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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

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Hellwag, Fritz: Die Stuttgarter Gemälde-Galerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.52070#0077
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Die Werkstatt der Kunst

keäakteur: ^ritz yeUwag.

VII. ^sakrg. I)ekt 6. 11. Oov. 1907.

In äieleni rieUe unserer LeiUcdriN erteilen wir jecisrn «Snstler clas freie Mort. Mir sorgen ctafür, -lak keinerlei
Angriffe auf Personen ocler SsnoNens-kaflen »bgeciruckt werclen, okns clalZ vorder cler Angegriffene äis MSglickkeit geksbl
kätte, in clenilslben yefle ;u srwiclern. Oie ke-laktion kält sied vollltänclig unpsrteiiscd uncl gibt clurcd clen Rbclruck keineswegs
. sine rlebersinstininiung rnit clen auf -liess Meise vorgetragsnen lüsinungsn zu erkennen. -

Oie Stuttgarter Gemätcte-Galerie.
von Fritz Hellwag.

2lls im September dieses Jahres Professor
Konrad von Lange, der 6^ Jahre die Stuttgarter
Galerie interimistisch verwaltet hatte, im „Schwä-
bischen Merkur" seine Berichte über seine Tätigkeit
begann und sich gegen die, nun im Hauptamt be-
absichtigte, Neubesetzung seines Postens durch einen
Nicht-Kunsthistoriker aussprach, da meinten wir —
(übrigens ohne Beeinflussung von irgendeiner Seite!) —
daß man wieder in den früheren Fehler verfallen
und einem Künstler die Leitung in die Hände
geben wollte. Line geradezu peinliche Ueberraschung
war es aber, zu erfahren, daß man sogar Linen
von der femininen „Zwischenstufe" der „Nur-
Aesthetiker" in Aussicht genommen hat. Za, noch
mehr! Das Unglaubliche, „hier wird's Ereignis",
ein Nur-Aesthetiker, also ein Mann der Gattung,
die von den Künstlern am innigsten verwünscht zu
werden pflegt, ward hier von den Künstlern aufs
Schild erhoben! Künstler, ja sogar die Akademie
der bildenden Künste offiziell, traten laut für diesen
Inspektor-Kandidaten ein und behandelten wirklich
ungerecht ihm zuliebe die Verdienste des Professors
von Lange, des Kunsthistorikers.
wie konnte das geschehen? Indem der „Nur-
Aesthetiker" Professor Or. Diez — (wir glauben
gern, daß beides in ehrlicher Ueberzeugung ge-
schah) — jahrelang, dem verantwortlichen Ga-
lerie-Inspektor entgegenarbeitend, den hauptsächlichsten
(menschlichsten!) Instinkten der Künstler, nämlich dem
Verlangen nach Anerkennung und nach einer mate-
riellen Basis, geschmeichelt hat, bis sie nicht mehr
klar entscheiden konnten, erstens: „ist dieser Mann
denn wirklich im Recht, sämtliche Mittel der Galerie
(unter absoluter Ausschaltung der alten Kunst!) nur
für Ankäufe aus der heutigen, ja aus der jüngsten,
von ihm zu entdeckenden Künstlergeneration zu ver-
wenden, — ferner, ist er imstande, durch ästhetische,
mündliche und journalistische Propaganda das schwä-
bische Publikum zu Kunstkennern und zu Käufern,
die der Stuttgarter Künstlerkolonie auf die Beine
helfen würden, zu verwandeln? — zweitens: sind
wir berechtigt, um dieses Lohnes und Experimentes
willen die mühsam mit kleinsten Mitteln entstandene
Galerie diesem Manne auszuliefern und können wir
der Gegenwart und vor allem der Zukunft gegen-
über diese Verantwortung tragen?"
Beide Fragen müssen bei ruhiger Erwägung

mit einem nachdrücklichen Nein beantwortet werden!
Wenn ein Teil der Stuttgarter Künstler dieses Ex-
periment um ihres propagandistisch veranlagten
Kandidaten willen wagen will, so muß die Künstler-
presse es aussprechen, daß dieses nicht der Weg sein
darf, den Künstlern, gleichviel welcher „Richtung",
die leider bitter notwendige Unterstützung zu ge-
währen. Mögen die einflußreichen Lehrer der Aka-
demie sich dafür verwenden, daß aus Staats- oder
Privatmitteln Stipendien und andere Fonds für junge
begabte Künstler geschaffen werden. Niemand wird
sie eifriger unterstützen, als wir! Aber die
„Werkstatt der Kunst" muß aufs deutlichste betonen,
daß der größte Teil der deutschen und auch wohl
speziell der schwäbischen Künstlerschaft es längst be-
griffen hat, daß öffentliche Galerien keine Ver-
sorgungsanstalten für junge und alte Künstler oder
Versicherungen auf Gegenseitigkeit sind. — Eben, bei
der gekürzten Neu-Abfassung dieses Aufsatzes (die
durch eine eigene, in diesen Tagen erschienene Er-
klärung von Langes ermöglicht wurde), geht uns
ein Telegramm des „Stuttgarter Künstler-
bundes" zu, das folgenden Wortlaut hat:
Die „Werkstatt der Kunst", die der Künstlerschaft
Interessen vertreten will und Unparteilichkeit zum
Wahlspruch hat, nimmt von sich in letzter Nummer
einseitig Stellung zur Besetzung des Inspektor-Postens
der Stuttgarter Gemälde-Galerie. Der Künstler-
bund Stuttgart protestiert dagegen, weil eine prin-
zipielle Aeußerung des größten Teils hiesiger Künstler
dabei völlig außer Acht gelassen wird.
Im Auftrag:
Bernhard pankok,
Robert weise.
Die „Werkstatt der Kunst" nimmt allerdings
die Unparteilichkeit für sich in Anspruch und auch
die derzeitige Schriftleitung sucht sie bei jeder Ge-
legenheit darzutun. Ist es als einseitig zu bezeichnen,
wenn sie einem von ihr als fehlerhaft erkannten
Prinzip (der Vernachlässigung alter Kunst und kunst-
historischer Disziplin) die Kehrseite vorhält und vor
unbedachten, weittragenden Entschlüssen warnt, ehe
es zu spät ist? was wäre bequemer für die
„Werkstatt der Kunst", als Ja und Amen zu sagen,
sich zu freuen (was sie wirklich gerne täte), daß
nun nur noch der lebenden Generation die Mittel
der Galerie zugute kommen sollen? Wir sehen
weiter und wissen, daß, nachdem der kaum wieder
 
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