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v^k Orgsnkurdle
s^HH IH s> Interessen derW
^ MDSLH ^-— ^ Wenden luenttler.
Redakteur: Ernst Closs
III. Iakrg. ^ IZeN 4. * 26. Okt. 1902.
Unonyme Kunstausstellungen.
In einem Feuilleton der „N. Fr. Pr.", dessen
Verfasser ein Künstler sein soll, findet sich folgende
Anregung: „Melcher Legen wäre eine Kunstaus-
stellung mit anonymen Werken! Der Juror könnte
unbehindert durch Rücksicht auf Stellung, Rang
oder Auszeichnung des einschickenden Urhebers,
frei von Haß und Gunst, ohne jede Verwendung
von dritter Leite sein Amt verwalten. Dem ge-
wissenhaften Juror, der sich seiner Verantwortung
gegenüber der Kunstkritik und dem Publikum be-
wußt ist, würde das Iurieren anonymer Kunst-
werke nur willkommen sein, es würde ihm sein
Amt erleichtern und ihm über manche nützliche
Lituation hinweghelfen. Das Publikum aber
wäre genötigt, auf anonymen Ausstellungen frei
voll jener Luggestion, die im bekannten Rahmen
liegt, sich in ein rein objektives Verhältnis zum
Kunstwerk zu setzen. Das gleiche gilt von jenem
Teile der Presse, der der fachlichen Kritik entbehrt
und auf die Nachschlageregister über Medaillen,
Auszeichnungen, Titel und Kritiken der Fachpresse
oder einschlägige Literatur geradezu angewiesen ist.
Die anonyme Kunstausstellung hätte ein völlig
geändertes Aussehen. Lie wäre eine Neuheit.
Lchon haben sich ernste Ltimmen aus Gelehrten-
und Künstlerkreisen für dieses Projekt ausge-
sprochen."
And da der Verfasser in der von ihm vor-
geschlagenen Anonymität das Heilmittel gegen jeg-
liches Uebel erblickt, so meint er auch: „Unzählige,
die sich überlebt haben und aus Not geduldet sind,
müßten (wenn sein Vorschlag befolgt würde) vom
Lchauplatze abtreten, das junge Talent, alles Frische
und Eigenartige würde an ihre Ltelle treten."
Lchon diese Ueberschwänglichkeit der Erwar-
tungen muß stutzig machen. Zunächst ist der Vor-
schlag, der hier in dem Wiener Blatte gemacht
wird, wieder als ein Lymptom der Unzufrieden-
heit mit dem bestehenden Iurywesen zu betrachten.
Diese Unzufriedenheit ist natürlich. Die Frage ist
nur, ob die Jury diese Unzufriedenheit verdient.
Und wenn auch zugegeben ist, daß Mißgriffe vor-
kommen können — Irren ist menschlich und auch
die Juroren sind Menschen und können als solche
unmöglich auf dem Ltandpunkt einer absoluten
Objektivität stehen, wenn es eine solche überhaupt
gibt. Den Jurys aber den Vorwurf machen, daß
sie persönlicher Gunst oder Ungunst bei ihren Ur-
teilen nachgeben, das wäre ein schweres Unrecht.
Mag auch bei dem einen oder anderen Juror
einmal persönliche Lympathie oder Antipathie,
Neid oder Mißgunst mitsprechen, so hat er doch
nicht allein das Wort, aus sein Urteil allein
kommt es nicht an, die andern Juroren wirken
ausgleichend.
Man reitet überhaupt viel zu viel auf den
Jurys herum, deren Aufgabe aus ganz natür-
lichen Gründen eine undankbare ist. Zurück-
v^k Orgsnkurdle
s^HH IH s> Interessen derW
^ MDSLH ^-— ^ Wenden luenttler.
Redakteur: Ernst Closs
III. Iakrg. ^ IZeN 4. * 26. Okt. 1902.
Unonyme Kunstausstellungen.
In einem Feuilleton der „N. Fr. Pr.", dessen
Verfasser ein Künstler sein soll, findet sich folgende
Anregung: „Melcher Legen wäre eine Kunstaus-
stellung mit anonymen Werken! Der Juror könnte
unbehindert durch Rücksicht auf Stellung, Rang
oder Auszeichnung des einschickenden Urhebers,
frei von Haß und Gunst, ohne jede Verwendung
von dritter Leite sein Amt verwalten. Dem ge-
wissenhaften Juror, der sich seiner Verantwortung
gegenüber der Kunstkritik und dem Publikum be-
wußt ist, würde das Iurieren anonymer Kunst-
werke nur willkommen sein, es würde ihm sein
Amt erleichtern und ihm über manche nützliche
Lituation hinweghelfen. Das Publikum aber
wäre genötigt, auf anonymen Ausstellungen frei
voll jener Luggestion, die im bekannten Rahmen
liegt, sich in ein rein objektives Verhältnis zum
Kunstwerk zu setzen. Das gleiche gilt von jenem
Teile der Presse, der der fachlichen Kritik entbehrt
und auf die Nachschlageregister über Medaillen,
Auszeichnungen, Titel und Kritiken der Fachpresse
oder einschlägige Literatur geradezu angewiesen ist.
Die anonyme Kunstausstellung hätte ein völlig
geändertes Aussehen. Lie wäre eine Neuheit.
Lchon haben sich ernste Ltimmen aus Gelehrten-
und Künstlerkreisen für dieses Projekt ausge-
sprochen."
And da der Verfasser in der von ihm vor-
geschlagenen Anonymität das Heilmittel gegen jeg-
liches Uebel erblickt, so meint er auch: „Unzählige,
die sich überlebt haben und aus Not geduldet sind,
müßten (wenn sein Vorschlag befolgt würde) vom
Lchauplatze abtreten, das junge Talent, alles Frische
und Eigenartige würde an ihre Ltelle treten."
Lchon diese Ueberschwänglichkeit der Erwar-
tungen muß stutzig machen. Zunächst ist der Vor-
schlag, der hier in dem Wiener Blatte gemacht
wird, wieder als ein Lymptom der Unzufrieden-
heit mit dem bestehenden Iurywesen zu betrachten.
Diese Unzufriedenheit ist natürlich. Die Frage ist
nur, ob die Jury diese Unzufriedenheit verdient.
Und wenn auch zugegeben ist, daß Mißgriffe vor-
kommen können — Irren ist menschlich und auch
die Juroren sind Menschen und können als solche
unmöglich auf dem Ltandpunkt einer absoluten
Objektivität stehen, wenn es eine solche überhaupt
gibt. Den Jurys aber den Vorwurf machen, daß
sie persönlicher Gunst oder Ungunst bei ihren Ur-
teilen nachgeben, das wäre ein schweres Unrecht.
Mag auch bei dem einen oder anderen Juror
einmal persönliche Lympathie oder Antipathie,
Neid oder Mißgunst mitsprechen, so hat er doch
nicht allein das Wort, aus sein Urteil allein
kommt es nicht an, die andern Juroren wirken
ausgleichend.
Man reitet überhaupt viel zu viel auf den
Jurys herum, deren Aufgabe aus ganz natür-
lichen Gründen eine undankbare ist. Zurück-