Porzellan-Manufaktur berührt. Hervorhebung verdienen u. a.: Georg Lam-
precht, einer der führenden Spezialmaler des Wiener Spätklassizismus, ferner der aus Pirkenhammer
stammende Johann Zacharias Quast, welcher Kopien auf Porzellangrund nach Daffinger-Originalen
mit erstaunlicher Geschicklichkeit anfertigte, der vielseitig begabte Claudius Herr und vor allem der
kraftvolle Joseph Zasche, das Haupt einer ansehnlichen Künstlerfamilie, welcher zuletzt noch der
elegante Karikaturist der Wiener Vorkriegszeit Theo Zasche angehört hatte. Im Zusammenhang mit
den Wienern bzw. den Österreichern sei auch einer, mit zeichnerischem Raffinement und kolo-
ristischem Feingefühl durchkomponierten Bildnisminiatur des Ungarn Michael von Zichy Erwähnung
getan, welcher bekanntlich eine Zeitlang zu den bevorzugten Schülern Waldmüllers zählte.

Diesen mehr oder minder bodenständigen Kleinmalern schließen sich einige Miniaturisten reichsdeut-
scher Herkunft an: Der Berliner Hof-Emailmaler Biesendorf, der Sachse Blättner, der eines der vielen
Bildnisse seiner Gönnerin, der Herzogin Dorothea von Kurland, darbietet, der Braunschweiger Tilker, der
am Hofe der Königin Luise von Preußen wirkte, des Dresdener Josef Sonntag, von welchem ein reizendes
Bildnis einer Gräfin Beroldingen zu sehen ist, und nicht zuletzt der schlesische Modemaler en miniature
Josef Schmeidler, der durch ein ausdruckstiefes Herrnbildnis auffällt.

Aus einer interessanten und wertvollen Auslese französischer Kleinbildniskunst heben wir zunächst
hervor: ein in Emailtechnik ausgeführtes Selbstbildnis des jüngeren Petitot, welches den Sohn und künst-
lerischen Erben eines gefeierten Vaters als dreiundzwanzigjährigen Jüngling vorführt, ferner ein Email-
porträt einer Fürstin, welches die maltechnische Besonderheit des wohl aus Frankreich stammenden, jedoch
in Dänemark zur Berühmtheit gelangten Adrian de Prieur aufweist. Die Nachwirkung der künstlerischen
Formsprache eines Hall tritt ebenso in den zart und duftig hingepinselten Damenköpfchen des Vittoriano
Campana zu Tage, wie in dem, mit charakterscharfer Eindringlichkeit durchmodellierten Herrnbildnis
von Siccardi. Einen der letzten und bedeutendsten Vertreter der französischen Rokokominiatur sehen wir
auch noch in Francois Dumont, von dem eines in der Fachliteratur oft genanntes Hauptwerk seiner Spät-
zeit, ein Gruppenbildnis der Herzogin von Angouleme und ihrer Brüder Karl X.und Ludwig XVIII., unserer
Sammlung angehört. Von den Künstlern des Uberganges, die an der Grenzscheide der Jahrhunderte auf
manchem Sondergebiet der Bildnisminiatur in der Heimat und in der Fremde eine durch die Zeitverhält-
nisse bedingte, mehr oder minder erfolgreiche Tätigkeit entfalten konnten, erwecken u. a. unsere Aufmerk-
samkeit: der aus Genf stammende Porzelianmaler der Fabrik in Sevres, Constantin, weiters sein Lands-

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