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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

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Allgemeine Bedingungen für die Veranstaltung von Preisbewerbungen unter den Mitgliedern des Architekten-Vereins zu Berlin
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B., F.: Das Nackte vor Gericht
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Beauclair, A. W. de: Neue Wege zur Selbstständigkeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.52070#0080

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76

Die Werkstatt der Kunst.

Heft 6.

8 H-
Die eingegangenen Entwürfe werden, sobald die Be-
urteilung erfolgt ist, zunächst im Verein ausgestellt, die
preisgekrönten und die durch ein Vereinsandenken ausge-
zeichneten sodann mit einem schriftlichen Gutachter! des
Beurteilungsausschusses dem Auftraggeber zugesandt und
ihm für die Dauer von vier Wochen überlassen.
Die preisgekrönten Entwürfe werden Eigentum des
Auftraggebers. Die mit Vereinsandenken bedachten Ent-
würfe können von ihm gegen einen von dem Beurteilungs-
ausschuß festzustellenden Kaufpreis erworben werden. Andern-
falls sind sie an den Architekten-Verein zurückzusenden, in
dessen Eigentum sie übergehen.
8 5-
Außer den festgesetzten Preisen hat der Auftraggeber
die durch die Preisbewerbung dem Vereine erwachsenden
Unkosten für Druck und Versendung der Programme, Um-
druck von Lageplänen, Ausstellung der Entwürfe, deren
Versendung usw. zu tragen.
An Unkosten werden in runder Summe berechnet:
für Entwürfe kleineren Umfanges, bei denen die angesetzten
Preise den Gesamtbetrag von 500 Mk. nicht erreichen, die
Summe von 50 Mk., für Entwürfe größeren Umfanges,
bei welchen die Preise mindestens 500 Mk. und darüber
betragen, die Summe von too Ulk. Erforderlichenfalls
kann der Ausschuß auch eine höhere Unkostensumme in
Ansatz bringen.
8 6.
Der Auftraggeber ist verpflichtet, die in dem Pro-
gramm festgesetzten Preise sowie die nach den Bestimmungen
in K 5 berechnete Unkostenvergütung bei Rücksendung des
unterschriebenen Programmes an die Kasse des Architekten-
Vereins zu Berlin zu zahlen. Sollte der Beurteilungs-
ausschuß beschließen, die Preise oder den Preis gar nicht
oder nur teilweise zuzuerkennen, so werden die nicht zur
Verteilung gelangten Beträge dein Auftraggeber zurück-
gesandt.
Vas Nackte vor Gerlckt.
Im zweiten Gktoberheft tyo? schreibt der „Kunst-
wart": „Ich erinnere nochmals an meinen alten Vorschlag,
der mittlerweile die Zustimmung auch sehr eingeweihter
Beamter gefunden hat. Wir brauchen eine Sachverständigen-
Kaminer, die ausschließlich darüber zu entscheiden (aber zu
entscheiden, nicht zu begutachten) hat, ob in dem einzelnen
Falle die Absicht vorlag, Lüsternheit zu erregen. Diese
Absicht wird von sachverständigen Künstlern und Kunst-
kennern in hundert Fällen einstimmig festgestellt werden,
wo sich jetzt der Richter nicht zu Helsen weiß; und wo diese
Absicht vorlag, dahin gehört ein verbot."
Da der „Dürerbund" eine Eingabe an Reichstag und
Bundesrat vorbereitet, ist es nötig, daß sich auch die, die
es angeht, damit beschäftigen, nämlich die Künstler.
Zuerst möchte ich dagegen Stellung nehmen, daß man
auch Kunstkenner in derartige Sachverständigen-Kammern
aufnehmen will. Was Kunstkenner manchmal für „Kunst-
kenntnisse" haben, lehrt der Fall des Herrn Schriftstellers
Adolf Bartels. Der letzte verwarf als Sachverständiger
vor Gericht die Darstellung des Nackten mit der Begründung,
daß doch bei uns Damen nicht im Mai nackt
herumgehen!
Herrn Bartels wird der „Kunstwart" nicht als den
Seinen verleugnen wollen?
Die erste Forderung, von der die Künstler in ihrem
Interesse niemals abweichen dürfen, ist:
Line Kammer von Sachverständigen; also von Malern
und Bildhauern und nicht von Dilettanten.
Aber selbst für Sachverständigen-Kammern wird es
noch schwer genug sein, gerecht zu urteilen. Deshalb dürfen
die Entscheidungen dieser Kammern niemals endgültig sein.
Viele Maler werden mit gutem Gewissen z.B. Beards-
ley als lüstern verurteilen. Sie würden aber die graphische

