Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/1908
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https://doi.org/10.11588/diglit.52070#0262
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Hellwag, Fritz: Der "Werdandi-Bund" in Berlin
DOI article:Deiker, Carl Friedrich: Die "Jury"frage, eine immer "brennende" Frage
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Die Werkstatt der Kunst.
Heft .sft.
berg sich dagegen verwahrt, daß er keine „teuto-
nistische Höhendünstelei" beabsichtige, es hilft ihm
nichts, denn es ist zu klar, daß seine Wege zu
wagnerischer „Sagenstimmung" zurückführen sollen.
Ihn umschweben als „edlere Begrifflichkeiten" :
„Walhalla-Jungfrauen", „Wellenmädchen", „Sagen-
freude", „Ldda", „Oberammergau", „völkische Lmp-
findungswuchten", „Wagners zeugender Geist", „my-
thisch-mächtig", „ahnungsvoll", „Walküren-Wolken",
„harte Germanenschwerter", „Rolandstatuen aus
düsterem deutschen Gestein" usw. — —
Durch solchen teutschen Brei wird die tod-
kranke (?) deutsche Kunst gewiß nicht gesund werden!
—- Wenn ich zum Schluß verrate, daß der „Werdandi-
Bund" ausgesprochene antisemitische Tendenzen
verfolgt und deshalb durch Herrn Seeßelberg in
mündlicher Ueberredung Herrn Professor Max
Liebermann (!) als Lhrenbeirat zu gewinnen
suchte, so wird man aus seine weiteren Taten ge-
spannt sein.
Oie „Iury"krage, eine immer
„brenn enäe" ?rage.
wenn die Erde sich anschickt, den Lisgürtel zu sprengen,
und wenn das Schneewasser von den Dächern tropft, dann
pochen an den Fenstern unserer Redaktionsstube schon die
ersten Vorboten des Sommers: es sind die wünsche und
Vorschläge für eine Besserung der Iuryverhältnisse in den
großen Ausstellungen, es sind die heißen Hoffnungen,
„diesmal, diesmal ganz gewiß, wird uns der Sommer nicht
um die Früchte unserer ernsten Winterarbeit betrügen!"
was können wir Anderes tun, als die Samenkörner,
die man uns schickt, auszusäen, vielleicht, daß doch endlich
ein Korn auf guten Boden siele und Früchte trüge? Bis-
her fielen alle Körner immer in das Steinige und gingen bald
auf; als aber die Sonne der Ausstellungen aufging, ver-
welkten sie, und dieweil sie nicht Wurzel hatten, wurden
sie dürre.
Rur, wenn einmal einer dieser Vorschläge in den
wirklich maßgebenden Kreisen, in den großen Vereinen,
Wurzel fassen könnte, so könnte man hoffen, daß endlich
an eine radikale Besserung ernstlich gedacht würde.
Die Schriftleitung.
I.
Die Zeit der großen Ausstellungen rückt näher, Berlin,
München, Dresden, Wien, und wie die Ausftellungsxlätze
sonst noch heißen mögen, geben dem Künstler mehr wie
genug zu tun und-- zu denken.
Und wieder wird brennend die so oft angeschnittene,
jedoch niemals erledigte Iuryfrage.
Schon so manches ist über dieses Thema geredet und
geschrieben worden, wie vielerlei gute Ratschläge sind da
schon von Berufenen und Unberufenen erteilt worden, —
aber es blieb immer nur bei den „guten Ratschlägen".
Man schrie „bravo!" „ja, so muß es sein!" „dies oder das
ist die einzige Abhilfe!" — — aber ein Finger gerührt
wurde nicht. Die maßgebenden, bezw. machthabenden Herren
lachten sich ins Fäustchen: „Ja, schreit ihr nur, es hilft
euch alles doch nichts, — die Macht haben wir, die Jury
machen wir!"
Hu! wird das wieder böses Blut setzen; — hei! wird
das wieder ein Geschimpfe und Getobe werden, wenn ein-
mal wieder die ominösen Briefe in die Welt geflattert sind,
die mit wenig kalten Worten so manchem alle Hoffnungen
zerstören.
Aber warum läßt man es denn so weit kommen?
