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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

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Die Eröffnung der Kunstausstellung im Glaspalast
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Fuchs, Georg: Goethe und die Aesthetik der Zukunft, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.52070#0526

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522

Die Werkstatt der Kunst.

heft 38.

Der Prinzregent besichtigte die Ausstellung ein-
gehend und äußerte sein besonderes Gefallen.
Aus Anlaß der Eröffnung der Kunstausstellung im
Glaspalast hatte der Prinzregent am t- Juni den Vor-
stand der Münchener Künstlergenossenschaft und die hier
weilenden Mitglieder des Ausschusses der Allgemeinen
Deutschen Kunstgenossenschaft sowie die Vorsitzenden der
Iurykommissionen, der Preßkommission und der Katalog-
kommission zur Tafel im Saale Karls des Großen ge-
laden.
Mit dem Prinzregenten erschien auch Prinzessin Therese.
Unter den geladenen Künstlern befand sich eine große Reihe
bekannter Maler, Bildhauer, Architekten und Radierer so-
wohl aus München wie aus den übrigen Städten, welche
in der diesjährigen Kunstausstellung als Ortsgruppen der
Allgemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft ausgestellt haben:
Berlin, Wien, Dresden, Stuttgart, Weimar, Frankfurt,
Hannover und Harnburg.
Im verlaufe der Tafel, bei welcher Prinzessin Therese
zur Rechten des Regenten saß, gab der Prinzregent seiner
Freude über die gut beschickte Kunstausstellung Ausdruck
und toastete auf die Kunst und die Künstler.
Sämtliche an der Ausgestaltung dieser Kunstausstellung
beteiligten Vertreter der hiesigen Gruppen und der aus-
wärtigen Ortsgruppen der Allgemeinen Deutschen Kunst-
genossenschaft fanden sich am Abend im Festsaale des
Künstlerhauses zu einem Festessen zusammen, zu dem die
Münchener Künstlergenoffcnschaft eingeladen hatte. In
Toastreden wurde — nach einem Bericht der „Münchener
Neuesten Nachrichten" — mit besonderer Dankbarkeit der
Ausstellungsleitung und des Präsidenten der Künstler-
genossenschaft, Prof. v. Petersen, sowie des Präsidenten der
Allgemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft, Prof. Löwith,
gedacht. Großes Interesse erregte es, als Prof. v. Petersen
in seiner Ansprache nach der Begrüßung der beteiligten
Gruppen auf das Jubiläum der Allgemeinen Deutschen
Kunstgenossenschaft und die erste deutsche allgemeine und
historische Kunstausstellung im Glaspalast zu München zu
sprechen kam und, um einen Einblick in den Geist, die Be-
strebungen und Ideale der damaligen Künstlerschaft zu ge-
währen, die Rede vorlas, die bei der Eröffnung
jener ersten allgemeinen deutschen Kunstausstel-
lung vom 22. Juli (858 der damalige badische Hof-
maler Feodor Dietz gehalten hat. Prof. v. Petersen
schloß seine Ansprache mit der Aufforderung, an den von
den Vätern überlieferten Idealen festzuhalten, und mit
einem Hoch auf den Protektor, der: Prinzregenten.
Goetke unct clie Aestketik der Tukunkt.
von Or. Georg Fuchs-München.
(Schluß aus k)eft 36.)
Ls gibt Menschen, welche die der Naturwissenschaft
noch wenig bekannten inneren Organe in einem entwickel-
teren und aktiveren Zustande besitzen, als es im Durch-
schnitte der Menschheit der Fall ist, und die infolgedessen
in sich noch mehr Wirkungen von der Außenwelt her re-
gistrieren, als die für den Alltagsgebrauch des Menschen
vollauf genügenden und daher meist allein zur Funktion
entwickelten „fünf Sinne" liefern. Ls ist noch nicht lange
her, da lachte inan darüber. Seit die Röntgenstrahlen ent-
deckt sind, seit wir uns der Telegraphie ohne Draht und
des Funkenspruches tagtäglich bedienen, seit unsere Wissen-
schaft exakt nachgewiesen hat, daß ungezählte Wechsel-
wirkungen, Flutungen, „Strahlungen" zwischen den Dingen
und Menschen und Welten hin- und widerspielen, die von
unseren „fünf Sinnen" nicht wahrgenommen werden und
dennoch „da" sind, seit diese „fünf Sinne" selbst sich als

