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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

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Gründung eines deutschen Werkbundes
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Katsch, Hermann: Eine Künstler-G.m.b.H., [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.52070#0025

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Heft 2.

2^

Die Werkstatt der Kunst.

Gründung emes äeulleken Mlerk-
bunctes.
(Nach einem Bericht der „Münchener Neuesten Nachrichten".)
Heute begann hier die Gründungsversammlung eines
„Deutschen Werkbundes". Ueber die schönen Bundes-
ziele gibt ein ausführliches Programm Auskunft, dem
wir folgende Sätze entnehmen:
Line tiefe Kluft gähnt heute zwischen den technisch-
wissenschaftlichen Errungenschaften der Zeit und der Form-
losigkeit unseres Lebens, wir sind jetzt an die Revision
unserer innerer: Lebenswerte gegangen. Die kunstgewerb-
liche Bewegung ist das Sichbewußtwerden der Notwendig-
keit einer rhythmischen Ordnung in unserem Gestalten.
Line gleichmäßig gute und edle Gestaltung und Durch-
bildung jeden Erzeugnisses der Hand und der Maschine,
das hat inan erkannt, muß das Ziel der Zeit sein. Non
diesen: Geist der Bewegung finden sich Parallelbewegungen
in der Architektur, Plastik und Malerei. Und diese Grund-
sätze gewinnen Einfluß auf eine Vereinfachung und Ver-
edlung unserer Lebensformen. Alles drängt auf Hebung
der (Dualität als das Mittel, sich in: Wettkampf zu be-
haupten und dadurch aus eine Wiedergeburt der gesamten
deutschen Arbeit. Der Bund erblickt die Möglichkeit eines
ferneren erfolgreichen Wirkens in einem vereinten Wirken
der beteiligten künstlerischen, ausführenden und kauf-
männischen Kräfte. Dem Bunde werden daher Künstler,
Kunsthandwerker, Betriebe, Kaufleute und Förderer als
gleichberechtigte Mitglieder angehören und gibt er das
Programm aus, daß die höchste Vollendung eine Summierung
der besten technischen, künstlerischen und wirtschaftlichen
(Dualitäten ist.
Nachdem bereits im Sommer (907 eine Anzahl von
Angehörigen der Kunst und Industrie sich zur Gründung
eines Deutschen Kunstgewerbe-Bundes bereit erklärt hatte,
erfolgte am 5. Oktober im Hotel „Vier Jahreszeiten" die
konstituierende Versammlung, zu der sich über (oo Herren aus
ganz Deutschland eingesunden hatten. Unter den Erschienenen
bemerkten wir die Professoren Theodor Fischer (Stuttgart),
Scharvogel (Darmstadt), Bruno Paul (Berlin), Pan kok
(Stuttgart), Karl Ule (Karlsruhe), Schmuz-Baudiß
(Berlin), Kunsthistoriker Museumsdirektor Vr. v. Trenk-
wald (Frankfurt a. M.), Pros, wäntig (Halle), Hofrat
Lruckmann (Heilbronn), Schulrat Or. Kerschensteiner
(München), Kunsthistoriker vr. Graul, (Leipzig)', Prof.
Dülfer (Dresden), mehrere Großindustrielle, Verlagsbuch-
händler usw.
Architekt Richard Riemerschmid (München) be-
grüßte die Versammlung namens der Münchener Vereini-
gung für angewandte Kunst.
Prof. Scharvogel (Darmstadt), welcher die Ver-
sammlung leitete, hieß die Erschienenen namens des vor-
bereitenden Komitees willkommen und berichtete einiges
über die Vorgeschichte der Gründung des Bundes.
Prof. Fritz Schumacher-Dresden referierte in geist-
voller Rede über die Ziele und Absichten des neu zu gründen-
den Bundes, der dem deutschen Kunstgewerbe zu Nutz und
Gedeihen gereichen möge. Die einfache Wahrheit des neuen
Bundes sei die, Künstler und Ausführende, oder richtiger-
gesagt, Erfinder und ausführende Künstler müssen zu einer
Interessengemeinschaft zusammengeschlofsen werden,
sie müssen die gleichen ^Ziele bekommen, die bisher be-
stehende Unnatur der Spaltung müsse beseitigt werden.
Der Bund soll dazu beitragen, die um Harmonie ringenden
Kräfte unseres Volkes immer mehr zu klären und zu festigen.
Hofrat Bruckmann (Heilbronn) besprach sodann die
Notwendigkeit der Gründung des Bundes von: rein prak-
tischen Standpunkt aus, vom'Standpunkt des Industriellen.
Die zu leistende Arbeit könne nicht von heute auf morgen
erledigt werdendste erfordere vielmehr den Zusammen -
schluß aller wirksamen Kräfte und stellte ein Arbeits-
programm auf, das nur in langjähriger Arbeit verwirklicht
werden könne.

