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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

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Künstlerische Ideen
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Beauclair, A. W. de: Weg zur Reform im Leben des Künstlers
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https://doi.org/10.11588/diglit.52070#0024

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20

Die Werkstatt der Kunst.

Heft 2.

Ihre Zeichnung vorgeschrieben haben. — Geändert wurde
an Ihrer Zeichnung nichts; Sie taten sehr gut daran, die
Erlaubnis hierzu zu verweigern. — Gewiß, durch eine
Aenderung würde die Firma sich nach dem neuen Kunst-
schutz-Gesetz strafbar gemacht haben.
W. V. Der Verlag hat im allgenreinen ein ganz
gutes Renommee. Nur pflegt er zuweilen den Namen der
Künstler unter den Reproduktionen fortzulassen. Sie müssen
ihn: deshalb gleich die Bedingung auferlegen, daß Ihr
Name unter jeder Zeichnung deutlich genannt werde.
Rimstleriscke Ideen.
Ein Vorschlag.
Leon Kober legt in seinem Aufsatze „Künstlerische
Ideen" (Heft q^8) die Finger in eine schwärende Wunde
unseres Berufslebens. Mit Recht behauptet er, daß das
Gesetz gerade deu bildenden Künstler vor Kniffen und
Griffen wenig wirksam zu schützen vermag. Und was nun
gar originelle Ideen anbelangt, so werden dieselben häufig
so „nachempfunden", daß eine Strafe wohl am Platze wäre.
Nicht nur eine ganze Anzahl „kleiner Lithographen" stellt
das Kontingent der Sünder, sondern anch einige bekanntere
in- und ausländische Firmen erfreuen sich eines etwas „er-
weiterten" Gewissens. So sagte mir einmal der Ehef eines
Plakatinstitutes „Einmal gut gestohlen ist besser denn
zehnmal schlecht erfunden"! Ferner warnte mich vor
etlichen Wochen ein Kollege vor einer Kunstanstalt, weil
dort die eingesandten Ideen „für das Volk" umgearbeitet
würden, die Originale hingegen an die Absender mit Dank
zurückgingen!
Das einzige Mittel hiergegen wäre die Aufstellung
einer schwarzen Liste in den Fachblättern, in der die
Schuldigen öffentlich genannt würden. Einer ähnlichen
nutzbringenden Einrichtung bedienen sich doch schon seit
längerer Zeit die Literaten, um ihr geistiges Eigentum zu
schützen. Und ebenso wie die Herren Buchverleger mit
dieser Maßregel vollkommen einverstanden sind, werden es
auch die Leiter der Kunstinstitute sein. Denn auch ihnen
ist viel daran gelegen, die Ehre des Standes hochzuhalten,
indem sie kräftig mitwirken, allen unsauberen Machenschaften
den Garaus zu bereiten. Vullwix SsAsbartb, Stettin.
Meg zur Reform im Leben des Künstlers.
svon A. w. de Beauclair, Ascona.)
Man liest und spricht viel in unseren Tagen von
einer notwendigen Reform im Kunstleben und berührt dabei
die Ausstellungsfragen und die Erwerbsmöglichkeiten. Mir
scheint, an etwas hat man noch gar nicht gedacht, nämlich:
an die Emanzipation des Künstlers vom Publikum und der
Stadt zugleich. Ich will einen Vorschlag machen. Die-
jenigen, die es ernst meinen, werden mich verstehen und da
es immer die Besten und Wackeren sind, die sich nicht
zurecht finden im Strudel der Gesellschaft und im praktischen
Leben, so werden meine Worte an die einzig Richtigen
gelangen. Denn nicht zu denen spreche ich, die lieber dem
Publikum gerecht werden, um keine Entsagung üben zu
müssen, die lieber mit Unterrichtgeben ihre prächtige Jugend-
kraft und Ingendfrische allgemach einbüßcn müssen, da die
Tätigkeit eines gutverdienenden (? — Red.) Mallehrers gar
keine Zeit zu eigenem Arbeiten frei läßt, — nein, ich rede zu
solchen glücklich unglücklichen Künstlernaturen, die sich ihrer
Kraft bewußt sind, die aber alle unehrlichen Mittel scheuen
und leider oft im Laufe der Zeit erlahmen müssen im
Kampfe mit der herrschenden Unkultur, Unnatur und unserem
bestehenden häßlichen Vernichtungskampfe, der schlimmer
nie bestand. Selten doch, daß einer dein anderen hilft; der
eine sucht den anderen fortzudrängen. So liegt cs heute
überall und auch in der Kunst. Schon auf der Akademie
kann man beobachten, wie die Sachen liegen. Wie selten
beobachtet inan, daß ein mit Aufträgen überhäufter Pro-

