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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

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Die Künstler-Baugenossenschaft in München, [2]
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Mühsam, Erich; Perter-Ullrich, Karl: Die Vereinigung deutscher und österreichischer Künstler in Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.52070#0191

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heft

Die Werkstatt der Kunst.

^87

vor der endgültigen Beschlußfassung einen Lntwurf
noch zur Diskussion zu stellen, würden wir es uns an-
gelegen sein lassen, einem oder zwei sachverständigen
Referenten aus Finanz- und Iuristenkreisen dazu
das Wort zu erteilen. Die Bchriftleitung.
Vie Vereinigung cteulscker unct ölter-
reickiscker Künstler in Paris.
Der Zusammenschluß der deutschen Künstler in
Paris ist selbstverständlich eine deutsche Sache, die uns
Künstler in Deutschland sehr lebhaft interessiert, handelt es
sich doch gewissermaßen um unsere Repräsentation im Aus-
lands, die wir möglichst würdig gestaltet zu sehen wünschen.
Wir sind dem plan wohlwollend gegenübergetreten und
halten uns auch vorläufig noch ganz unparteiisch. Indem
wir nachstehend zunächst einen Bericht des Gründungsaus-
schusses und dann zwei Zuschriften gegensätzlichen Inhaltes
abdrucken, geben wir also nicht unsere eigene Meinung
wieder, sondern gestatten, unserem Prinzips folgend, beiden
Parteien, sich auszusprcchen. Die Schriftleitung.
f. Der „pariser Zeitung" vom 2t- Dezember ent-
nehmen wir folgenden Gründungsbericht:
„Die Gründungsversammlung der .Vereinigung
deutscher und österreichischer Künstler in Paris'
lieferte den besten Beweis dafür, daß der von der .pariser
Zeitung' angeregte Zusammenschluß der pariser Künstler
und Schriftsteller deutscher Zunge einen: Bedürfnisse ent-
spricht. Neber 60 Künstler, Künstlerinnen und Schriftsteller
hatten der in unserer letzten Nummer ergangenen Ein-
ladung Folge geleistet und dadurch, wie durch die rege
Aussprache des ersten Abends ihr lebhaftes Interesse an
der Sache bezeigt. Diese große Anteilnahme ist eine Ga-
rantie für den endgültigen Erfolg der Vereinigung, die den
Namen
Vereinigung deutscher un- österreichischer
Aünstler in Paris
führen wird. Nebst einigen schriftlich eingelaufenen An-
meldungen ist die Zahl der vorläufig eingetragenen Herren
und Damen, die der Vereinigung beizutreten beabsichtigen,
53. Etwaige weitere Anmeldungen von Herren und Damen
aus pariser Künstler- und Schriftstellerkreisen — behufs
Vormerkung und Einladung zur Hauptversammlung am
Montag, t z. Januar, sind an die .pariser Zeitung' zu
richten, welche vorerst alle Mitteilungen zentralisiert.
Ueber die Versammlung, die am Montag Abend
im Atelier der .Palette', tk Rue du val-de-GrLce,
stattfand, ist zu berichten: Herr Bildhauer Kautsch über-
nahm den Vorsitz, dankte im Namen des Ausschusses für
das zahlreiche Erscheinen, verlas mehrere Entschuldigungs-
schreiben und knüpfte daran einige erklärende Worte über
die Tätigkeit des Gründungsausschusses. Herr Maler
Felix Borchardt gab sodann Kenntnis von dem Statuten-
entwurf, der nach eingehender Debatte über den Namen,
die Notwendigkeit, die Ziele der Vereinigung usw. unter
einigen Aenderungen und Zusätzen als vorläufige Satzungen
der Vereinigung angenommen wurde. Der Titel .Ring'
wurde, weil vielleicht agressiven Beigeschmacks, fallen ge-
lassen; der Jahresbeitrag bleibt auf tO Franken festgesetzt;
Mitglieder, Herren wie Damen, können alle in Paris lebende
Maler, Bildharrer, Architekten, Schriftsteller, Musiker werden.
Die .Pariser Zeitung' wurde als Organ für alle Bekannt-
machungen der Vereinigung bestimmt und ihr durch all-
gemeinen Applaus der Dank der Versammlung für die
Vorarbeiten zur Gründung der Vereinigung ausgedrückt.
Schließlich wurde eine Hauptversammlung auf Montag, den
13. Januar, anberaumt, behufs Wahl des definitiven Aus-
schusses usw. Bis dahin bleibt der aus den Herren Bor-
chardt, Or. v. Bülow, Kautsch, Kirchner, Julius Loeb,
Dr. Nordau und Scharf bestehende vorläufige Ausschuß
bestehen."

