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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

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Vor 50 Jahren!
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Die Werkstatt der Kunst

keäakteur: fritz hellwag.

VII. Jakrg. Hekt 39. 29. Juni 1908.

In clieleni Teile unserer Leiisckrifi erteilen «ir jectern Rünstler clas freie Mort. Mir sorgen äsfür, clsS keinerlei
Angriffe auf Personen oder Senossenseksflen sbgeclruckt xverclen, okne claS vorder cler Ungsgriffene clie üröglicdkelt gek»bt
KLtte, in «iernseiben I)efte zu errviclern. Oie sieclsktion kslt Ncd vollstänclig unparteiiscd unä gibt clur<Z> äsn ?Ibtlruck keinesvegr
-—--eine Nebereinstirnrnung niit clsn suf cliese Meise vorgetrsgensn Meinungen zu erkennen. —

vor 50 Jahren?

In der Begrüßungsrede, die Prof. v. Petersen
beim Festbankett aus Anlaß der Jubiläumsaus-
stellung der A. D. K. G. in München hielt, gedachte
der Redner der Zeiten vor 50 Jahren, als die erste
Deutsche nationale Ausstellung der A. D. K. G.
in München stattfand. v. Petersen verlas im verlaufe
seiner Ausführungen eine interessante Rede, die der
damalige Großherzogliche Badische Hofmaler Feodor-
Dietz zur Eröffnungsfeier am 22. Juli 1858 im
Glaspalast hielt. Dieselbe ist so bezeichnend für da-
malige Zeit und Verhältnisse, daß sie hier wieder-
gegeben werden mag.
„Wenn ich nach den Vorträgen über die
Akademie von München, über ihre und anderer
deutscher Akademien höchst erfolgreiche Tätigkeit
für die Ausstellung, welche uns hier umgibt, wenn
ich nach diesen geistvollen Vorträgen das Wort zu
ergreifen wage, so geschieht es in der moralischen
Verpflichtung, eines zweiten Faktors zu gedenken,
dessen Tatkraft wir nicht minder bedurften zur
Verwirklichung jenes Gedankens, der einst in dem
edlen Herzen eines jetzt fernen Freundes entsprang,
zur Verwirklichung einer allgemeinen deutschen und
geschichtlichen Ausstellung.
Dieser zweite Faktor ist die deutsche Künst-
lerschast.
Ihrem Wesen nach sonst wenig geneigt, in
Formen und feste Pläne, in eine geschäftsmäßige
Tätigkeit einzugehen, haben die deutschen Künstler,
um ein ideelles Ziel zu erreichen, ihre eigenste
Natur zu verleugnen gewußt, haben sie Fähig-
keiten entwickelt, die ihnen sonst fremd waren, und
eine Tatkraft entfaltet voll Selbstverleugnung und
persönlicher Dpfer.
Dies alles erfüllte sich seit den Künstler-
versammlungen in Bingen und Stuttgart, seit sich
die Ueberzeugung Bahn gebrochen und in den
Gemütern festgesetzt hatte, daß nur durch all-
seitige geeinigte Tätigkeit der Fortschritt und
die Entwickelung der deutschen Kunst möglich ist.
Line allgemeine und geschichtliche Ausstellung sollte
das Symbol dieser Ueberzeugung, die erste Mani-

festation einer Vereinigung zu den höchsten Zwecken
der Kunst sein. Wohlan, überall und nicht allein
in den großen Metropolen, überall wo Kunst geübt
wird und Kunst gesammelt ist, haben sich Vereine
gebildet, welche in ernster Beharrlichkeit ihr Ziel
anstrebten und alle entgegenstehenden Schwierigkeiten
zu besiegen entschlossen waren. Die Ausstellung,
wie sie uns hier umgibt, ist ein glänzender Beweis
der Liberalität unserer Fürsten, der Bereitwilligkeit
der deutschen Kunstfreunde geworden- Tatsache
aber bleibt es, daß nicht selten in dieser Beziehung
die Komitees harte Proben zu bestehen hatten.
Aengstlichkeit, Abgeneigtheit sich von dem Besitze
zu trennen, Zweifel an dem Gelingen des Unter-
nehmens sind Hindernisse gewesen, die sich bei
jedem Schritte neu auftürmten. Und wenn diese
moralischen Widerstände endlich besiegt waren,
wenn der Schatz gehoben war, so entstand häufig
die neue Frage, wie den mechanischen Teil, wie
die Verpackung und Einsendung nach München zu
bewerkstelligen? Er ist kein reicher Stand, der
Stand der deutschen Künstler, er ist arm an Gütern
dieser Erde, aber sie haben Mittel und Wege zu
finden gewußt, sie haben bis zu den Ersparnissen
ihrer Vereine, bis in die eigenen Taschen gelangt,
um den auserwählten Werken, den Werken der
verstorbenen Meister den weiten Weg nach München
zu eröffnen. Ich fühle mich hoch gehoben, daß
es mir vergönnt ist, einer so edeln Gpferbereitschaft
einen öffentlichen Dank ausbringen zu dürfen.
Sie sind alle gekommen, wie der Ruf des
Geistes an sie erging — sie sind alle gekommen,
die Lebenden und die Toten. Die den Kampf des
Lebens ausgekämpft, denen das Rätsel des Ideales
gelöst ist, die in ihren Gräbern ruhen, sie sind da,
sie sind unter uns! Das Werk, das sie mit ihrem
Herzblut getränkt, das Spiegelbild ihres Geistes,
ihr zweites Ich, es ist da, von dankbaren Enkeln
aufgesucht, sorglich herbeigebracht und in Pietät
aufgestellt. Raum und Zeit ist besiegt und das
 
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