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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

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Westheim, Paul: Künstler und Geschäftsmann
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Schuch, Werner; Kampf, Arthur: Der deutsch-französische Kunstaustausch
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https://doi.org/10.11588/diglit.52070#0514

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Die Werkstatt der Kunst.

Heft 37.

urteil hat, will er sich nicht auf das Ungewisse eines mög-
lichen Erfolges einlassen. Er hält sich an das anders-
wo Bewährte. Hervorragende Institute wenden sich dann
direkt an den Schöpfer jener Vorbilder, und die Mehrzahl
der anderen verleitet die Zeichner zum Umarbeiten, zum
Stehlen und Räubern. Und hier ist ja nur von den anderen
die Rede!
Der Künstler hat sich als „brauchbar" erwiesen. Er
ist auch zuverlässig. Er zeichnet nach und zeichnet um.
Er macht auch Eigenes und Selbständiges. Er macht schon
nicht mehr das Originelle, Ueberraschende, sondern denkt
von vornherein an den Verlegergeschmack. Solche Fähig-
keiten werden anerkannt. Er erhält Aufträge über Auf-
träge. Und nun wird alles „hingehauen" — möglichst
mühelos und möglichst viel. Fehlt's an Einfällen, so ge-
nügt ein Gang nach der Kunstgewerbebibliothek. In den
Mappen und Kästen liegt so viel Brauchbares. Ideen
werden da variiert, Motive umkomponiert und Ornamente
aus fünf oder sechs Blättern zusammengesetzt. (In der
Berliner Kunstgewerbcbibliothek kann man ein paar Leut-
chen beobachten, die irgendeinen alten Entwurf durchpausen,
ihn vielleicht auch „verbessern" und dann an die geeigneten
Firmen verkaufen — allerdings ohne (Quellenangabe.)
-— — Im Atelier hängt unvollständig ein verstaubtes
Bild. Einst hatte sich der Künstler entschlossen, jene peinlichen
Aufträge anzunehmen, um sich sorglos und ruhig seiner
wahren Kunst widmen zu können. Es gibt ab und zu
Stunden der Zerknirschung, wo das Bild in der Ecke zum
unbequemen Mahner wird. Aber er ist inzwischen Geschäfts-
mann geworden — und zwar ein recht schlechter, denn er
hat sein geistiges Betriebskapital leichtfertig weggegeben
und muß nun von Anleihen leben.
Zwei Fälle: Als ich vor einigen Monaten in der
„Augur" die historische Plakatausstellung und die Künstler-
verkaussabteilung leitete, bat mich ein junger Künstler um
eine Freikarte — aber es solle eine Dauerkarte sein, denn
er habe ja ein ganz gutes Gedächtnis, und später, wenn
er irgend etwas zu machen habe, fiele ihm immer schon
ein, daß er da oder da etwas Passendes gesehen habe. Und
da hier nun eine Fülle von neuen Ideen ausgestellt seien ...
Er hat die Karte natürlich nicht erhalten, aber er konnte
in seinem Vorhaben nichts Unrechtes sehen.
Ein anderer sitzt in der „Künstlerverkaufsabteilung"
und zeichnet die ausgestellten Entwürfe ab. Auf meine
Frage, ob er ein besonderes Interesse an diesen Darstel-
lungen habe, meint er ziemlich naiv, er sei selbst Zeichner,
und der oder jener Entwurf sei für seine Zwecke recht
geeignet. „Daraus läßt sich schon was machen."
Er wurde so höflich als möglich ersucht, wenigsteus
das Skizzenbuch und den Bleistift wcgzutun oder das Lokal
zu verlassen.
Die andere Perspektive: Der mittelmäßige Routinier
arbeitet schnell, er kann billig sein. Ich kenne einen
Zeichner, der von einein Verlage für einen Rotcntitel
ZO Mk. bekommt. Er kann mit Leichtigkeit täglich t bis
2 Stück liefern. Sein tatsächliches Einkommen ist fabelhaft
im Vergleich zu seinem Können. Der wirkliche Künstler,
der eine ernste, durchdachte und durchgearbeitete Leistung
zu bieten hat, bekommt auch kein höheres Honorar. Er
kann aber nicht eine ganze Woche für ZO oder 50 Mk.
arbeiten. Entweder muß er derartige Arbeiten ebenfalls
rasch hinhauen oder ganz sein lassen. Und es ist ganz
gleich, ob es sich um Buchdeckel oder Möbel, Plakate oder
Keramiken handelt.
Die Ausnahmen: Reben den unzähligen Könnern
gibt cs eine Schar wirklicher Talente, die sich durch ihre
starke Persönlichkeit wirtschaftlich und künstlerisch durch-

