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Weisbach, Werner
Die italienische Stadt der Renaissance — Bibliothek der Kunstgeschichte, Band 46: Leipzig: Seemann, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.62743#0007
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Die italienische Renaissance hat zum erstenmal wieder
seit den Tagen der Antike die Stadt als Kunstwerk
in das Bereich ihrer Phantasie gezogen und zu einem
ihrer Ideale erhoben. Nicht als ob die mittelalterliche
Stadt im Süden und im Norden nicht auch ihre Reize
und Schönheiten gehabt hätte, aber diese entstanden in
den unregelmäßigen Anlagen durch allmähliches Wachs-
tum, indem ein sicherer Instinkt in jedem Falle zu be-
urteilen wußte, was an die betreffende Stelle hingehörte
und in dem gegebenen oder geplanten Zusammenhang
seine Wirkung tat. Die Renaissance hat die regelmäßige
Anlage zum Grundsatz gemacht und sich, davon aus-
gehend, ein neues stadtbaukünstlerisches Problem ge-
schaffen, das in Berührung steht mit ihren anderen
künstlerischen und kulturellen Problemen, die sich gegen-
seitig bedingen. Gefordert wurde eine neue städtebau-
liche Entwicklung durch einen neuen Charakter des
Einzelgebäudes, das eine vorwiegend gradlinige, recht-
winklige, regelmäßig gestaltete Form annahm, mit stark
horizontaler Betonung und horizontalem Abschluß nach
oben. Eine aus solchen Gebäuden sich zusammensetzende
Blockbildung drängte auf regelmäßige Plätze und grade
Straßen mit rechtwinkligen Kreuzungen. Das war an
sich nichts unbedingt Neues. Auch solche Städte, die
sich an einen alten römischen Grundriß angeschlossen
hatten, behielten teilweise das regelmäßige System bei;
ebenso wurde bei planmäßigen Neugründungen des Mit-
telalters, wie bei den in Südfrankreich von fürstlichen
Herren ins Leben gerufenen sogenannten villes neuves
oder bei Kolonialstädten im deutschen Osten aus ver-
schiedenen praktischen Gründen, der Übersichtlichkeit
und Bequemlichkeit wegen, von vornherein eine regel-
mäßige Anlage bevorzugt — die Renaissance aber hat
die Regelmäßigkeit des Stadtbildes als ein ästheti-
sches Ideal aufgestellt und daraus neue Wertungen ab-
geleitet.

B.D.K.46

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