2. Herr Schriftsteller Erich Mühsam-Paris sandte
die nachstehende humoristische „Warnung".
„Wenn drei Deutsche einander im Ausland begegnen,
dann beschäftigen sie den „vierten", während er kiebitzt, mit
der Abfassung der Statuten. So entsteht in der Regel ein
nationaler Verein. Das Verfahren ist überaus rationell.
Das Skatspiel erhält patriotische Bedeutung. Man fühlt
sich in seiner persönlichen Interesselosigkeit bestätigt, indem
man daraus ein gemeinsames Interesse macht. Man fühlt
sich heimisch; man fühlt sich verstanden; man fühlt sich
wohl; man fühlt sich.
wenn sich's um Künstler und Schriftsteller handelt,
ist der Vorgang anders. Es entsteht eine deutsche Zeitung;
es entsteht ein Leser; es entsteht ein Abonnent; es entsteht
ein Meinungsaustausch; es entsteht eine Anregung; es
entsteht ein Verein — nein: ein Bnnd.
Oder: man gründet ein Eafä; man gründet einen
Kreis; man gründet einen Kredit; man gründet einen
Verein — nein: einen Ring.
Paris ist eine sehr schöne Stadt. Der kulturbeflissene
Deutsche strömt hin: aus dem Secessions-Eafe in Berlin-
Lharlottenburg, aus dem Lentral-Laf6 in Wien, aus dem
Lass Stephanie in München. Der Montparnasse ist ent-
deckt, das Lase ist bezogen, die Zeitung ist abonniert: der
Verein ist fällig.
Die konstituierende Versammlung hat neulich statt-
gefunden. Der .Bund deutscher und österreichischer Künstler
und Schriftsteller in Paris' scheint Tatsache. Demnächst
findet wieder eine konstituierende Versammlung statt.
Denn man spricht von 53 Mitgliedern; und schon fünf
gestatten die Abspaltung einer Secession.
was will der Bund? (Ursprünglich sollte er .Ring'
heißen.) will er die nationalen Gefühle im deutschen
Künstlerherzen schüren? Schade um den Ort, den man
dazu aussucht. — will er den Boden deutscher Kunst in
Frankreich düngen? Schade um die guten Talente, die
lieber alleine ackern. Lin Klüngel macht ihnen unnötig
Schwierigkeiten. — will er Frohsinn und Heiterkeit pflegen?
Schade um die Anstrengung derer, die so schwer .pflegen'
müßen. — Ich will dem Bunde nicht zu nahe treten. Ich
habe noch nicht verstanden, was er will (gewiß! das liegt
an mir!). Ich weiß bis jetzt nur: die Mitgliedschaft kostet
fo Franken jährlich. Schade um das schöne, schöne Geld!
Halten wir fest: auf Anregung einer deutschen Zei-
tung in Paris stürzen 50 in Paris strebende Künstler aus
den Kaffeehäusern, den Kunstausstellungen, den Ateliers,
den Bibliotheken ins Ouartier Montparnasse. Man gründet
und wird nicht fertig. Denn es gibt Dränger und Stürmer,
die oppositionell veranlagt sind. Aber man trommelt noch
einmal zum Appell, vielleicht kommen noch mehr! Das
Bedürfnis ist sestgestellt. Irgendwas wird schon dabei
herauskommen; hoffentlich gleich zwei Vereine; zwei Sammel-
stätten deutscher Kultur, deutschen Geistes; zwei Bedürfnis-
anstalten für geistige Bedrängnis.
warum hat man nicht einfach die Namen derer aus-
geschrieben, die bei der „Gründung" dabei waren? Alle
weitere Mühe wäre überflüssig. Man wüßte, wo man die
Landsleute findet. Man wüßte, wen man zu Festlichkeiten,
Atelierausstellungen, Gedichtrezitationen, Trauerfeiern und
Abonnementseinladungen zur Verfügung hat. Man wüßte
alles, was zu erfahren interessant ist.
Aber man wird sich durch mich nicht die Wiederholung
der Gründung verekeln lassen. Man wird noch einmal
konstituierend tagen. Man wird wiederum streiten. Man
wird sich wieder aus der einen Seite jung und modern, auf
der andern ernst und gesetzt rühmen. Und man wird einig
werden, daß das Bedürfnis dringlich ist, und wird sich aus
f0 Franken jährlich verständigen.
Deutsche und österreichische Künstler und Schriftsteller
in Paris! Geht alle, alle, alle am t3- Januar in die
„Palette" am Montparnasse! Ich warne euch! Es wird sehr
lustig werden! wer einer deutschen Vereinsgriindung
 
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