Kunst schwer schädigen, wenn sie den Druck seiner Ar-
beiten verbieten könnten. Auch mit Toulouse-Lautrec
würde man nicht besser verfahren.
Ls ist aber eine Unwahrheit, zu behaupten, daß
diese Künstler irgendwie entsittlichend wirkten!
In gesitteten Familien liegen ihre Werke niemals in
der Kinderstube und in unsittlichen werden sie kaum noch
Schaden stiften, außerdem ist es die Frage, ob Kinder diese
Arbeiten überhaupt verstehen können. Erwachsene aber
werden ihr Geld gründlicher anlegen, falls sie sich unsittlich
betätigen wollen.
Warum will man denn überhaupt die Künstler unter
Vormundschaft stellen?
Lin bedeutender Maler äußerte einmal über gewisse
Simplizissimus-Mitarbeiter: „Säu' san's, aber könna tean's
was". Und das ist auch meiner Meinung nach der springende
Punkt:
Urteilt nicht darüber, ob ein Kunstwerk lüstern wirkt
oder nicht, sondern, ob es überhaupt ein Kunstwerk ist.
Vielleicht richten jetzt die unanständigen Postkarten
nicht soviel Unheil an wie später die Sachverständigen.
8. 8.
Neue Mege zur Selbständigkeit.
(A. U). de Beauclair^ Ascona, monesoin.)
Mit meinem Anruf in Heft 2 vom Oktober
hatte ich den Erfolg, den ich erwartet hatte. Eine ungemein
große Anzahl von Zuschriften mit den interessantesten Aus-
führungen gingen bei mir ein. Line Reform im Leben
des Künstlers erstreben also viele und ist ebenso nötig wie
in jeder anderen Berufsklasse, ja vielleicht noch dringender.
Denn wo steuern wir hin, wenn „wir" nicht die Führer
sind, die Führer sein wollen im Leben und im Streben?
Die Werkstatt des Künstlers ist nicht mehr das, was sie
sein könnte, sondern sie ist beschmutzt. Mehr will ich nicht
sagen. Und sie ist seit der Zeit beschmutzt, als uns die
herrliche Selbständigkeit und das absolute Gefühl der eigenen
Sicherheit verloren ging. Dieses absolute Gefühl der
Sicherheit haben wir auch der Natur gegenüber verloren
und so kommt es, daß wir beherrscht werden, anstatt zu
triumphieren. In unseren Werkstätten verkehren Elemente
(und nicht nur solche, die wir zur Arbeit nötig zu haben
glauben), die uns die Zeit stehlen, die uns unlustig machen
und die uns nicht in den Rausch des schaffenden Künstlers
versetzen können. Von tausend Widerwärtigkeiten sind wir
umringt und je argloser und idealer wir sind, desto schlimmer
sind wir in der Abhängigkeit, desto mehr beutet man uns
aus. Das ist durchaus nicht zu schwarz gesehen; wer dar-
über lächelt, der empfindet entweder nicht künstlerisch oder-
weiß keinen anderen Rat. wir sollen aber triumphieren,
das soll ja unser Zweck, unser Erfolg sein! Die Idee, wie
man zu arbeiten hat, kennt man, erkennt man ja kaum
mehr, wie unerfreulich ist es, beobachten zu müssen, wie
die Jungen, die Lernenden (und das sollten wir ja bis zum
letzten Pinselstriche sein) arbeiten. Als wenn es das Er-
strebenswerteste wäre die Natur in ihrer wechselnden Zu-
fälligkeit zu kopieren! Mit einem unglaublichen Ballast,
mit patentierten Malgeräten und Gott weiß, was allem
rücken die Jungen heutzutage aus und machen ihre Studien-
reisen. Wohin sie auch kommen mögen, sofort wird auf-
geschlagen und losgelegt. Und dabei fluchen sie jeder Wolke,
die eine schön begonnene Sonnenlandschaft verdunkelt, werden
ärgerlich, wenn die alte Modellbäuerin, die vielleicht schon
stundenlang, einer Mumie gleich, dahockte, den geblümten
Rock in der Faltenlage verändert. — Du liebe Zeit, so
kommen wir doch nicht zum Ziel! Ich muß gestehen, daß
es für mich in einer neuen, sagen wir außerdeutschen Land-
schaft im ersten Jahre ganz unmöglich ist, ein Bild zu voll-
enden. Mir scheint das natürlich. Man muß doch erst
schauen, begreifen und verstehen lernen. Noch ganz selten
fand ich deutsche Maler, die eine italienische Landschaft
richtig erfaßten. Das waren meist nur deutsche Stimmungs-
 
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