Sehr einfach: es scheut sich ein jeder, besonders dem Publi-
kum gegenüber, gegen alles, was Jury heißt, vorzugehen,
weil es dann gleich heißt: „also auch einer von den Refü-
sierten, von denen, die .nichts können', denn die hohe Jury
muß es doch am besten wissen, wer etwas kann, und wer
nicht." —
Anstatt am Biertische zu sitzen und die Jury zu ver-
fluchen, sollten die Künstler einmal wirklich an einer: end-
lichen Ausweg denken und gemeinsam, mit allen
Kräften, mit allen zu Gebote stehenden Mitteln dahin
wirken, daß der Kunst der alte Zopf abgeschnitten wird.
Und dieser alte Zopf heißt nicht etwa „Jury", — nein,
ganz gewiß nicht! Ls muß eine Jury geben, es darf
sich nicht jeder „Nichtskönner" auf unseren so ernsten Aus-
stellungen breit machen-nein, — der Zoxf heißt:
„Geheime Gerichtssitzung", „Abschlachten im Dunkeln, in
der Lcke, wo es niemand sieht"!
Ich schlage vor: jede Jury muß öffentlich ftattsinden,
zum mindesten jedoch muß es dem abzuurteilenden (oder
vielleicht auch „abzuschlachtenden") Künstler gestattet sein,
diesem Rate der Auserlesenen beizuwohnen und sein Urteil
aus ihrem Munde selbst zu vernehmen.
Manches würde da anders werden, ganz gewiß, mancher
frivole, dem Anscheine nach harmlose Scherz, der ein ernstes
Bild lächerlich macht, würde unterbleiben,-aber auch
manches ungerechte Urteil der Zurückgewiesenen über die
Jury bliebe unausgesprochen. Denn das ist doch eine alte
Sache, — hat jemand einen persönlichen Feind,-oder
gar einen Freund unter den Juroren, und sein Bild wird
zurückgewiesen, gleich wird diesem armen Kerl alles in die
Schuhe geschoben, auf diesen schiebt er alle Schuld; — auf
den Feind, nun, weil es eben sein Feind ist, — auf den
Freund, weil er ihm seiner Auffassung nach nicht genügend
geholfen hat. Den Kollegen aber sowohl wie dem Publikum
gegenüber gesteht niemand ein, zurückgewiesen zu sein —
da heißt es einfach: „ich habe nichts hingeschickt!" — fertig!
Und das ist ein ganz gewaltiger Fehler, ein ganz
falscher Stolz. Gerade das Publikum müßte aufgeklärt
werden, es müßte unterrichtet sein von dem, was hinter
den Kulissen sich abspielt. Und das Publikum in erster
Linie würde energisch fordern, auch das zu sehen, was ihm
vorenthalten bleibt, — denn der Künstler arbeitet für
das Volk, er soll und will seine Kunst dein Volke mit-
teilen, und das Volk hat ein Recht, zu fordern, daß ihn:
das ihm Zugedachte wenigstens auch gezeigt wird. Und
da hat kein anderer Künstler, und mag er auf einer noch
so hohen Stufe stehen, das Recht, heimlich, wo's niemand
sieht, dem Bilde den Platz zu verweigern, den das Volk
ihm bietet.
Ls muß eine Jury sein, eine Jury von Fachleuten,
aber eine öffentliche, wo ein jeder sein Urteil selbst ent-
gegennehmen kann, vor allem aber die Begründung dieses
Urteils vor der breiten Geffentlichkeit verlangen kann.
Rach einer jeden stattgehabten Jury sickern die haar-
sträubendsten Geschichten durch: „Der hat dies oder das
gesagt!" — „der ist mit so und soviel Bildern refüsiert
worden, und den Soundso, den Kerl haben sie angenommen!"
Liegt es denn da nicht in: Interesse der Jury selbst,
hier wirksam gegenanzugehen? Und kann dies wirksamer
geschehen, als wenn die Herren ihren gewiß sehr schweren
Beruf öffentlich ausüben? Dann wird es gewiß niemand
wagen, einen Stein auf die Juroren zu werfen, und manches
eines solchen Ehrenamtes unwürdige Element würde aus
Furcht vor der Mcffentlichkeit es doch lieber ablehnen, Juror
zu spielen.
