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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 4.1904/​1905

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Heft 1
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Delegiertentag der Allgemeinen deutschen Kunstgenossenschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.42122#0007
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Heft

Die Werkstatt der Runst.

3

unsre Anträge in dem Entwurf gänzlich unberücksichtigt und
können wir auf eingehende Beratung derselben auf dem nächsten
Delegiertentag ^ und auf Berücksichtigung derselben in den Sat-
zungen nicht verzichten, die Aufnahme einzelner Punkte in
eine beabsichtigte Geschäftsordnung entspricht durchaus nicht
der Bedeutung dieser Anregungen oder dem Wesen einer
Geschäftsordnung.
Alle unsere Anträge beschäftigen sich mit dem Zweck
und mit den Aufgaben der Genossenschaft und gehören des-
halb logischerweise in die Satzungen.
Die seit Gründung der Genossenschaft an der Spitze der
Satzungen stehenden allgemeinen Phrasen, wie Förderung
und Wahrung aller gemeinsamen Interessen der deutschen
Kunst und der deutschen Künstler^ halten wir heutzutage für
vollkommen zwecklos und überflüssig.
Nit dieser allgemeinen Redeweise ist die Genossenschaft
auf dem bedauerlichen Tiefstand angelangt, den sie heute ein-
nimmt. Noch ist es Zeit dem drohenden weiteren Verfall vor-
zubeugen durch entschieden einschneidende Reformen. Ein Be-
harren auf dem bisherigen Standpunkt käme einem Todes-
urteil über die Allgemeine deutsche Kunstgenossenschaft gleich.
Unsre Anträge haben den Zweck, der Genossenschaft
den durch die geänderten Zeitverhältnisse notwendig gewor-
denen realen Boden zu geben, auf dein sie sich weiter ent-
wickeln kann. Wir wollen allen deutschen Künstlern wieder
einen Sammelpunkt geben, in dem sie einen festen palt
finden. Möge der pauxtvorstand sich der schweren Verant-
wortung, die er in dieser kritischen Zeit hat, wo es sich um
Sein oder Nichtsein der Genossenschaft handelt, wohl bewußt
sein, wird wie bisher weitergearbeitet, so werden weitere
Spaltungen die notwendige Folge sein. Dies gilt es zu ver-
hüten durch wohlbedachte nützliche Reformen, wie wir sie
vorschlugen.
Die Bedenken des Pauptvorstandes gegen eine gründ-
liche Durchberatung des Entwurfs und eventnell dadurch not-
wendig werdende Aenderungen teilen wir durchaus nicht,
und halten wie bei der letzt erfolgten Neufassung der Sat-
zungen auf dem Münchner Delegiertentag eine Durchberatung
des Entwurfs in den Lokalvereinen sogar für absolut erforderlich.
Die formelle Erklärung des Amtsgerichts E. kann auch
ebensogut bei Andersfassung einzelner Teile der Satzungen
erfolgen, und wird ja die tatsächliche Vorlegung der Satzungen
zum Zweck der Eintragung ins Vereinsregister erst nach An-
hörung des beschlußfassenden Delegiertentags erfolgen können."
Gleichzeitig erließ der Stuttgarter Lokalverein
den nachstehenden Aufruf an die Rolle gen:
„Soeben erhalten wir vom Pauptvorstand der Allge-
meinen deutschen Kunstgenossenschaft ein Rundschreiben, sowie
den Entwurf zu den neuen Satzungen. Diese Drucksachen
werden auch Ihnen zugegangen sein.
wir erkennen an, daß die neuen Satzungen den bis-
herigen gegenüber einige Verbesserungen enthalten, soweit es
sich speziell um das Ausstellungswesen handelt. Von einer
Reform der Genossenschaft — und eine Reform ist, wie die
Vorgänge der letzten zwölf Jahre beweisen, zu unumgänglicher
Notwendigkeit geworden —- redet der Satzungsentwurf nichts.
Ja, alle derartigen Vorschläge sind durch denselben in die
Geschäftsordnung verwiesen, dort sind sie wirkungslos und
sinnlos!
Kollegen! Daß die Allgemeine deutsche Kunstgenossen-
schaft die Aufgaben, die sie naturgemäß im Interesse der
Künstler erfüllen sollte, nicht erfüllt, daß sie den geänderten
Zeitumständen in keiner weise Rechnung trägt, daß sie sich
in einem Stadium des Verfalles befindet, ist Ihnen allen
bekannt. Uneinigkeit, Spaltungen und Sezessionen waren die
traurigen Folgen dieser Zustände.
Jetzt ist der Augenblick gekommen, wo die Entschei-
dung getroffen werden muß: Soll die Genossenschaft, die
älteste Interessenvertretung der bildenden Künstler Deutsch-
lands, weitervegetieren, oder, was dasselbe ist, verkümmern
und verderben, oder aber soll sie, die auf eine sojährige Ge-
schichte zurückblickt, eine neue Form erhalten und den deut-

