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C. J. Wawra <Wien> [Editor]; Kunstsalon Pisko [Editor]
Versteigerung der künstlerischen Nachlässe der Maler David Mosé und Holger H. Jerichau: Montag den 20. und Dienstag den 21. April 1903 — Wien, 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.35471#0035
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Gedankenkette durchbrechen, und mit ein paar ruhigen lächelnden
Bemerkungen zu seinem Biide zurückkehren machte. So war etwas
Unruhiges und doch wieder bewußtes Kiares in ihm. Sein Auge, das
wenn er seine Gedanken ausführte, zuweilen etwas ängstlich Flackerndes
oder scharf Durchdringendes hatte, gewann den Ausdruck liebevollen
und ruhigen Betrachtens, wenn es auf seinem Motiv oder der Leinwand
unter seinem Pinsel haftete. So hatte ich den Eindruck einer merk-
würdigen Doppelnatur zwischen seinem rein geistigen und seinem
künstlerischen Wesen empfangen, ein erster Eindruck, der auch, als
ich ihn näher kennen gelernt hatte, ein bleibender war.
Es war ein rastloser Geist, dem körperlich und seelisch wenig
Ausruhen gegönnt war. Nur aus dieser Unermüdlichkeit seines Wesens
heraus erklärt sich die fast unglaubliche Arbeitskraft dieses Künstlers.
Er malte fast niemals im Atelier, sondern stets vor der freien Natur.
Und es schien mir immer, als hätte er stets ein quälendes Gefühl
in sich, das ihn erst verließ, wenn er eine begonnene Arbeit vollendet
hatte. So kam es, daß er manches große Bild in wenigen Tagen, zu-
weilen sogar in wenigen Stunden malte. Solange der Eindruck des Motivs
in ihm geistig regsam war, mußte es zu Ende gebracht werden! Seine
Arbeitskraft war stupend. Gewiß mag dabei manche Flüchtigkeit sich
eingeschlichen haben. Aber es war, als hätte sich bei der Arbeit sein
ganzes Wesen derart auf seine künstlerische Tätigkeit konzentriert,
daß seiner Hand die Mühelosigkeit einer sicheren Technik gegeben
war, die sie befähigte, selbst dem raschesten Diktat seines Intellekts
leicht und mühelos zu folgen. Was er so am künstlerischen Hand-
werk in der Durchführung zuweilen vernachlässigen mochte, das er-
setzte er durch die frische Unmittelbarkeit seiner Bilder und Skizzen,
in welchen ein ursprüngliches malerisches Empfinden von über-
zeugender Kraft sich aussprach und ein fast von verzehrender Liebe
für die Natur und ihre Schönheiten erfülltes Künstlerstreben sich kundgab.
So sehr er in Augenblicken künstlerischen Schaffens in seiner Arbeit
aufging, so wenig befriedigte ihn dieselbe, wenn er in den wenigen
Rastpausen, die er sich gönnte, darüber sprach. Er meinte dann, die
Malerei lasse immer unbefriedigt, sie beschränke sich nur auf müh-
sam gequälte Versuche, das Göttliche der Natur zu kopieren. Dann
wußte ich genau, daß seine Gedanken bei tieferen Betrachtungen
verweilten, daß das Unirdische, dem er geistig zustrebte, ihn mit einem
freilich nur vorübergehenden Widerwillen gegen die an alle Er-
scheinungen des irdisch Unmittelbaren und Tatsächlichen gebundene
Malkunst erfüllt hatte. Aber nach dem Unfrieden, den ihm das philo-
sophische Grübeln über die ewigen Rätsel seiner Seele gab, sehnte
 
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