gesetzt haben. Es war auch für sie nicht leicht, sich von
würdelosen Konzessionen frei zu halten. Fast alle sind ur-
sprünglich verkannt, abgewiesen und belächelt worden. Es
war meist ein Weg nach Golgatha, bis sie an der Stelle
waren, wo sie ihr Eigenstes, ihr Reues und wertvolles
zeigen konnten. Schließlich bleibt auch der wirtschaftliche
Erfolg nicht aus. Sie wurden anerkannt, geschätzt, berühmt
— und bestohlen von denen, die früher nichts von ihnen
wissen wollten.
veräeutll^-frarizöNsckeKllnslLUSlausck.
Von Professor Werner Schuch-Berlin.
Unter dieser Ueberschrift veröffentlicht Herr Prof.
Arthur Karnpf als Mitglied des Lomite clo Rupproclle-
rnent im Heft 33 der „Werkstatt der Kunst" seine Antwort
auf eine Umfrage eines (? welches) französischen Blattes,
die mir im Hinblick auf unsere künstlerischen und politischen
Verhältnisse, gelinde gesagt, recht „unzeitgemäß" erscheint.
Herr Prof. Kampf sagt:
„Ich bin überzeugter Anhänger einer Annäherung
zwischen Frankreich und Deutschland. Ich liebe Frank-
reich und der Hauptgrund dafür ist meine Liebe zur fran-
zösischen Kunst. Ihr seid unsere Lehrmeister gewesen
und in vielen Beziehungen seid Ihr es noch, wir
danken Euch irr weitem Maße die Fortschritte, die
wir gemacht haben. In dem Komitee für die Annäherung
ist sich alles über die Art, wie das Ziel zu erreichen ist,
eiriig. In der Praxis will natürlich jeder auf seine weise,
auf seinem Gebiete dahiir kommen. So denke ich natürlich
in meiner Eigenschaft als Künstler daran, auf dem Kunst-
gebiet das Ziel zu erreichen. Ich möchte vor allem, daß
Eure Maler und die unsrigen in den beiderseitigen Aus-
stellungen wechselseitig einen größeren Raum einnehmen
als bisher. Zu diesem Zwecke sollte man in gewissen
Zeitabständen große französische Kunstausstellungen in
Deutschland und wiederum deutsche in Frankreich veran-
stalten. Die deutschen Künstler würden sicherlich von den
häufigeren Ausstellungen französischer Maler in Deutsch-
land profitieren, während die französischen Künstler
wiederum Gelegenheit hätten, unsere nationalen Eigenheiten
zu studieren, für die sie nach meiner Anschauung natür-
liches Interesse haben."
„OiMcile est suH-ruru non scribero" möchte ich aus-
rufen beim Lesen dieser verlockenden Aufforderung an die
Herren Franzosen, doch ich will mich bemühen, ernsthaft
zu bleiben, indem ich das Folgende zu bedenken gebe:
Nach den mit unseren bisher unerwidert gebliebenen
Annäherungsversuchen an Frankreich gemachten Erfahrungen
scheint es mir sehr wenig angebracht, der zürnender: Schönen
jenseits der Vogesen abermals mit Liebesbeteuerungen und
schülerhaften Verbeugungen zu nahen. Ein übertriebenes
Entgegenkommen schadet weit mehr als es nutzt, es mindert
unser Ansehen, stärkt den Chauvinismus der Franzosen
und arbeitet dadurch einer Annäherung entgegen, statt sie
zu fördern. Dafür hat uns erst jüngst die Affäre der
dreißig französischen Studenten einen recht lehrreichen Be-
weis gegeben, wir haben gesehen, welche unerfreuliche
Wirkung die überschwengliche Art der Aufnahme derselben
bei uns in Frankreich gehabt hat. Die deutschen Künstler
aber vor allem sollten sich heute hüten, die Lallons ck'essui
zu einer deutsch-französischen Annäherung abzugeben, denn
gerade sie haben doch bei den bisherigen versuchen hierzu,
ich meine, bei den angeblich „ AnnäHern ngs- und Be-
lehrungszwecken" dienenden internationalen Kunstaus-
stellungen in Deutschland die übelsten Erfahrungen gemacht,
wenn einerseits mit diesen Ausstellungen keinerlei An-
näherung an Frankreich und die übrigen Rationen erreicht
worden ist, so haben andererseits die deutschen Künstler
recht schwere und anhaltend fühlbare Nachteile durch die-
selben zu verzeichnen, nämlich:
t. den völligen Verlust des einstigen hohen Ansehens
der deutschen Kunst in: Auslande und damit zusammen-
hängend den des Kunstmarktes in England und Amerika;
 
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