fessor seinen Schülern oder einem Schüler einen Auftrag
zur Ausführung überweist, ihm hilft. Man kann an vielen
Schulen studiert haben, ein derartiges Zusammenwirken
wird man selten vorfinden. Und doch wäre es das rechte.
Aber der Teufel der Erwerbswut und die zunehmende Un-
kultur auch in Künstlerkreisen (unnatürliches Leben, Ver-
schwendung) haben es in den Hauptstädten dahin gebracht.
Deshalb: Emanzipation! Wer etwas auf sich hält, ent-
flieht diesem Trubel, so gut wie der Gebildete den Drang
und den Zug aufs Land hat. Daher die Stadtflucht der
Besten unseres Volkes als Gegenstück zur Landflucht der
Ungebildeten und der Bauern. Das nur zur Einleitung.
Ich mache Vorschläge. Man denke sich einen Zusammen-
schluß von sechs bis zwölf ehrlich nach dem Höchsten stre-
bender junger Künstler, die alle Entbehrung gerne und
freudig ertragen, bis das Ziel erreicht ist! Ideal, nicht wahr?
Aber durchaus erreichbar. Was einer allein nicht fertig
bringt, das können viele. Beweis: die modernen Genossen-
schaften und Zusammenschlüsse fast in allen Gebieten, die fast
alle bestehen und Macht haben. Wie, wenn sich einige starke
junge Künstler zusammenschlössen, völlig korporativ, indem
jeder einzelne dem anderen hilft, indem sie auch zusammen
als Gruppe ausstellen, zusammen leben, zusammen wohnen
— und zwar stets so lange, bis jeder durch diese vereinte
Kraft in die Höhe kam? Ein Beweis, daß fo etwas mög-
lich ist, ist schon erbracht. Man denke an die Gruppe der
Worpsweder. Durch geeintes Vorgehen bezüglich der Be-
schickungen an Ausstellungen haben es die paar Künstler
fertig gebracht, daß sie aus der Unmasse aller lebenden
Künstler ans Licht kamen und zu Ehren. Das hätte durch-
aus nicht der einzelne vermocht. Selbstverständlich muß
die weise Selbsteinschätzung das minderwertige Produkt
absolut auszuschalten wissen, wie es auch da meistens der
Fall war. — Mir kam in der Einsamkeit der prachtvollen
Natur im Kanton Tessin am Lago Maggiore diese Er-
kenntnis; und da man als „Mensch" nicht nur das eigene
Wohl, sondern das Wohl der Gesamtheit im Auge hat, so
kam mir auch ein durchführbarer Plan. Wer wird mit-
tun? Mein bescheidenes Anwesen steht zur Verfügung.
Es sind ;6OO c;m. Drei Zimmer im Hause sind zu ver-
geben. Drei weitere könnte man leicht errichten. Die
günstigen klimatischen Verhältnisse gestatten ein Wohnen
in Holzbauten, ja eventuell in Zelten. Gegessen wird
gemeinschaftlich, Material gemeinschaftlich angeschafft resp.
selbst aus Rohmaterial bereitet. (Man webt hier vorzüg-
liches Leinen.) Verschickt wird jährlich zweimal gemein-
schaftlich. Der Erlös aus solchen korporativen Ausstellungen
fließt in eine gemeinsame Kasse. Nebenher kann jeder
verdienen und verkaufen in die eigene Tasche. Das Leben
sei nicht primitiv, aber durchaus einfach. (Die Kost in
dieser Gegend vor allem vegetarisch.) Die Landschaft selbst
ist völlig unverbraucht an Motiven und alles bietend.
Wiesen, Dickicht, See, Bäche, öde Felslandschaft und Hoch-
gebirg. Nebenbei ist Gelegenheit zur Gartenkultur und Be-
schäftigung. Alle Genüsse der Großstadt fallen allerdings
weg. Kaffeehaus und dergl. fehlen. Wer mit mir eine
ernste, zielbewusste Arbeit beginnen und vollenden will, der
schreibe mir. Einen Fonds von pro Monat 60—;oo Franken
muß jeder mitbringen. 50 Mark sind das wenigste. Zu näherer
Erörterung bin ich jederzeit bereit. Am geeignetsten wären
junge verheiratete Künstler, nicht über dreißig Jahre. Die
Frauen könnten abwechselnd die einfache Hausarbeit über-
nehmen. Zu allgemeiner grober Arbeit, sowie zur Her-
stellung und Instandhaltung des Materiales der Künstler
würde gegen Kost und Logis ein eingeborener Junge ge-
halten. Eine gemeinschaftliche große Halle müßte errichtet
werden zum Aufenthalte bei schlechtem Wetter und zugleich
als Speisehalle. Alle weiteren Details würden mich zu
weit führen in diesen: ersten Anruf, aber auch Kunst-
freunden möchte ich den ideal - praktischen plan vor Augen
halten, wäre es undenkbar, daß eine Unterstützung von
dieser Seite erfolgen wird? Adresse: Ksconu, Leau-
cluir, rnonesciu sKanton Tessin, Schweiz).
 
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