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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

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Wilhelm Busch ✝
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Also freiwillige Ausnahmemenschen?
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https://doi.org/10.11588/diglit.52070#0217

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Die Werkstatt der Kunst

keäaktem: Hellnag.

VII. Jakrg. H Hekl 16. 20. Jan. 1908.

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Im Alter von 76 Jahren ist in Mechtshausen der Maler und Dichter Wilhelm Busch ge-
storben. Unter der Beteiligung vieler Künstler und Freunde trug man ihn am H3. Januar zu Grabe.
Nun ist also aus dem Abschied, den er im vorigen Jahre von seiner „Selene" nahm, Ernst geworden, seine
Sprache, die so Unzähligen Freude und erlösendes Lachen brachte, ist verstummt. Der Alte ist „zur See" gegangen. —
Doch will sich eine Traurigkeit bei uns allen nicht einstellen, wissen wir doch, daß der liebenswürdige Künstler, den
man jetzt begraben hat, mehr wie je ein anderer in seinen Werken lebt und für alle Zeiten leben wird. Seine Person
hatte Busch uns ja schon längst, seit vielen Jahren, entrückt. Nachdem er tausendfach die Schwächen und selbstver-
schuldeten kleinen Miseren der Menschen und die Tücken des Philister-Schicksals geschildert und dem Inhalt unseres, ach,
so begrenzten Daseins und Wirkungskreises mit liebenswürdiger Ironie in knappster Form monumentalen Ausdruck ge-
geben hatte, reizte es ihn, gerade in die kleinste Lebensform sich zurückzuziehen und still, für sich, in den alltäglichsten
Geschehnissen und Gesprächen den Ewigkeitsgehalt zu genießen, wie ihn eben nur ein Mensch mit so überreichem
Innenleben genießen kann. — Nach äußerlichen Ehren stand fein Sinn nieinals. Wir alle erinnern uns noch, wie er
an feinem siebzigsten Geburtstag sich sogar den kaiserlichen Auszeichnungen durch die Flucht entzog. Trotzdem hatte man
ihm kurz vor seinem Tode noch eine schöne Ehrung zugedacht, über die er sich vielleicht ausnahmsweise doch gefreut
haben würde: das Kapitel des Maximiliansordcns für Kunst und Wissenschaft, des höchsten bayerischen Drdens für die
hervorragendsten Vertreter des geistigen Lebens, hatte einstimmig Wilhelm Busch zu seinem Mitglieds vorgeschlagen.
„Aber, aber, aber, aber, jetzt kommt der Filuzio!" — die Bestätigung wurde versagt.
Mo freiwillige Msnakmemenlcben?

Mein lieber perr A. W. de Beauelair!
Ihr Lntgegnungsschreiben in der letzten Nummer der
„W. d. K.", das meine Freude an den vielen, durch die
Redaktion mir übersandten Zustimmungsrufen zahlreicher
Kollegen arg getrübt, hat vor allem den großen Vorteil,
nicht, wie mein Artikel, anonym zu sein. Ja . . . dieser
schöne Mut hat mir gefehlt. Ich will Ihnen aber auch
gleich eingestehen, warum: hätten die paar Geschäftsleute
— verzeihen Sie das harte Wort — „Kundschaften", mit
denen ich „im Verkehr stehe", um ihnen mühselig das
bißchen Geld aus dem Stei—nbruch zu ziehen, das zur Er-
haltung meines armen Daseins notwendig, hätten sie unter
jener Neujahrsbetrachtung meinen Namen gelesen, da hätten
sie die Fäuste geballt, mit ihnen dröhnend auf ihre beladenen
Schreibtischplatten gehauen und ausgerufen: „Das ist der A.
. . . der rote pund! . . . der predigt Aufruhr und Re-
bellion ... er bekommt keinen Auftrag mehr von uns!" . . .
Dann aber, mein lieber perr A. W. de Beauelair, wäre
es geschehen gewesen um mich. Aus und geschehen. Ls
wäre mir dann wirklich nichts weiter übrig geblieben, als
mir paar und Bart schießen zu lassen, auf daß sie mir
Kinn, Stirn und Nacken umwallen (freilich! auch das hätte
seine Schwierigkeiten gehabt!), mir einen alten Künstlerstaus
zu erstehen, und als Zeichen gründlichen Lebensumschwunges
eine rote Rübe schwingend, vor die Stadt zu laufen, um
da mit Weib und Kind, denen ich freilich noch rasch ein
Reformkleid, eine originelle Paartracht und ein altes, des-
infiziertes Trikot eingehandelt haben müßte, jauchzend in
der Wintersonne umher zu springen. Da wären all' die
Menschen herbeigelaufen und hätten sich ergötzt an diesem
Götterschauspiel. Und hätten uns mildtätige Gaben ge-
spendet, die immerhin für Kartoffeln und Linsen ausgereicht
hätten. Aber selbstverständlich! Alles, alles hätte uns aus-
gesucht. Alle hätten uns trotzdem „für wertvolle Menschen"
gehalten. Besonders perr Barnum und pagenbeck!
Ich mag aber nicht in der Sonne baden, und mein
armes Weib ist Linsen und Kartoffeln nicht zugänglich. Und
ich mag und ich kann auch nicht im Pausgärtchen Gemüse