Dann stände eine jede Jury rein da, sowohl in den
Augen der Künstlerschaft wie beim Publikum, und wäre
nicht den oft ekelhaften Anfeindungen, meist auch hinter
Die Werkstatt der Kunst.
Heft .sft.
berg sich dagegen verwahrt, daß er keine „teuto-
nistische Höhendünstelei" beabsichtige, es hilft ihm
nichts, denn es ist zu klar, daß seine Wege zu
wagnerischer „Sagenstimmung" zurückführen sollen.
Ihn umschweben als „edlere Begrifflichkeiten" :
„Walhalla-Jungfrauen", „Wellenmädchen", „Sagen-
freude", „Ldda", „Oberammergau", „völkische Lmp-
findungswuchten", „Wagners zeugender Geist", „my-
thisch-mächtig", „ahnungsvoll", „Walküren-Wolken",
„harte Germanenschwerter", „Rolandstatuen aus
düsterem deutschen Gestein" usw. — —
Durch solchen teutschen Brei wird die tod-
kranke (?) deutsche Kunst gewiß nicht gesund werden!
—- Wenn ich zum Schluß verrate, daß der „Werdandi-
Bund" ausgesprochene antisemitische Tendenzen
verfolgt und deshalb durch Herrn Seeßelberg in
mündlicher Ueberredung Herrn Professor Max
Liebermann (!) als Lhrenbeirat zu gewinnen
suchte, so wird man aus seine weiteren Taten ge-
spannt sein.
Oie „Iury"krage, eine immer
„brenn enäe" ?rage.
wenn die Erde sich anschickt, den Lisgürtel zu sprengen,
und wenn das Schneewasser von den Dächern tropft, dann
pochen an den Fenstern unserer Redaktionsstube schon die
ersten Vorboten des Sommers: es sind die wünsche und
Vorschläge für eine Besserung der Iuryverhältnisse in den
großen Ausstellungen, es sind die heißen Hoffnungen,
„diesmal, diesmal ganz gewiß, wird uns der Sommer nicht
um die Früchte unserer ernsten Winterarbeit betrügen!"
was können wir Anderes tun, als die Samenkörner,
die man uns schickt, auszusäen, vielleicht, daß doch endlich
ein Korn auf guten Boden siele und Früchte trüge? Bis-
her fielen alle Körner immer in das Steinige und gingen bald
auf; als aber die Sonne der Ausstellungen aufging, ver-
welkten sie, und dieweil sie nicht Wurzel hatten, wurden
sie dürre.
Rur, wenn einmal einer dieser Vorschläge in den
wirklich maßgebenden Kreisen, in den großen Vereinen,
Wurzel fassen könnte, so könnte man hoffen, daß endlich
an eine radikale Besserung ernstlich gedacht würde.
Die Schriftleitung.
I.
Die Zeit der großen Ausstellungen rückt näher, Berlin,
München, Dresden, Wien, und wie die Ausftellungsxlätze
sonst noch heißen mögen, geben dem Künstler mehr wie
genug zu tun und-- zu denken.
Und wieder wird brennend die so oft angeschnittene,
jedoch niemals erledigte Iuryfrage.
Schon so manches ist über dieses Thema geredet und
geschrieben worden, wie vielerlei gute Ratschläge sind da
schon von Berufenen und Unberufenen erteilt worden, —
aber es blieb immer nur bei den „guten Ratschlägen".
Man schrie „bravo!" „ja, so muß es sein!" „dies oder das
ist die einzige Abhilfe!" — — aber ein Finger gerührt
wurde nicht. Die maßgebenden, bezw. machthabenden Herren
lachten sich ins Fäustchen: „Ja, schreit ihr nur, es hilft
euch alles doch nichts, — die Macht haben wir, die Jury
machen wir!"
Hu! wird das wieder böses Blut setzen; — hei! wird
das wieder ein Geschimpfe und Getobe werden, wenn ein-
mal wieder die ominösen Briefe in die Welt geflattert sind,
die mit wenig kalten Worten so manchem alle Hoffnungen
zerstören.
Aber warum läßt man es denn so weit kommen?