Nachdem die Standpunkte zweier verschiedener Inter-
essenkreise in längeren Ausführungen dargelegt worden
waren, wurde in die Diskussion eingetreten, die sehr an-
regend verlief und an der sich Universitätsxrofessor Or. Wän-
tig (Halle), Prof. Peter Behrens (Düsseldorf), Prof. Theo-
dor Fischer (Stuttgart), Riemerschmid usw. beteiligten.
Die Notwendigkeit des Bundes wurde dabei von verschie-
denen Standpunkten aus beleuchtet und besonders betont,
daß es sich um ein großes Reformwerk der herstel-
lenden, ausführenden und vertreibenden Kräfte
der deutschen kunstgewerblichen Produkte handle.
Prof. Theodor Fischer führte die Ueberzeugung zu
dem Bunde, daß in dein besonderen Fache, dem er an-
gehörte, nicht so viel Gutes geleistet werde, als geleistet
werden könne. In Deutschland werden jährlich, betonte
der Redner, vom Staate, von Städten und Kommunen
ungefähr ZOO Mill. Mk. verbaut, und wie wenig Gutes
komme dafür heraus? Es müsse also die (Dualität der
Arbeit verbessert werden. Line weitere Hauptfrage scheine
die zu fein, daß es Aufgabe und Pflicht des Staates sei,
sich um die Heranbildung eines künstlerischen Nachwuchses
mehr zu kümmern als bisher. Der Umfang und die Zahl
der Schulen in Deutschland entspreche durchaus nicht dem
Werte und den (Dualitäten dessen, was geleistet werde.
Lin dritter Punkt sei der, daß wir mit mehr Ruhe an
unsere Aufgaben herantreten und nicht Terminarbeiten
übernehmen sollen. Diese drei Hauptpunkte möge sich der
Bund als Arbeitsziel vorstecken.
Prof. Th. Fischer wurde zum Vorsitzenden des deut-
schen Werkbundes gewählt. Nachdem noch Prof. Schar-
vogel eine interessante Perspektive auf das Arbeitsgebiet
des neuen Bundes entworfen hatte, erfolgte die Unter-
zeichnung der Gründungsurkunde, die sich mit den
Namen sämtlicher Anwesenden bedeckte; außerdem haben
noch über 50 Industrielle ihren Beitritt zum Bunde erklärt.
6me Künlller-G. m. b. I).
von Hermann Katsch, Lharlottenburg.
Ls ist merkwürdig, daß die Vereinigung deutscher
Künstler, die im Jahre (856 offiziell begründet, im vorigen
Herbst ihr fünfzigjähriges Bestehen feiern konnte, in der
Zeit und aus den Strömungen der Zeit heraus, in welcher
der deutsche Sänger—Schützen—Turnerbund entstand, dei:
Namen Allgemeine deutsche Kunstg enossenschast wählte.
Die Antezipierung dieses Wortes „Genossenschaft", welches
zu so großer wirtschaftlicher Bedeutung gelangen sollte,
bezeichnete in den ersten Gründungsjahren wohl eine wirt-
schaftliche Vereinigung, heute nicht mehr. Als man Deutsch-
land zusammenturnen, -schießen, -singen und -trinken wollte,
da wollten auch die Maler, Bildhauer und Kupferstecher
nicht Zurückbleiben, und aus den: Besuch eines in Köln
geborenen Malers, Flüggen, in Düsseldorf und dem fidelen
Beisammensein entstand die Idee zu einer Vereinigung der
in Deutschland unter geringer Achtung ihrer lieben Mit-
bürger lebenden Künstler. Der Historiograph der A. d. K.-G.
schreibt wörtlich: „von einem Ansehen der Künstler in ihrer
bürgerlichen Stellung war kaum die Rede." Man plante daher
ein Zusammenkommen der Kollegen von Nord und Süd
nicht bloß, wie es so schön heißt, „zur Beklagung der
Notseide" (!), sondern um sich durch Vereinigung als Maste
etwas Geltung zu verschaffen. An: 29. und 30. September
(856 wurde in Bingen die erste Zusammenkunft veran-
staltet und, allerdings sehr zum Erstaunen derer, die „sich
auf ein fröhliches Gelage angesichts des rebenumkränzten
Rheingaues gefreut hatten", traten namentlich die Düssel-
dorfer, die Führer der Sache, mit sehr ernsten Vorschlägen
auf: Ls wurden Petitionen an die Regierungen zum Schutz
des damals vogelfreien geistigen Eigentums und die Be-
gründung einer Witwen- und Waisenkasse für die deutschen
Künstler beschlossen. Gleichzeitig aber wurde das, was die
Bedeutung der eben geborenen Vereinigung später zum
größten Teil illusorisch machen sollte, die Organisation der in den
 
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