Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

DOI article:
"Münchener Konkurrenzen", II
DOI article:
Ein neuer Salon in Paris
DOI article:
Jury
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.52070#0107

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Heft 8.

Die Werkstatt der Kunst.

Ausführung besitzen, dem sich die ausschreibenden Vereine,
Behörden usw. unweigerlich unterwerfen müßten.
O. W. O. X.)
In unserem Heft 7 hatten wir uns mit den Vor-
gängen beschäftigt, welche dazu geführt haben, daß die Aus-
führung der vom Verwaltungsrat der Sedlmayr-Stiftung
beschlossenen Benno-Säule nicht den Verfassern der mit dem
ersten Preis prämiierten Entwürfe, sondern den mit dem
dritten Preis ausgezeichneten Künstlern übertragen wurde.
Herr Reichsrat, Akademiedirektor und Lrzgießerei-
besitzer Ferdinand v. Miller sandte in Sachen der
„Benno-Säule" den „M. N. N." eine längere Zuschrift, in
der u. a. folgendes bemerkt wird:
„Die Stifter wie der Stiftungsausschuß wollten
vor der Benno-Kirche eine Benno-Säule und keinen
Bildstock mit Nische, in welcher der Stadtpatron aufge-
stellt ist. — Die Arbeiten der beiden Künstler petzold
und Düll waren sehr gut und wurden deshalb von der
Jury prämiiert. — Die Auffassung, wie obengenannt,
entsprach jedoch dem Wunsche der Stifter wie des Stiftungs-
ausschußes nicht, deshalb wurde von dem Rechte, welches
im Preisausschreiben ausdrücklich betont ist, daß die Zu-
erkennung des Preises die Ausführung nicht bedingt,
Gebrauch gemacht."
Die „N. N. N." beschränken sich diesen Auslassungen
gegenüber auf die Bemerkung, daß inan die Entwürfe der
Herren Düll und petzold nicht hätte prämiieren sollen,
wenn sie den Anforderungen des Preisausschreibens nicht
entsprachen oder daß man eben im Preisausschreiben ge-
nauer hätte sagen müssen, was man will. Zum mindesten
hätte Herr Bürgermeister Or. v. Borscht, als er neulich
den Beschluß des Verwaltungsausschusses bekannt gab,
auch die von Herrn von Miller nunmehr gegebene Be-
gründung mitteilen müssen.
(wir schließen uns den Bemerkungen der „M. N. N."
an. Nachdem das Bayerische Kultusministerium leidlich
brauchbare „Grunds ätze für öffentliche Wettbewerbe"
(vergl. „D. W. d. K.", VI. Jahrgang, Nr. qo) ausgestellt hat,
ist es endlich an der Zeit, daß auch die städtischen Be-
hörden anfangen, in diesen Dingen konsequenter zu
handeln. O. W. v. K.)
6m neuer Salon in Paris.
Paris. K.— Ein in jeder Hinsicht interessanter Vor-
schlag, der von dem bekannten Schriftsteller und Kunst-
kritiker Eamille de Sainte-Lroix stammt, erregt in hiesigen
Kunstkreisen allgemeines Aufsehen und soll demnächst, schon
zur Eröffnung der beiden offiziellen Salons, also im
April/Mai 1908, zur Ausführung gelangen. Es handelt
sich um eine retrospektive Ausstellung aller jetzt berühmten
und seither anerkannten, seinerzeit jedoch refüsierten Kunst-
werke, einen Lalon retrospectivs cles Relusäs.
Wie vielfaches Unheil, wie mannigfaltige Unbill mit
all ihren tiefgehenden Konsequenzen von dem Begriffe
„Jury" angestiftet wird und besonders früher, da es an
den nach der Nuance gebildeten Künstlergruppen von heute
fehlte, angestiftet wurde, weiß jeder von uns, und er weiß
es als Juror wie als Nichtjuror. Daß Zurückweisungen
ja oft technischen Rücksichten entspringen (erst letzthin war
in diesen Blättern hiervon die Rede), ist wohl bekannt, -—
meistens ist es jedoch dennoch das engherzige Sichverschließen

