3m Kino einer großen Stadt wird sine Wochen-
schau gezeigt, die den Bildbericht einer großen Parade
nach einem Manöver enthält. Musik rauscht aus,
ein alter mitreißender Infanteriemarsch setzt sin.
Dann marschiert die Infanterie. In geraden wuch-
tigen Kolonnen kommen die grauen Soldaten, ein
stolzes Bild, voll Kraft und Disziplin. Das Publikum
- unser Volk - sieht den Marsch der Infanterie mit
leuchtenden klugen. Die Infanterie ist vorbei. And
wieder setzt Musik ein. Lin Kavalleriemarsch im
Trade. Lockend und leicht, ein prachtvolles Bild der
kesselpauker, der gerade zum Salopp ansetzt. Dann
kommen die Lskadronen, und da bricht der Beifall
los - unser Volk klatscht. And der Beifall wird sich
zum Jubel steigern, wenn dann die Panzerkampf-
wagen durch das Bild rollen.
Man frage irgendeinen jungen Mann, der in
einiger Zeit seiner Musterung entgsgensieht, zu
welcher Waffengattung er denn wohl am liebsten
möchte. Die klntwort lautet: „Jur Panzertruppe."
„Jur Artillerie." „Jur Nachrichtentruppe." Selten
hat einer wirklich den Wunsch zur Infanterie zu
kommen. So selten, daß man schon aushorcht und
sich den jungen Mann etwas genauer ansieht, der
da so „heroisch" zur Infanterie will.
Ls wäre eine verteufelte Angelegenheit, wenn man
sich da auch nur einen Augenblick fragen müßte, ob
der Grund für diese Einstellung unserer Jugend etwa
die Überzeugung wäre, daß man es eben bei anderen
Wafsengattungen leichter hat, daß man da „zum Bei-
spiel nicht zu laufen braucht". And es wäre für uns
und für unser ganzes Volk noch sehr viel schlimmer,
wenn manetwa indieserJurückhaltung derInfanterie
gegenüber eineGrundeinstellung dem Kamps inseiner
Höchstform - dem Kampf Mann gegen Mann -
gegenüber erblicken müßte.
Die Gründe sind glücklicherweise andere. Man
hat sie mit der zweiten Hrage bald heraus. Ls ist
die Vorliebe zur Technik, die zum großen Teil der
deutschen Jugend jede sogsnannte technische Truppe
als leuchtendes Ziel vorschweden läßt. Lin großer
Teil ist bereits technisch in irgendeiner Beziehung
tätig. Ls ist selbstverständlich, daß er glaubt, in
diesen Wafsengattungen am besten etwas leisten zu
können, am schnellsten heimisch zu sein. Der andere
Teil hat keine Gelegenheit, sich beruflich, noch weniger
Gelegenheit, sich außerhalb des Berufs mit Technik
zu befassen. Gerade dieser Teil leidet geradezu an
seiner unglücklichen Liebe zur Technik. Ls ist dieser
Teil, der mit seinen großen Massen technische Aus-
stellungen bevölkert und der mit verzücktem Gesicht
an jedem parkenden Motorrad steht. Ist es ein
Wunder, daß diese Jugend die einzige Lhance ihres
Lebens, mit der Technik näher in Berührung zu
kommen, mit Inbrunst herbeisshnt?
Lin weiterer Teil hat völlig falsche Anschauungen
über die moderne Infanterie und ihren Dienst. Ls
ist schwer feststellbar, woher diese oft geradezu
verschrobenen Ansichten kommen. Sind da noch
Schlacken der pazifistischen Nachkriegsliteratur wirk-
sam? Wohl nur zum Teil. Hauptsächlich ist es wohl
die oft geradezu groteske Allwissenheit über das
Wesen der neuzeitlichen Infanterie. Noch immer
wird geglaubt, daß der Dienst der Infanterie im
wesentlichen im eintönigen Lrerzierdienst besteht.
Nicht gewußt wird, daß heute der Kompaniechef sich
die wenigen halben Stunden in der Woche für den
Lrerzierdienst wirklich zusammenklauben muß, daß
dafür nur ein ganz bescheidener Teil des Dienst-
planes vorgesehen werden kann.
Der junge deutsche Mann will zu neuen Dingen.
In seinen verbänden, die seiner Militärzeit voraus-
gehen, lernt er etwas vom Lrerzierdienst und im
Geländesport einiges vom Geländodienst.6o entsteht
bei ihm die Meinung, daß ihm der Dienst bei der
Infanterie nichts Neues bringen könnte. Lr wendet
also seine Wünsche einer anderen Waffengattung zu,
die ihm vermeintlich mit Überraschungen dienen kann.
Jum geringen Teil mögen auch die Erzählungen
bereits aktiverkameraden beitragen,die bei anderen
Waffengattungen als bei der Infanterie Dienst tun.
Da wird der notwendige Lrerzierdienst in der Regel
als „Infanterie- oder Jußdienst" bezeichnet. Die Er-
innerungen daran bilden gewiß nicht die Höhepunkte,
von dem eigentlichen Dienst der Infanterie weiß
auch der Kamerad der anderen Waffengattungen
recht wenig. Lei größeren Übungen oder im
Manöver sieht er die Infanterie „irgendwo im Ge-
lände rumwimmeln" und kann sich darunter meistens
noch weniger vorstellen als der Infanterist, der einen
Artilleristen an der Kanone hantieren sieht.
Ls ist an der Jeit, daß das Wissen vom Wesen
und Wert der Infanterie sich verbreitert und vertieft.
Im Heere und im Volk!