pflanzen und hegen und graben, und mein blondes Mädel
ist zart und würde sich einen schweren pusten holen in
ihrem leichten Trikot. Ich mag die Natur nicht, nur, wenn
ich sie brauche — und überhaupt, ich mag nicht. Denn ich
bin ja eine Ausnahme, mein lieber perr de Beauelair.
Ich will mich nicht einschachteln lassen, zum Naturmenschen
und Gemüse-Pleinairisten. Ich liebe die grausilberne Atmo-
sphäre der großen Stadt, das Pasten und Eilen der vielen
Menschen, ich liebe es, dem perzschlag der Kultur zu lauschen,
dort an der (Duelle jener Kultur, die in den ernsten Palästen
der Reichen wie in den Schenken der Zuhälter und der von
Ihnen mit Unrecht angefeindeten stellenlosen Kellner und
Droschkenkutscher ihre schönsten Blüten treibt. Denn wenn
ich Ihnen gliche, da wär' ich ja keine Ausnahme mehr. Ich
will nicht vor die Stadt und mir sind Leute mit langem
paar widerlich. Denn langes paar bedarf der eingehenden
pflege, zu der es mir an Zeit gebricht. Auch will ich
nicht, daß man mein Genie schon von weitem sehe oder
auch rieche. Mir verschlägt's den Atem, wenn ich uni-
formierte Menschen sehe, und ich glaube, eine Uniform des
Talents würd' ich nicht überleben. „Seht den spinat-
befleckten Samtstaus . . . muß der Kerl aber talentiert
sein!" . . . Nein, nein, verehrter perr de Beauelair! Lasten
Sie ab von dem schwarzen Gedanken, uns offiziell zu Aus-
nahmen zu stempeln, lassen Sie jedem sein Leben leben,
wie er muß, wie er kann und will, sei es in den rauchigen
Kaffeehäusern der großen Stadt oder den von Kuhglocken-
ton durchwehten Tälern der blauen Süd-Schweiz. Sie mögen
die Vereine nicht — gründen Sie also auch keinen der
„Künstler vom Strahlenglanz der alten Meister, des eigenen
felbstgeschaffenen peimwesens, umgeben von Schülern und
Freunden"! Lassen Sie uns schaffen oder zugrunde gehen,
wie es jedem von uns am sympathischsten ist und wollen
Sie vor allem nicht, daß wir mit jedermann unser künstle-
risches Ehebett teilen sollen. „Wir brauchen kein Kaffee-
haus, keine Großstadt," rufen Sie stolz und mit edler
Resignation. Wer ist das „wir"? Sie, mein verehrter
perr de Beauelair! Ich nicht. Sie brauchen kein Kaffee-
haus — ich keine Kuhglocken, Sie keine Großstadt — ich
 
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