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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

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Hellwag, Fritz: Die Stuttgarter Gemälde-Galerie
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Juristischer Briefkasten der Allgemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.52070#0078

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Die Werkstatt der Kunst. Heft 6»

gut zu machende Schaden angerichtet wäre, die
Stimmen der jetzt mit uns Unzufriedenen zuerst sich
laut erheben würden, um zu fragen: „Wo blieb
unsere fresse, warum hat sie geschwiegen?" Mag
unser Rat auch jetzt unerwünscht erscheinen, so ist es
dennoch unsere Pflicht, auszusprechen, daß eine prin-
zipielle Ausschaltung der alten Kunst eine Be-
einträchtigung des Volksinteresses bedeuten
würde. Dieses Wagnis darf die Künstlerschaft in
unserer verständigen Zeit nicht mehr unternehmen.
Daran würden wir prinzipiell festhalten, gleichviel,
von welcher Seite auch immer solche versuche
gemacht werden sollten.
Erstens widerspricht es der Absicht des Gründers
der Galerie. Das würde uns, offen gestanden,
wenig kümmern, denn die Zeiten könnten sie ge-
ändert haben.
Zweitens hat die Galerie mit die ungeheuer
ernste Pflicht, die alten schwäbischen Kunstwerke dem
Lande zu erhalten, so weit das mit ihren geringen
Mitteln zulässig ist. Der Export alter schwäbischer
Gemälde (und natürlich der besten) über die Grenzen
ist groß. Lin Altertumsmuseum existiert noch nicht
und wir würden auch gegen die Verbringung von
hervorragenden Kunstwerken in dieses protestieren.
Drittens ist eine Galerie, die einzige bedeutende
im ganzen Lande, nicht nur für die Künstler, son-
dern für das Volk da. (Anders z. B. die aus Mitteln
der Künstler entstandene Secessions-Galerie irr Mün-
chen.) Damit widersprechen wir scheinbar den
Znteressen der Künstler. Aber dennoch handeln wir
recht und wir dürfen uns nicht durch persönliche Emp-
findungen zu einer unhistorischen Denkweise verführen
lassen. Denn dem Volke steht die Kunst vergangener
Perioden näher als die der heutigen Zeit. Zeden-
falls ist sie für das Volk das einzige Mittel, zu
einem wahren Kunstverständnis und -genuß zu ge-
langen. Nur durch viel Seher: und bewußtes oder
unbewußtes Vergleichen. — Nicht einmal „Ge-
bildete" gelange:: durch ästhetische Belehrung, durch
Reproduktion fremder Empfindungen zu einem wirk-
lichen Kunstverständnis. Solche schwächliche Me-
thoden taugen nicht für unsere Zeit. Deshalb
würde auch die unhistorisch-äfthetisch-propagandistische
Tätigkeit des Herrn Or. Diez das Stuttgarter
Publikum nicht zu einem wirklichen Verständnis
führen, sondern höchstens vorübergehend einzelne
Stuttgarter Künstler in Mode bringen können.
Or. Diez ist nicht berechtigt, sich auf Licht-
war k zu berufen. Der ist bedeutend vernünftiger
verfahren. Direkt im Gegensatz zu Or. Diez
sagte Lichtwark (in seiner Antrittsrede im Zahre
(886): „Die Leitung eines Museums ist heute
nicht mehr wie ehedem ein Versuchsfeld für
Dilettantismus. . . . Wir, wir wollen nicht sowohl
auf kunstgcschichtliches Wissen, auf Kunstphilosophie
oder Aesthetik, als auf Anschauung hinaus. Wir
wollen nicht über die Dinge reden, sondern von
den Dingen, vor den Dingen. Wenn wir uns

dabei auf die Kunst vergangener Zeiten
stützen, so geschieht dies nicht, um von der Kunst
unserer Zeit abzulenken, sondern um auf sie
vorzubereiten." Wie will denn der „Stuttgarter
Lichtwark" Anschauung lehren, wie will er sich auf
die Kunst vergangener Zeiten stützen, wie will er
auf die Kunst unserer Zeit durch jene vorbereiten,
wenn man seinen Schwabenstreich ausführen würde,
die alte Kunst aus unserem Leben auszuschalten!?
Aber, alles das will er ja nicht!! Darüber täusche
man sich auch nicht: das Volk wird noch lange
Zeit auf die Galerien, als die einzigen zur Zeit
wirklich für alle fließenden (Quellen des Kunst-
genusses angewiesen sein.
Was die von den Aesthetikern so sehr befür-
worteten „Führungen" durch die Galerien betrifft,
so sehen wir darin nicht viel mehr als einen päda-
gogischen Zopf. Sie erwecken in den meisten eine
innere Scham, noch nicht „kunstverständig" zu sein,
und ein falsches, gewaltsames „ästhetisches Ehrgefühl",
das zu den komischsten Verrenkungen neigt und meistens
ein dauerndes Hindernis für den Kunstgenuß bildet.
Wenn Or. Diez nicht die Ausschaltung der
alten Kunst und die stipendienartige Unterstützung der
erst werdenden Generation zum Prinzip erhoben
hätte, so würden wir keine Veranlassung genommen
haben, uns gegen seine Kandidatur auszusprechen.
Zn einer Zeit, in der jedes Land von heimischer
Kunst vor den auswärtigen Käufern zu retten sucht,
was noch zu retten ist, wirkt aber das Fallenlassen
der alten Kunst geradezu grotesk. Man möchte das
Wort der Bettel-Liesel im Märchen umkehren und
sagen: „Leute, wollt ihr stehlen? Wir haben was."
Müssen wir einigen Stuttgarter Künstlern so
eine kleine Enttäuschung bereiten, so mögen sie in
anderer Hinsicht über die „Werkstatt der Kunst" ver-
fügen, die ganz selbstverständlich mit allen Kräften
gern dazu beitragen wird, die „Stuttgarter Kolonie" zur
Blüte zu bringen, —mit gesunden Mitteln!*)
juristischer krieskasten cter Allgemei-
nen Deutschen Runstgenossenscbast.
(Jedes Mitglied der A. D. A. G. erhält unentgeltlich Auskunft.
Man wende sich an den Syndikus der A. D. A. G. Herrn Or. Fr. Rothe.
Berlin ^V., Französische Straße 2HII.)
8. in O.: fragt an, ob man ein Porträt ohne
des Künstlers Erlaubnis ausstellen dürfe oder ob
dessen Zustimmung erforderlich sei.
Antwort: Die Zustimmung des Künstlers ist
nach K (5 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht
an Werken der bildenden Künste und der Photo-
graphie nur bei gewerbsmäßiger Vorführung mittels
mechanischer oder optischer Einrichtungen erforderlich.
Zur öffentlichen Ausstellung ist somit der Eigen-
tümer des Werkes kraft seines Eigentums berechtigt.
f. K. in : Sie haben ein künstlerisches
Preisdiplom für ein großes Zndustriewüernehmen
 
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