Die besten Männer gehören zur Infanterie. Die
Männer, dis so indianerhast gewandt, so ausdauernd
und zäh, so mutig und blitzschnell entschlossen sind,
daß sie ein neuzeitliches Gefecht mit Aussicht auf Lr-
folg bestehen können. Die Infanterie von heute und
morgen kann in ihrem Körper keine Krieger zweiter
Sorte verdauen. Mitläufer- und Trägertgpen waren
schon in den letzten Jahren des Weltkrieges eine
niederziehende Belastung für die Kompanien der
Hront. Sie entfalteten erst dann ihre unerhörteste
Wucht im Angriff und ihre stählerne Härte in der
Verteidigung, wenn sie beim Ad- und Anmarsch, beim
Weg durch dis unendliche Hsuerzone die Schlacken
der Halben und Unzuverlässigen abgestoßen hatten.
Das bedeutet es, wenn man von einer Infanterie
behaupten kann, daß sie vollwertig ist? Ls ist damit
gesagt, daß diese Infanterie in ihrem können, vor
allem aber in ihrem Geift so beschaffen ist, daß sie
dieLntscheidung erzwingen kann. Mögen alleandsren
Wafsengattungen sie noch so vortrefflich unterstützen,
die Infanterie allein muß den Sieg erzwingen. Sie
muß an den Heind heran, in den Heind hinein. In
diesen Höhepunkten der Schlacht muß sich Mannes-
wert und echtes kriegertum hewähren. Im Nah-
kampf - Auge in Auge - wird die Gestalt des wirk-
lichen Kämpfers riesengroß. Hinter sich läßt er in
diesen Augenblicken alle Technik und raffinierte Me-
thoden der modernen Kriegführung. Die letzten
100 Meter - dis letzten 50 Meter bis zum tzeind -
hier dreht sich das Sandglas. In Sekunden reift die
Lntscheidung - du oder ich! können hier halbe
Männer stehen? versagt die Infanterie aus dem
kurzen und doch so unendlichen Wege der letzten
t00 Meter, so hilft die beste Unterstützung bester
Kameraden der anderen Waffengattungen nichts.
Die Infanterie ist die Seele des Sieges!
Mögen die anderen Waffengattungen noch so wert-
voll sein, sie dienen letzten Endes nur der Infanterie.
Sie sollen ihr zum Lrfolg - zum Sieg helfen. In
jeder anderen Waffengattung läßt sich innerhalb der
Bedienung eines Geschützes, eines Nachrichtenge-
rätes usw.der sogenannte Trägertgp leichter ertragen,-
besser verwenden und beaufsichtigen als gerade bei
der Infanterie. Bei ihr - bei ihrem Angriff über die
letzten I00 Meter - ist nur der vollwertige Soldat
brauchbar. Die Auflockerung der Sefechtsform hat
dazu geführt, daß nicht einmal mehr der Gruppen-
führer jeden einzelnen Mann seiner Gruppe beauf-
sichtigen, ihm nicht in jeder Phase des Gefechts be-
fehlen kann. Selbständig muß er handeln, allein muß
er kämpfen, Entschlüsse fassen - ganz allein muß er
sterben können. Die Infanterie braucht dazu die Besten
des Heeres, die Besten der Nation!
Was hat also zu geschehen? Über die not-
wendigen militärischen Maßnahmen braucht an
dieser Stelle kein Wort gesagt zu werden. Mit ihnen
allein ist es aber nicht getan. Notwendig ist, daß die
zum Wehrdienst heranstehende deutsche Jugend im
steigenden Maße mit Hreude und innerer Bereitschaft
zur Infanterie kommt. Ihr bester Teil soll seinen
Stolz und seinen Ehrgeiz darin sehen, in einer
Waffengattung Dienst zu tun, die am wahrhaftigsten
und eindeutigsten die kämpferische Kraft der Nation
zu beweisen hat.
Dazu bedarf es der Aufklärung. Die deutsche
Jugend muß wissen, daß der Dienst der Insanterie
der am schwersten zu erlernende, aber auch der inter-
essanteste ist, daß in der neuzeitlichen Insanterie eins
Hülle von Spezialisten benötigt wird, daß die Technik
auch hier in großem Ausmaß ihren Einzug gehalten
hat. Vor allem aber, daß es bei keiner anderen
Waffengattung so aus das Verständnis, die Selb-
ständigkeit, die Entschlußkraft des einzelnen Mannes
ankommt wie bei der Infanterie.
Jeder Infanterist selbst soll zur Aufklärung des
ganzen Volkes beitragen. Lr soll stolz aus seine
Waffengattung sein. Lr soll sein Teil dazu tun, daß
das ganze Volk aus seine Infanterie stolz ist!
„Niemals aber ward erreicht,
was dem deutschen tzußvvlk gleicht!
Außere Lhren kennt es nicht,
kennt nur seine harte Pflicht.
Ernst das Auge, blaß die Wangen,
leise in den Tod gegangen:
wo des Vaters Leid verdorrt,
folgt der Sohn und spricht kein Wort.
Bunte Lappen, Srdsnsbänder,
schön gestickte Schmuckgewänder
sind gar mancherlei erdacht,
aber nicht sür euch gemacht.
Aber wißt: In eurer Hand
liegt dos ganze Vaterland.
And zu hoch seid ihr gestellt
sür den eitlen Glanz der Welt!
Unter denen, die stolzieren
und geputzt einherspazieren,
läßt sich auch nicht einer finden,
wert, die Schuhe euch zu binden.
Schlicht und tapfer spät und früh,
unverzagt in Stürmen,
anspruchslose Insanterie,
möge Gott dich schirmen."
tv. Wallenbergj
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