schen Künstlern in ihrem schweren Kampf um ihre Ideale
die so nötige wirtschaftliche Stütze sein?
Kollegen! In letzter Stunde richten wir den dringenden
Appell an Sie alle: pelfen Eie die Genossenschaft zu dem
machen, was sie sein sollte: Ein Sammelpunkt, in dem alle
Künstler sich finden und einigen können. Eine wirtschaftliche
Interessenvertretung, die durch die Macht der Vereinigung
das bietet, was dem einzelnen versagt ist.
Alle Stände, alle Berufe haben sich zu wirtschaftlichen
Organisationen vereinigt und glänzende Erfolge erzielt. Sollen
allein wir Künstler zurückstehen? Sollen wir immer die sein,
die bei der Teilung der Erde leer ausgehen?
Die pstege der Ideale soll Sache jedes einzelnen sein,
darin soll unbedingte Freiheit herrschen, die Kunst den ein-
zelnen Künstlern! Aber in wirtschaftlichen Fragen, in Frage::,
die die materiellen Interessen der Künstler berühren, wollen
wir durch eine machtvolle Organisation unsren Wünschen
Nachdruck verleihen, da soll es heißen: Einer für alle, alle
für einen!
Kollegen! In diesem Sinne hatten wir dem Pauptvor-
stand vor der Delegierten-Versammlung im April d. Is. mit
andern folgende Anträge unterbreitet:
Anstellung eines besoldeten Beamten zur Bearbeitung
der die künstlerischen Interessen berührenden wirt-
schaftlichen Fragen, Gesetzesvorlagen re.
Schaffung eines Organes der Allgemeinen deutschen
Kunstgenossenschaft.
Zu den der Genossenschaft hauptsächlich obliegenden
Aufgaben sollte die Wahrung der Interessen der Künstler-
schaft in folgenden Punkten gehören:
Engere Verbindung der Künstlerschaft durch direkte
wirtschaftliche Vorteile: Krankenkassenwesen, Unter-
stützungswesen, Rechtsschutz, Urheberschutz im In-
und Ausland, Regelung des Konkurrenzwesens,
Stellungnahme zur Reichsgesetzgebung in Fragen,
welche die Künstler berühren.
Diese wünsche haben wir aus der Fülle des Materials
herausgegriffen, ohne daß wir auf Vollständigkeit Anspruch
machen. Durch den Satzungs-Entwurf des Pauptvorstands
werden alle Reformvorschläge auf ein totes Geleise geleitet . . .
Kollegen! Seien Sie sich alle darüber klar, daß auf dem
nächsten Delegiertentag die Entscheidung über die weitere
Existenz der Allgemeinen deutschen Kunstgenossenschaft ge-
troffen wird. Soll diese Entscheidung zum Wohl und Frommen
aller deutschen Künstler ausfallen, so müssen alle, denen die
Interessen der Künstler am Perzen liegen, dafür eintreten,
daß die Genossenschaft an Paupt und Gliedern reformiert wird.
pelfen Sie, arbeiten Sie mit an dieser wichtigen Aufgabe,
damit nicht der große Augenblick ein kleines Geschlecht finde.
Kollegen! Setzt alle Eure Sxezialwünsche und Sonder-
interessen beiseite, haltet die Interessen der Allgemeinheit
im Auge und vertretet diese mit Kraft und Nachdruck. Seid
einig, einig, einig!"
Der Hauptvorstand in Dresden erwiderte:
„wenn auch die Art, in welcher Sie uns ihre wünsche
und Ihr Mißfallen wissen lassen, nicht gerade liebenswürdig
ist, so müssen wir doch anerkennen, daß Sie Bewegung in
die Lokalgenossenschaften dadurch bringen werden, denn vor
allen Dingen gilt es unsere Satzungen auszugestalten.
Wir haben den Entwurf der Satzungen übersandt mit
der Bitte um Prüfung und wenn von allen Kollegen dies
gründlich geschieht, so ist unsere Absicht erreicht.
Daß wir daran dachten, den Delegiertentag für Ende
September zu berufen, geschah um zu drängen, denn wir
kennen gar zu wohl das Sprichwort:
Morgen, morgen nur nicht heute.
wenn die Mehrheit der Lokalgenossenschaften es wünscht,
verschieben wir gern die Delegiertenversammlung, haben aber
die Pflicht, daran zu erinnern, daß selbst die längsten Be-
ratungen stets nur durch schnellen Beschluß beendet werden,
und je länger man diesen Beschluß hinausschiebt, desto länger
dauert auch das Schwanken.
 
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