Sehr einfach: es scheut sich ein jeder, besonders dem Publi-
kum gegenüber, gegen alles, was Jury heißt, vorzugehen,
weil es dann gleich heißt: „also auch einer von den Refü-
sierten, von denen, die .nichts können', denn die hohe Jury
muß es doch am besten wissen, wer etwas kann, und wer
nicht." —
Anstatt am Biertische zu sitzen und die Jury zu ver-
fluchen, sollten die Künstler einmal wirklich an einer: end-
lichen Ausweg denken und gemeinsam, mit allen
Kräften, mit allen zu Gebote stehenden Mitteln dahin
wirken, daß der Kunst der alte Zopf abgeschnitten wird.
Und dieser alte Zopf heißt nicht etwa „Jury", — nein,
ganz gewiß nicht! Ls muß eine Jury geben, es darf
sich nicht jeder „Nichtskönner" auf unseren so ernsten Aus-
stellungen breit machen-nein, — der Zoxf heißt:
„Geheime Gerichtssitzung", „Abschlachten im Dunkeln, in
der Lcke, wo es niemand sieht"!
Ich schlage vor: jede Jury muß öffentlich ftattsinden,
zum mindesten jedoch muß es dem abzuurteilenden (oder
vielleicht auch „abzuschlachtenden") Künstler gestattet sein,
diesem Rate der Auserlesenen beizuwohnen und sein Urteil
aus ihrem Munde selbst zu vernehmen.
Manches würde da anders werden, ganz gewiß, mancher
frivole, dem Anscheine nach harmlose Scherz, der ein ernstes
Bild lächerlich macht, würde unterbleiben,-aber auch
manches ungerechte Urteil der Zurückgewiesenen über die
Jury bliebe unausgesprochen. Denn das ist doch eine alte
Sache, — hat jemand einen persönlichen Feind,-oder
gar einen Freund unter den Juroren, und sein Bild wird
zurückgewiesen, gleich wird diesem armen Kerl alles in die
Schuhe geschoben, auf diesen schiebt er alle Schuld; — auf
den Feind, nun, weil es eben sein Feind ist, — auf den
Freund, weil er ihm seiner Auffassung nach nicht genügend
geholfen hat. Den Kollegen aber sowohl wie dem Publikum
gegenüber gesteht niemand ein, zurückgewiesen zu sein —
da heißt es einfach: „ich habe nichts hingeschickt!" — fertig!
Und das ist ein ganz gewaltiger Fehler, ein ganz
falscher Stolz. Gerade das Publikum müßte aufgeklärt
werden, es müßte unterrichtet sein von dem, was hinter
den Kulissen sich abspielt. Und das Publikum in erster
Linie würde energisch fordern, auch das zu sehen, was ihm
vorenthalten bleibt, — denn der Künstler arbeitet für
das Volk, er soll und will seine Kunst dein Volke mit-
teilen, und das Volk hat ein Recht, zu fordern, daß ihn:
das ihm Zugedachte wenigstens auch gezeigt wird. Und
da hat kein anderer Künstler, und mag er auf einer noch
so hohen Stufe stehen, das Recht, heimlich, wo's niemand
sieht, dem Bilde den Platz zu verweigern, den das Volk
ihm bietet.
Ls muß eine Jury sein, eine Jury von Fachleuten,
aber eine öffentliche, wo ein jeder sein Urteil selbst ent-
gegennehmen kann, vor allem aber die Begründung dieses
Urteils vor der breiten Geffentlichkeit verlangen kann.
Rach einer jeden stattgehabten Jury sickern die haar-
sträubendsten Geschichten durch: „Der hat dies oder das
gesagt!" — „der ist mit so und soviel Bildern refüsiert
worden, und den Soundso, den Kerl haben sie angenommen!"
Liegt es denn da nicht in: Interesse der Jury selbst,
hier wirksam gegenanzugehen? Und kann dies wirksamer
geschehen, als wenn die Herren ihren gewiß sehr schweren
Beruf öffentlich ausüben? Dann wird es gewiß niemand
wagen, einen Stein auf die Juroren zu werfen, und manches
eines solchen Ehrenamtes unwürdige Element würde aus
Furcht vor der Mcffentlichkeit es doch lieber ablehnen, Juror
zu spielen.
Dann stände eine jede Jury rein da, sowohl in den
Augen der Künstlerschaft wie beim Publikum, und wäre
nicht den oft ekelhaften Anfeindungen, meist auch hinter