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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

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Die Eröffnung der "Großen Berliner Kunstausstellung"
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Die Werkstatt der Kunst

keäakleur: fritz tzellwag.

VII. Jakrg. Heft 32. s 11. Mai 1908.


Oie Eröffnung cler „Groben berliner ltunflausftellung".

Berlin, Mai. Der Präsident der „Großen Ber-
liner Kunstausstellung ty08", Naler Mtto H. Engel,
eröffnete die diesjährige Ausstellung mit der folgenden
Ansprache:
Hochgeehrter Herr Unterstaatssekretär!
Hochansehnliche Versammlung!
Im Auftrage der Ausstellungskommission entbiete
ich Ihnen unseren Willkommcngruß und unseren Dank
dafür, daß Sie unserer Eröffnungsfeier die Ehre Ihres Be-
suches haben zuteil werden lassen. Wir verbinden damit
den Wunsch, daß unsere Ausstellung Ihr gütiges Wohl-
wollen und Ihre Anerkennung finden möge.
Unsere diesjährige Ausstellung gewährt einen Ueber-
blick über das Leben und die Entwickelung der Kunst in
Deutschland auf ihren verschiedenen Gebieten. Mir haben
die Hoffnung, damit den Freunden der Kunst reichen Genuß,
den Künstlern Anregung zu neuem Schaffen zu bieten und
die Verwertung der künstlerischen Arbeit zu fördern. Alles
das läßt sich nur im Rahmen einer großen Ausstellung
erreichen.
Wohl gewährt eine kleine Ausstellung den Vorteil
einer besseren Uebersichtlichkeit; wir waren deshalb jedoch
bestrebt, die „Große Berliner Kunstausstellung" in eine
Anzahl interessanter Abteilungen zu gliedern, die bei
wiederholten: Besuch mühelos betrachtet werden können
und auch eindrucksvoll bleiben. Wer die Kunstausstellung
betritt, sollte alle Sorgen, alle Unruhe und Hast des Tages
draußen lassen, um die wohltuende Stille der Kunst zu
genießen.
Der Kunst, die dem Herzen und dem Genius des
Künstlers entspringt, haftet gewissermaßen noch etwas von
der Stille und Sammlung der Werkstatt an, sie wird erst
dem Beschauer etwas sagen, der sich bemüht, das Werk
zu verstehen und es zu stiller Aussprache zu bewegen.
Soviel Bemühen verlangen die Künstler, denen
ihre Kunst eine ernste Sache ist, für ihre Werke vom Be-
schauer. Die Künstler schaffen, weil der Genius sie treibt,
sie müssen aber leben und deshalb brauchen sie Freunde,
die ihnen Aufträge geben, an deren Ausarbeitung sie ihre
Kräfte und Talente entfalten können.
Die großen Künstler der Renaissance hätten das nicht
geleistet, was sie zur Freude der ganzen Knlturwelt ge-
schaffen haben, wenn ihnen nicht Freunde der Kunst will-
kommene Aufgaben gestellt hätten und wenn ihr Schaffen
nicht von der Gunst und der Teilnahme der Gebildeten
ihrer Zeit getragen worden wäre.
In unserer Zeit ist die Bildung allgemeiner und der
Reichtum verbreiteter wie damals; aber trotzdem ist die
Lage der Kunst ungünstiger.
An die Stelle der AI ei st er, die in der Werkstatt ihre
Schüler zu Gehilfen heranbildeten, wobei der Schüler selbst
zum Meister wurde, sind längst die Kunstschulen getreten
und die Zahl der Kunstbeflissenen wächst dadurch mehr
und mehr.
Die Künstler setzen infolge des Mangels an Aufträgen
ihre ganze Hoffnung auf die Kunstausstellungen. Da-
durch ist der ungeheure Andrang zur Aufnahme in diese
Ausstellungen zu erklären. Die Juroren, denen es zur
Pflicht gemacht ist, das Herabsinken des Niveaus der Kunst-

ausstellung zum Kunstjahrmarkt zu verhindern, arbeiten
angesichts der vielfachen Not unter den Künstlern oft mit
großer Bedrängnis ihrer künstlerischen Ueberzeugung. Das
Ausstellungswesen verführt die Künstler nicht selten znm
Bestreben, aufzufallen und zu blenden, ihren Werken
eine äußerliche Größe zu geben, die dem Gegenstand der
Darstellung und auch den Räumen, in denen sie Aufnahme
finden sollen, nicht mehr entsprechen.
Alles drängt also hin auf die Aenderung dieser
Verhältnisse und es ist die Aufgabe der Künstler, die
Bedürfnisse der Zeit zu erfassen. Dies ist auch in mancher
Hinsicht schon geschehen; ich erinnere an die Bewegung,
die bildende Kunst als gutes Erziehungsmittel in die
Schulen zu bringen, die den Erfolg hatte, daß die Litho-
graphie neu belebt wurde.
Aber es kann noch so manches andere geschehen.
Mehr als bisher sollten Maler, Bildhauer und Archi-
tekten ein innigeres Zusammenarbeiten anstreben,
wie das in der Blütezeit der Renaissance geschah, wovon
die Kirchen und Paläste noch ein beredtes Zeugnis geben.
Es fehlen aber gerade für die (kirchliche und historische)
monumentale Kunst die Aufträge und Ankäufe zu sehr,
so daß diese ideale Kunst, in welcher in früherer Zeit die
Künstler so Großes geleistet haben, leider sehr darniederliegt.
Was wünschten wir mehr, als daß unsere Ausstellung auch
dazu beitragen möchte, die für das Gedeihen der Kunst so
notwendige Verständigung über die Kunstbegriffe
gegenüber der auf diesem Gebiete herrschenden Verwirrung
wieder herzustellen.
Hier möchte ich eine Stelle aus dem Gedichte Schillers
„an die Künstler" in Erinnerung bringen:
Du, Künstler, bist
„Herr der Natur, die deine Fesseln liebet,
Die deine Kraft in tausend Kämpfen übet
Und prangend unter dir aus der Verwild'rung stieg!"
Zum Schluß gehe ich kurz auf den Inhalt unserer
Ausstellung ein: Die altbewährten wie die jungen künstle-
rischen Kräfte Deutschlands haben ihre Werke gesandt, dar-
unter erfreulicherweise auch solche, die eine Zeitlang unserer
Ausstellung fern blieben.
Ich weise hin auf die Ausstellungen unserer Gäste
aus Düsseldorf, Dresden, Karlsruhe, München, Straßburg
und der Vereinigung nordwestdeutscher Künstler, des Ver-
bandes Deutscher Illustratoren sowie auf die Kollektionen
einzelner Künstler, die eine Hervorhebung verdienten. Ferner
auf eine interessante Sammlung japanischer Kunst.
Für die kunstgewerbliche Abteilung hatten wir eine
bestimmte Aufgabe gestellt; es sollten Räume geschaffen
werden, die dem Geschmack und den Bedürfnissen eines
reichen Kunstfreundes entsprechen, der gewohnt ist, in
künstlerischer Umgebung zu leben, dessen Galerie gewisser-
maßen als festlicher Raum die Flucht der Wohnräume be-
schließt.
Mit großer Gpferfreudigkeit haben sich eine Reihe
Berliner Architekten, mit Firmerr verbunden, in den Dienst
dieser Idee gestellt.
Den ergebensten Dank spreche ich im Namen der
Ausstellungskommission aus: allen Förderern unserer Aus-
 
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