s03

vor der „anderen Nuance", das Nichtgeltenlassen dessen,
was der künstlerischen Ansicht des Jurors entweder nicht
vollkommen entspricht oder auch nur teilweise dawiderläuft
— von den sehr häufigen persönlichen Motiven abgesehen —.
Alle die heute Verherrlichten, deren Tätigkeit in das Zeit-
alter der „Jurys" fällt, sie alle hatten mehr oder weniger-
unter der Jury zu leiden, und manche wilde Verbitterung,
die einer großen künstlerischen Arbeit hemmend in den
weg trat, hatte in den Beschlüssen der Jury ihre Ursache.
Uns ist es gelungen, aus unmittelbarer Nähe der-
jenigen, die um das Zustandekommen dieses neuen Salons
bemüht sind, einiges zu erfahren. „Die Idee", so erzählt
Eamille de Sainte-Lroix, „kam mir anläßlich des Eintrittes
Manets in den Louvre und Medardo-Rossos in den Louxem-
bourg. Sie beide, die heute Schulen gegründet haben, deren
Werk epochemachend dasteht — waren einst die Opfer der
offiziellen Jurys. Und die Leute, glaube ich, würden ganz
außerordentlich erstaunt sein, daß eine ganze Menge Künstler,
die heute verehrt und deren Werke teuer bezahlt werden,
wie G^ricault, Delacroix, Millet, Lorot, Lourbet und viele
andere, von der Jury ihrer Zeiten refüsiert worden sind,
und wir wollen den Leuten, den „Bestellern" und Käufern,
die auf die Unfehlbarkeit der Jury jeden Lid leisten, jene
Werke dieser Großen vor Augen führen, die seinerzeit
refüsiert wurden — also schlechtes, unausstellbares Zeug
waren. Dieser Salon soll erzieherisch und lehrreich sein —
und den Leuten klar machen, daß zu allen Zeiten Kunst-
werke, die der Aufnahmekommission zu frei, zu neu, zu
offen schienen, zurückgewiesen wurden, und daß dies noch
heute der Fall ist und voraussichtlich immer der Fall sein
wird. Man soll sich darüber klar werden, daß alles in der
Kunst, das neu und originell im Ausdruck, in der Kon-
zeption wahrhaft schöpferisch ist, auf den ersten Blick
choquiert und eigentlich isoliert dastehen muß. Und daß
ein solches Kunstwerk darum noch nicht für ,ausstellungs-
unfähig' erklärt werden darf noch muß — was in den
Augen des Laienpublikums einer Verurteilung gleichkommt.
Wenn man ihnen dartun wird, daß die Werke Göricaults
und die Plastiken Larpeaux' seinerzeit verlacht und refüsiert
wurden — werden sie wohl selbst darauf kommen, daß
man alles Neue wohl erst zu verstehen versuchen soll, ehe
man es einfach .erledigt'. Publikum und Juroren können
aus dieser Ausstellung manche Lehre ziehen — so hoffen
und denken wir."
Zu dem Arrangement dieser Ausstellung werden
wenigstens vier Monate notwendig sein, denn man wird
nach den refüsierten Werken in hiesigen und Provinz-Museen
und Privatsammlungen suchen und auch authentisch bei
jedem einzelnen dartun müssen, daß es seinerzeit refüsiert
wurde, was Zeit und Arbeit erfordert. Zur Vernissage
der Nationale und der -Vrtistes Irauxais dürfte alles fertig
sein und soll die Eröffnung mit der Eröffnung dieser beiden
zugleich stattfinden. Man wird manches Interessante zu
sehen bekommen — am nettesten wär's allerdings, die Ge-
sichter der Juroren von damals zu sehen; manche von ihnen
sollen, trotz der vielen von ihnen erteilten Zurückweisungen,
noch am Leben sein.
von Ludwig Kainzbauer, Graz - Stiftingthal.
(Schluß aus Heft 6.)
Diese Auslosung scheint mir eine sehr gerechte Ein-
richtung zu sein und sollte von den Künstlern von jeder
Ausstellungskommission gefordert werden. Es kann ja vor-
kommen, daß es dem einen oder den: anderen Künstler-
passiert, daß er mehrere Male schlecht gezogen wird, aber
für persönliches Pech kann man keinen Zweiten verantwort-
lich machen. (Wohl hätte so jeder die gleichen „Ehancen".
Vb es aber richtig wäre, der mehr oder weniger gewissen-
haften Tätigkeit der Juroren den Zufall vorzuziehen,
lassen wir dahingestellt. — Red.)
 
Annotationen