ein unbeschreiblich kompliziertes Bündel schwankender
Funktionssphären herausgestellt, seitdem ist es nur noch in
Kreisen der ganz vernachlässigten, außerhalb der Zeit und
Entwickelung Vegetierenden etwas Auszeichnendes, über
jene Tatsachen zu lachen, welche ehedem „okkulte Tatsachen"
genannt wurden. Es steht fest, daß nicht alle Menschen
gleiche Wahrnehmungsmöglichkeiten haben. Manche, sog.
Farbenblinde, sehen z. B. einen kleineren Ausschnitt aus
der Farbenskala als die Menschen mit „normalen Augen",,
andere einen größeren, sie sehen etwa noch einen Steigerungs-
grad des Ultraviolett, der dem Normalen bereits unwahr-
nehmbar bleibt, oder ein Rot, das über dem vom „normalen
Auge" äußerst noch erfaßten Rot hinaus gelegen ist. Und
so bietet überhaupt der eine Mensch eine größere, der andere
eine kleinere Fläche dar, auf welcher sich Wahrnehmungen
verzeichnen können. Geschehnisse, Strahlungen, die „von
den Dingen ausgehen" — irr Wahrheit sind die „Dinge"
nur Ergebnisse, Zustände, Formen jener Geschehnisse, jener
Strahlungen — werden von gewissen Menschen wahrge-
nommen, für die aridere Menschen, vielleicht alle anderen
oder fast alle anderen überhaupt gar „keine Organe haben".
Goethe nahm in Weimar das Erdbeben von Messina wahr,
sonst niemand in ganz Weimar spürte etwas von den
seismischen oder kosmischen Wellenbewegungen, die von
jener Katastrophe ausgingen, oder besser: die in jener
Katastrophe kumulierten.
Es gibt also Menschen, die Wahrnehmungen von den
Dingen, Vorgängen, Menschen empfangen, welche den
landesüblichen „fünf Sinnen" gegenwärtig nicht geläufig,
weil offenbar in der Gegenwart für einen einigermaßen
bequemen und vorteilhaften Daseinskainpf nicht absolut
notwendig sind. Deshalb entwickelt der Durchschnittsmensch
in seinem vitalen „Betriebe" keinen „Empfänger" mehr
dafür, fo wenig, wie etwa eine Fifcherbark oder ein kleiner
Trajektsteamer einen „Empfänger" für Funkensprüche an
Bord einrichtet. Er braucht ihn eben nicht; dagegen findet
man unter alten Matrosen auf schottischen und norwegischen
Dzeanseglern, die monatelang auf See sind, noch Menschen
mit „telepathischen" Fähigkeiten, wie „Zweites Gesicht",
„Fern-Ahnungen", kurz Menschen, die darauf deuten, daß
die alte Schiffahrt ihre „Empsänger" für „drahtlose Mel-
dungen" auch bereits besaß — nur waren sie anders kon-
struiert wie die heutigen; doch deswegen um nichts „ok-
kulter" und um nichts „geheimnisvoller". — Man hat solche
Menschen mit einer verbreiterten, „vertieften", „inneren"
Wahrnehmungsfläche veranlaßt, gewisse „Gesichte" aus der
Erinnerung graphisch darzustellen. Auf diese weise haben
wir Abbildungen von „Auren" nach Form und Farbe, die
an Menschen geschaut wurden — nicht mit dem Auge,
sondern eben durch ein „zweites" Gesicht -— oder an Ver-
sammlungen von Menschen, z. B. über solchen, die gleich-
zeitig dasselbe Musikstück anhörten oder derselben gottes-
dienstlichen Handlung anwohnten, da denn über der Kirche
ins Unermeßliche aufgetürmte Kathedralen, rhythmische
Architekturen von nordlichtartig übereinander aufsteigenden
Strahlenbogen wahrgenommen wurden. Man hat so die
„Aura" eines in erregter Spielerleidenschaft an dem grünen
Tisch von Monte Earlo Sitzenden ausgezeichnet, oder die
einer irr froher, in hingebender, in liebender Stimmung
erhobenen Menschenseele. Es mag sein, daß diese Er-
innerungsbilder ungenau sind: aber sie stimmen in der Art
und weise, wie die Farbenskalen in ihnen abgewandclt,
„symbolisch" verwandt werden, ganz auffallend überein mit
der bildenden Kunst. — Aber auch in den Formen! —
Mari hat vor: Menschen mit solchen „Erfahrungen" die
Versicherung gehört, daß gewisse rhythmische Liniensysteme
in der Malerei, gewisse Licht- und Schattcnwirknngen der
Kunst unzweideutig mit Formen in den von ihnen geschauten
Auren übereinstimmten. Den Schattenkegel um die Ehrifius-
gcstalt auf Rembrandts „Hundertguldcnblatt" bezeichnete
ein solcher ohne weiteres als eine „Aura". Auf die „Man-
dorlen", „Heiligenscheine" und andere, heute nur noch als
„Attribute" oder „Symbole" cmpsundcnen Gestaltungen
dieser Art in der Kunst der alten Völker braucht hier nicht
 
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