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C. J. Wawra <Wien> [Editor]
Versteigerung der hinterlassenen Sammlung des Herrn Josef Flesch, Miniaturen österreichischer, deutscher, französischer, englischer und anderer Meister, Dosen, Wachsbossierungen, Gemälde alter und moderner Meister sowie verschiedene Kunstgegenstände: Mai 1930 (Katalog Nr. 309) — Wien, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.5419#0007
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DIE MINIATUREN DER SAMMLUNG FLESCH

Mit der Versteigerung der Miniaturensammlung des Großindustriellen Josef von Flesch, welche sich seit
Jahren in den einheimischen Sammlerkreisen einer besonderen Wertschätzung erfreute, aber auch
im Auslande Anerkennung und in der Fachliteratur wiederholte und eingehende Würdigung erfuhr,
geht ein Kunstbesitz von Rang und Eigenart seiner endgültigen Auflösung entgegen. Diese Sammlung
wurde ungefähr in den Neunzigerjahren des vorigen Jahrhunderts angelegt, durch Erwerbungen aus
altem Privatbesitz, und in- und ausländischem Kunsthandel gespeist und vielfach durch Beiträge aus
den zur Versteigerung gelangten Sammlungen: Breda, Bergmann, Beroldingen, Csaky, Cubasch,
Hirschler, Hörmann, Köhler, Lachnit, Lanna, Theer, Zasche, Zuckerkandl u. a. in wirksamer Weise ergänzt.
Die Mannigfaltigkeit dieses Sammelkomplexes, welcher durch Auffindung und Aneinanderreihung seltener
in- und ausländischer Email- und Porzellanminiaturen eine persönliche Note erhielt, hatte zur Folge, daß
einer Auslese desselben in den Spezialausstellungen von Wien (1905 und 1924), Berlin (1906), Brünn
(1909) und Rom (1911) mannigfaches Interesse entgegenkam.

Mit Josef von Flesch, der am 16. November 1928 in Wien in seinem 57. Lebenjahre verschied, verlor das
Wiener Wirtschaftsleben einen seiner prominentesten Vertreter. Ein Pionier der österreichischen Leder-
industrie verhalf er durch seine außerordentliche fachliche Befähigung und durch seinen unermüdlichen
Arbeitsdrang der einheimischen Produktion zu seltenem Aufschwung. Ihm gebührt ferner der Verdienst,
dem ledererzeugenden und lederverbrauchenden Gewerbe Österreichs auch im Auslande Anerkennung und
Absatzmöglichkeiten verschafft zu haben. Als Freund intensiver sportlicher Betätigung, erfreute sich Flesch
auch als Flieger und Automobilist eines wohlbegründeten Rufes. Als der Weltkrieg ausbrach, nahm er als
Flugzeugführer an den unterschiedlichen militärischen Operationen verdienstvollen Anteil. Seine Tätigkeit
in der Kommission des Kriegsministeriums für Aufbringung von Gerbstoffen leistete der Kriegsführung
wesentliche Dienste. Sein Schönheitsinn und sein geläuterter Geschmack führten ihn immer wieder zum
Studium und Genuß von Werken alter künstlerischer Kultur zurück. Der besonderen Vorliebe für die
Lebensäußerungen und das Kulturniveau des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts verdankt auch seine
ansehnliche Miniaturensammlung ihre Entstehung. Der persönlichen Einstellung ihres Besitzers zufolge,
ist in ihr vorwiegend österreichisches und französisches Kunstgut vertreten.

Unter den Repräsentanten der österreichischen Miniaturbildniskunst nimmtFüger auch hier die ihm
gebührende Ausnahmestellung ein. Er tritt gleich mit einem halben Dutzend von Arbeiten, die seiner Wesens-
art entsprechen, hervor. Wir nennen nur etwa: das mit bewunderungswürdigem technischem Können und
gesteigerter künstlerischer Beseelung gemalte Gürtelbild der Kaiserin Maria Ludovika, der Gemahlin
Leopold II., ferner das durch schlichte, ungekünstelte Wiedergabe des unmittelbaren Natureindruckes
gekennzeichnete Brustbild der Herzogin von Angouleme oder den durch seine sprühende Farbigkeit
fesselnden „roten Kavalier". Aus dem Nachlasse des Füger-Schülers Weixlbaum stammt das energische
und durchgeistigte Selbstbildnis des Meisters; aus altem Familienbesitz das keck und sicher hinge-
tüpfelte Porträt des Hofarchivars Melchior von Schäffer. Mit der zeit- und kunstverwandten Persön-
lichkeit Josef Grassis hängt das in Zeichnung und Farbe geschmackvoll abgestimmte und auf Pergament
gemalte Gürtelbild einer Gräfin Edling zusammen. Von Weixlbaum, welcher die künstlerische Hand-
schrift Fügers bisweilen mit überraschender Sicherheit beherrschte, rührt die originelle, in der Fach-
literatur wiederholt angeführte miniaturistische Charakterstudie der Baronin Pereira-Eskeles her. Den

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